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The 2nd try


Chapter 9: The 16th

+Story: JimmyWolk
+Übersetzung: Ch@d


Wie immer wachte Ritsuko alleine auf. Nicht auf ihre Nacktheit achtend, setzte sie sich auf und griff nach dem Zigarettenpäckchen auf dem Nachttisch. Das Feuerzeug drei Mal drückend, erzeugte der Funke schließlich eine kleine Flamme, die kurzzeitig den dunklen Raum erhellte.

'Dummes Mädchen', beschimpfte sie sich selbst, als sie einmal zog, 'hoffst du noch immer auf einen Guten-Morgen-Kuss in der Frühe? Oder zumindest eine Nachricht zu finden?'

Warum tat sie es immer noch? Warum sehnte sie sich so sehr nach einer menschlicher ... seiner Zuneigung? Jemand wie sie sollte nicht auf so etwas reduziert werden. Sie war eine logisch denkende Wissenschaftlerin. Sie wusste, es war bloß ein Ergebnis von Hormonen und chemischer Reaktionen. Und doch, hier war sie, sich nach dieser dummen Emotion Liebe sehnen.

Die halb abgebrannte Zigarette im Aschenbecher ausdrückend, stand Ritsuko auf um sich für einen weiteren normalen Tag anzuziehen. So wie immer ...



****************



Es war ein langer Tag für Hisao gewesen. Diese paar Jugendlichen, die immer am Hintereingang der Schule rumhingen, hatten noch ein Fenster eingetreten. Natürlich leugneten sie es und es passierte, als niemand in der Nähe war, aber er hatte keinen Zweifel, dass sie es waren. Sie stanken schon nach Ärger. Und wer hatte die wunderbare Aufgabe das alles wieder zu reparieren? Er natürlich.

Aber die Türe zu seinem kleinen Single-Appartement ging auf und er ließ einen erleichterten Seufzer von sich, denn bald würde er ein wenig Ruhe bekommen. Er konnte wirklich ein entspannendes Bad gebrauchen und danach einen schönen lockeren Abend mit einem guten Film.

Doch wurde ihm bewusst, dass sein Tag noch nicht zu Ende war, als er den Lichtschalter betätigte – und alles dunkel blieb.

"Na toll, ist diese Birne auch durchgebrannt?", murmelte er ärgerlich vor sich hin, bei der Aussicht immer noch nicht zu Ruhe kommen zu können. Abwesend drückte er den Schalter mehrere Male gegen besseren Wissens.

"Nein, eigentlich ist es die Sicherung."

Hisao erstarrte. Ein kalter Schauer fuhr ihm den Rücken hinunter, als er sich ganz langsam zu der Stimme drehte, die aus den Schatten kam.

Alles, was er sehen konnte war sie Silhouette eines Mannes, der untätig auf seinem Sessel saß mit den Füßen auf dem Wohnzimmertisch. Das glühende Ende der Zigarette, die er rauchte, machte es hell genug, dass man ein stoppeliges Kinn und ein schiefes Grinsen sehen konnte.

Eine Angst, die er gerne unterdrückt, ihn aber die letzten fünfzehn Jahre begleitet hatte, traf ihn nun mit voller Kraft. "Wer-wer sind sie? Wie sind sie hier rein gekommen?"

"Ich habe gehört, dass sie Teil eines Rettungsteams waren, das geschickt wurde um nach Überlebenden der Katsuragi-Expedition zu suchen."

"Ich ... ich weiß nicht, wovon sie reden. I-ich bin Hausmeister. Ich habe nie einen Fuß außerhalb Japans gesetzt."

"Oh?" Er konnte es nicht sehen, aber Hisao wusste einfach, dass der Mann grinste. "Es ist überraschend, dass ein einfacher Hausmeister weiß, dass ein hochgeheimes Experiment außerhalb Japans stattgefunden hat."

Das Eis in Hisaos Eingeweiden dehnte sich weiter aus. "Das ... das war nur gut geraten. Ich habe wirklich keine ..."

"Sie sind ein Beschäftigter Mann, Herr Yamaki", unterbrach ihn der Fremde. "Sie haben es mir nicht gerade einfach gemacht sie zu finden. Haben zweimal ihre Identität geändert, sind achtmal umgezogen. Wie war das Wetter in Osaka?"

Hisao schluckte schwer. Lügen würde zu nichts führen. Egal woher, aber dieser Typ wusste Bescheid. "Wie-wie habe sie mich gefunden?"

"Ich habe einige Gerüchte gehört, wissen sie? Dass eine gewisser jemand ein paar Daten und Dokumente gefunden hat, die er nicht an seine Vorgesetzten weitergegeben hat.", ignorierte ihn der Fremde weiterhin.

"Hören sie!", schrie Hisao flehend. Oh Gott, er wollte noch nicht sterben. Warum hatte er das Zeug nicht einfach auf der Eisscholle gelassen, wo er es gefunden hatte? Es wäre davon getrieben und schließlich unter gegangen, ohne jemand nochmals zu belästigen. "Ich weiß nicht, wer sie sind, aber ich habe damit nichts mehr zu tun. Ich-"

"Ruhig, Yamaki. Ich bin nicht hier um sie zu töten. In dem Falle wären sie schon lange tot. Alles was ich will sind diese Daten."

"Ja, genau", entgegnete Hisao sarkastisch, kein Wort glaubend. "Und wenn sie erst haben, was sie wollen, dann-"

Der Fremde warf seinen Kopf zurück und gab einen übertriebenen Seufzer von sich. "Wenn sie wollen, dass ich meine Pistole heraushole und sie nach den Daten frage, während ich sie ihnen unter sie Nase halte, sagen sie es nur. Allerdings kann ich sie nicht zwingen, mir zu trauen. Aber seien sie versichert, dass ich nicht für die arbeite. Eher im Gegenteil. Soweit ich weiß, haben sie ihren Job gut genug gemacht, um ihre Existenz vor ihnen zu verbergen. In der Tat haben sie wohl nie daran gezweifelt, dass es während des Second Impact verloren ging."

"Aber ... aber ich habe sie nicht mehr", versuchte der Hausmeister zu erklären. "Ehrlich, als ich realisiert habe, wo mich dieses Wissen hineinziehen würde, war ich froh es loszuwerden."

"Sie haben es zerstört?" Die Stimme des Fremden klang finster, und ließ Hisao fürchten, dass er nun eine falsche Antwort zu viel gegeben hatte.

"Nein", versuchte er sich gleich zu rechtfertigen. "Vor ungefähr zwölf Jahren, war da ein anderer Typ, der danach gefragt hatte. Er war derjenige, der mir geraten hat mich zu verstecken. Ich gab ihm alles was ich hatte. Ich habe nie irgendwelche Kopien gemacht.

Die Zigarette wanderte von einer Ecke des Mundes zur anderen, als Fremde sich höchstwahrscheinlich wunderte, was er mit dieser Information anfangen sollte, ob er ihm glauben sollte oder nicht. Nach einem kurzen Augenblick der Stille, blies der Schatten eine letzte Wolke des Rauches aus bevor das kleine Licht im Aschenbecher auf dem Tisch erlosch.

"Sie erinnern sich nicht zufällig an den Namen von diesem Typen?"



****************




Seit ihrer Unterhaltung versuchte Misato etwas mehr Zeit mit Asuka zu verbringen. Wegen ihrer Arbeitszeiten und dem Stundenplan der Schule war das nicht sehr oft, aber zumindest einmal pro Woche war "Mädchen Tag", wo sie einkaufen gingen, Mittagessen waren oder einfach in einem Café saßen. Misato war sich zuerst nicht sicher gewesen, ob das nicht zu 'mädchenhaft' für die trauernde Mutter war und Asuka war in der Tat etwas zögerlich bei dieser Idee gewesen. Schnell genug aber hatte es ihr genauso viel Spaß bereitet wie – überraschenderweise – Misato selbst.

Sie hatte vergessen wie sehr sie vermisst hatte mit einer Freundin auszugehen. Ritsuko war nicht an mehr als einer Unterhaltung interessiert, sie bestellte sich die meisten Kleider im Katalog. Und in letzter Zeit wurde es noch schlimmer. Misato war sich nicht sicher, wann der Doktor das letzte Mal die Geofront verlassen hatte und an der Oberfläche war. Und letztlich folgte Misato ihrem Beispiel und ging nur shoppen, wenn sie wirklich etwas brauchte.

"Freundin" - Das ist wohl das beste Wort zu beschreiben, wie sie Asuka jetzt sah. Nicht "Schützling", nicht "ersatz Tochter", auch nicht unbedingt "kleine Schwester", sondern eine ebenbürtige Frau. Es fiel ihr inzwischen auch leichter hinter die Fassade des Teenagerkörpers zu sehen.

"Hey Asuka!", machte sie den Rotschopf auf sich aufmerksam, der nach den heruntergesetzten Dessous schaute.

Breit grinsend, hielt sie einen roten String-Tanga für Männer hoch. "Wie wär's damit für Shinji?"

Asuka verzog das Gesicht. "Nein, danke", murmelte sie grinsend, ihren Kopf ungläubig schüttelnd. "Er hat mal versucht mich mit einem zu überraschen. So sehr ich ihn auch liebe ... naja lass es mich so sagen, es macht ein wenig die Stimmung kaputt, wenn man die ganze Zeit lachen muss."

Während Misato manchmal die Momente vermisste, in denen ihre Sticheleien sichtbare Wirkung zeigten, ließ sie sich nicht davon abhalten über Asukas Geschichte zu schmunzeln. "So schlimm?"

"Oh, ja. Und damals war er sogar besser gebaut als jetzt."

Misato lächelte. Sie hatte kürzlich ein paar von diesen Schmankerln von ihrer Zeit nach dem Impact gehört: die schönen, die schlechten, die romantischen, die ungezogenen (wenn auch nur angedeutet), die lustigen – und natürlich die von Aki.

Sie konnte nicht leugnen, dass sie sich nach all dem wirklich gewünscht hätte dieses Mädchen kenne zu lernen. Um zu sehen, wie eine Tochter von Shinji Ikari und Asuka Langley Soryu sich entwickelt hätte. Nein, entwickelt hatte. Wenn ihr schon der Verlust des kleinen Mädchens solchen Kummer machte, konnte sie es sich nicht vorstellen, welchen Schmerz die Eltern verspüren mussten.

"Ich denke nicht, dass hier etwas für mich dabei ist", murmelte Asuka mit einem abschließenden Blick zu den Kleidungsstücken, die Gedanken ihres "Vormunds" unterbrechend. "Lass uns in die Boutique hier in der Nähe..."

Misato wunderte sich über das plötzliche Unterbrechen im Satz und der Bewegung ihrer Begleiterin. "Asuka?" Dem Blick der Rothaarigen folgend, als sie keine Antwort erhielt, drehte sie sich um und stand einem blau-haarigen Mädchen gegenüber.

"Major Katsuragi", grüßte Rei sie leicht nickend. "Pilotin Soryu."

"Ah, hallo Rei", antwortete Misato freundlich. "Was führt dich hierher?"

"Ich brauche neue Socken", antwortete sie ruhig. Nach unten blickend sah Misato ein großes Loch im rechten Strumpf. Der Kontrast zwischen der blassen Haut und der dunklen Baumwolle, machte es unmöglich das zu übersehen.

"War klar", knurrte Asuka, als sie zu ihr herüber ging. Dieser plötzliche Wandel im Verhalten war beinahe erschreckend. Und sie war nicht mal so schlimm wie sie es einst war. "Der Teufel würde eher die Arktis besuchen um dort Urlaub im Warmen zu machen, bevor du dir selbst ein neues Outfit zulegen würdest."

Rei schien jedoch unbeeindruckt wie immer. "Die Kleidung, die wir von der Schule bekommen, ist ausreichend für mich."

"Ausreichend, ausreichend", wiederholte Asuka echauffiert, die Hände hoch reißend und die Augen verdrehend. "Das ist keine Sache von ausreichen. Du solltest es tun, um dich behaglicher zu fühlen, um der Welt zu zeigen, dass du ein anderes Leben hast, als Schule und Pflicht. Und am wichtigsten ist es, dass du dich besser fühlst!"

Misato lächelte leicht. Abgesehen von ihrem Tonfall, war es offensichtlich, dass sie Rei helfen wollte statt sie nieder zu machen. Aber das Lächeln verschwand mit der Traurigkeit, die bei der Antwort mitschwang.

"Es gibt keinen Grund für mich so etwas zu begehren", sagte Rei, als wäre 'wohl fühlen' ein Luxus, so unerreichbar, dass es nicht einmal lohnte, es zu versuchen. Sie wollte es scheinbar dabei belassen und ging weiter, aber sie kam nicht weit. Als sie an Asuka vorbei wollte, griff der Rotschopf plötzlich nach ihrem Handgelenk um sie zu stoppen.

"Doch den gibt es", sagte ihr Asuka ungewöhnlich ernst. Und noch verwunderlicher war, es schien Rei zu erreichen, als sie weder den Augenkontakt noch Asukas Griff an ihrem Arm unterbrach.

Sie wären vermutlich noch eine Weile so verharrt, wenn Misato es nicht schließlich für nötig gehalten hätte einzugreifen. "Äh, Rei?", zog sie die Aufmerksamkeit auf sich. "Wir wollten gleich zum Mittagessen gehen. Willst du uns begleiten?"

Das Mädchen schien von der Einladung beinahe überrascht zu sein, aber nicht negativ. Misato nahm das als Hinweis weiter zu machen. "Ich bin sicher, dass sie auch vegetarisches Essen haben."

Reis Verstand war offensichtlich in Aufruhr. Zögerlich, fast schüchtern, blickte sie zu Asuka zurück, als ob sie nach einer Bestätigung suchen würde, die – was die größere Überraschung gewesen sein muss – sie in Form eines kleinen Nickens bekam.

"Ich..." Sie schweifte ab, ihre Schultern so wenig wie ihren Kopf sinken lassend. "Ich bitte um Verzeihung. Ich kann sie nicht begleiten", entschuldigte sie sich schnell, ihren Arm ohne großen Widerstand befreiend und ging schneller davon.

"Sie hätte zumindest auf Wiedersehen sagen können", murmelte Misato ein wenig enttäuscht. Für einen Augenblick hatte sie geglaubt, dass sie Erfolg haben könnten. "Na gut, lass uns etwas essen gehen. Oder willst du zuerst in die Boutique?"

Sie bekam keine Antwort. Als sie zu ihr hinüber blickte, sah Misato Asuka immer noch in die Richtung schauen, in der Rei verschwunden war, und den enttäuschten Gesichtsausdruck.

"Asuka?", fragte wie nochmal, den Rotschopf endlich erreichend.

"Ja...", murmelte Asuka, sich zwingend sich zu bewegen. "Ich komme..."



****************



Abgesehen von diesem Vorfall, war es alles in allem ein lustiger Tag. Die zwei Frauen lachten laut über eine weitere von Asukas Anekdoten über Shinjis Versuche sie zu beeindrucken, als sie einige Stunden später das Appartement betraten, beladen mit vielen Taschen von den verschiedenen Geschäften, die sie besucht hatten. Bei der Ankunft konnte man die Stimme des dritten Bewohners vernehemn.

"Ja, Herr Satori, ich weiß, dass es das dritte Mal in den letzten zwei Wochen ist, aber..."

"Oh nein...", seufzte Asuka, die Freude von eben vergessend.

Misato konnte jedoch keine Verbindungzwischen dem Gespräch, das Shinji an Telefon hatte und einem solchen Stimmungswechsel sehen. "Was ist los?"

"Er klammert sich mal wieder an einen Strohhalm", kommentierte Asuka flach, ernst die Gestalt des Jungen im Flur anstarrend.

"Ich weiß... ja, ich weiß, dass sie sagten, dass sie anrufen würden wenn sie...", konnten sie ihn sagen hören.

"Warum, mit wem spricht er?", fragte Misato neugierig weiter.

"Dem Hausmeister von einem Waisenhaus in Gora. Es ist ja nicht so, dass Shinji nicht einfach eine Vermisstenanzeige aufgeben..."

"Nein! Nein bitte!", wurde die Stimme des Jungen plötzlich verzweifelt. "Es tut mir Leid, ich wollte sie nicht aufregen! Bitte hören sie nicht auf... I-ich würde sie auch bezahlen..."

Das war der Moment, als Asuka genug hatte und diese Tatsache laut äußerte. "Shinji hör sofort damit auf! Du wirst diesem gierigen Bastard nicht dein Geld in den Rachen werfen!"

"Äh, ich... ich muss Schluss machen", flüsterte er beinahe schüchtern, als hätte er sie bis zu diesem Zeitpunkt nicht bemerkt. "Vielen Dank für ihre Arbeit."

Asuka schüttelte ihren Kopf. "Du weißt, dass sie dort nicht auftauchen wird", sagte sie mitleidig und erschöpft. Anscheinend war dies eine lange Diskussion, die sie schon seit einiger Zeit geführt hatten.

"Bist du immer noch so sicher, dass sie nicht hier ist?", murmelte er traurig.

"Ich habe jetzt gemerkt, dass sie hier ist bei uns, aber nicht so", antwortete Asuka mit einer genauso leisen Stimme. "Glaubst du nicht, dass sie schon lange irgendwo aufgetaucht wäre, wenn sie mit uns zurück gekommen wäre?"

"I-ich muss es zumindest versuchen..."

Eine unangenehme Stille drohte sie zu überwältigen. Aber sie bekam nicht die Chance dazu.

Die Sirenen, die die Ankunft des sechzehnten Engels ankündigten, ließ sie alle drei überrascht zusammenzucken und besonders Shinjis Gesicht war angstverzogen.

"Rei..."


*********


Makoto knallte den Hörer auf das Telefon. "Major Katsuragi ist auf dem Weg und wird mit dem Second und Third Children in ein paar Minuten ankommen!", schrie er über die ganzen Geräusche in der Kommandozentrale. "Einheit 00 soll auf ihren Befehl über Tor 32 starten!"

"Das Fourth Children ist gerade angekommen!", signalisierte Shigeru ebenfalls. "Scheinbar war er in der Nähe eines Eingangs, als der Alarm losging."

"Ohne EVA hat er keinen Nutzen für uns", blieb der Kommandant ruhig. "Einheit 02 wird starten, sobald der Pilot bereit ist."

"Sir, was ist mit Einheit 01?", fragte Makoto nach. "Major Katsuragi..."

"Hat hoffentlich ihre Kompetenz nicht vergessen", unterbrach ihn der Kommandant kurz. "Einheit 01 verbleibt in Cryostase , bis ich den ausdrücklichen Befehl dazu gebe."

"Jawohl, Sir."

"Einheit 00 Start!", würden die Anweisungen über die Lautsprecher wiederholt. "Vorrücken bis Abfangstelle!"

***

Rei hielt ihr Positronengewehr bereit, als sie den Engel aus ihrer Deckung heraus beobachtete. Diese Doppelhelix schien nichts anderes zu tun, als sich über dem Boden zu drehen, aber sie wusste es besser als diesem momentanen Frieden zu trauen und das nicht nur durch die Erfahrungen mit seinen Vorgängern.

Jede Faser ihres Körpers sagte ihr, schrie, dass etwas nicht stimmte. Nie zuvor hatte sie eine solche drohende Furcht verspürt. Dieses beunruhigende Gefühl störte sie so sehr, dass sich wünschte, dass er einfach angreifen würde, damit sie es hinter sich bringen könnten.

"Rei", ertönte Major Katsuragis Stimme über das Comm, "wir werden seinen Status für eine Weile beobachten:"

Dass der Major angekommen war bedeutete, dass sie ihre Verstärkung bald kommen würde. Aber sie fühlte sich nicht erleichtert. Jenes Gefühl hatte seinen Höhepunkt erreicht.

"Nein", sprach sie ihre Gedanken aus, "er kommt."

Und tatsächlich, die Helix hörte auf sich zu drehen und verwandelte sich in einen einzigen leuchtenden Ring, der sich plötzlich an einem Punkt öffnete – bevor er auf sie zuschoss. Es drang in ihr AT-Feld ein, als ob es nicht mal da wäre; drang in ihren EVA ein, bevor sie ausweichen konnte. Sie versuchte, den Schmerz des Einschlags zu verdrängen, der vom Bauch des EVAs an den ihren weitergegeben wurde, und griff mit der linken Hand nach dem Engel um zurück zu schlagen. Aber auch als sie des öfteren aus extrem kurzer Entfernung darauf schoss, wurden die Projektile einfach zurück geworfen, ohne Schaden zu verursachen.

Doch schlimmer, der Engel fing an den EVA zu befallen; sie konnte ihn bereits nach innen durchsickern spüren, als er Einheit 00 zu Boden warf. Rei verlor das Positronengewehr, als sie mit aller Kraft kämpfte um den Gegner weg zu drücken, aber auch als sie beide Hände benutzte konnte sie nichts tun um ihn aufzuhalten. Es drang ein – nicht nur in ihren EVA sondern auch in sie.

Da war etwas.

Ein Gefühl, als ob da eine andere, unbekannte Präsenz in ihrem EVA wäre.

Aber sie konnte nur sich spüren, und doch auch... nicht. Als ob... als ob es ein anderer Teil von ihr wäre, den sie nie zuvor bemerkt hatte. Oder etwas, das mit ihr verschmolz.

'Wer bist du?', fragte sie das Wesen, wenn auch nur in Gedanken. Licht flackerte vor ihren Augen, als sich die helle Schlange draußen wandte. 'Bist du das? Ein Engel? Das Wesen, das wir Engel nennen?'

"Ein Engel?", konnte sie es mit ihrer eigenen Stimme sagen hören, so deutlich, als würden sie sich von Angesicht zu Angesicht unterhalten. Sie konnte ihn fast in ihrem Geiste sehen, wie er ihr eigenes Gesicht trug. "Was macht das aus? Wir werden bald vereint sein. Wir werden ein und dasselbe sein."

'Nein. Ich bin ich. Ich will nichts anderes werden.'

"Nein? Ich verstehe... Aber es ist zu spät." Die Stimme war so klar, wie ihre eigene. "Dieser Schmerz... Es ist nicht mehr so schlimm oder?"

'Schmerz?', wunderte sich Rei, beinahe sofort das Gefühl bemerkend, dass beide über die Verbindung verspürten. 'Du sprichst von... Einsamkeit?'

"Ja. Aber ich verstehe es nicht. Du musst es nicht mehr fühlen. Und doch versuchst du es zu vermeiden es zu lindern wegen dieser anderen Emotion."

'Weil ... ich Angst habe... ?'

Rei konnte fast das Lächeln dieses Dingmit ihrem Gesicht sehen. "Ja."

Da war eine Unruhe, bevor sie antworten konnte; ein Gefühl, das sie für eine Sekunde an Überraschung und Ungeduld erinnerte.

"Eine neue ist aufgetaucht. Sie ist eine talentierte Kämpferin, nicht wahr? Das ist es, was du von ihr weißt."

Sich zwingend den Kopf zu drehen, blickte Rei aus dem Cockpit, um den roten Evangelion gerade den Lift, der ihn an die Oberfläche befördert hatte, verlassen zu sehen. "Soryu?"

"Sei unbesorgt. Ich werde mich ihrem Wunsch gegen uns zu kämpfen anpassen. Sie wird bald eins mit uns werden."

'Nein. Ich will nicht, dass das passiert.'

"Lügner. Ich kann es sehen. Ich kann das Verlangen deines Herzens sehen, dich mit andern zu vereinen. Du kannst es nicht leugnen."

***

Asuka ging instinktiv sofort hinter ein paar Gebäuden vor ihr in Deckung, als sie aus dem Lift kam, wobei sie versuchte, nicht zu viel Aufmerksamkeit des Engels auf sich zu ziehen, indem sie ihr AT-Feld noch nicht aufbaute. In einiger Entfernung, außerhalb der Stadtgrenze, konnte sie den Kampf von EVA-00 und dem schwankenden Ende des Angreifers, der sich selbst in den blauen Evangelion gebohrt hatte, sehen.

Es war fraglich, ob sie schnell genug feuern könnte, ohne den Gefangenen zu treffen, aber wenn sie sich die Zeit nehmen würde richtig zu zielen, würde der Engel höchstwahrscheinlich zuschlagen bevor sie schießen konnte. Abgesehen davon würde es soweit sie wusste keinen Effekt zeigen. Also blieb nur der Nahkampf.

Sie spähte wieder vorsichtig um den Wolkenkratzer, versuchend auf eine Strategie zu kommen, wie sie sich nähern kann, ohne entdeckt zu werden. Aber das schien kaum möglich, da drum herum nur – im Vergleich zu einem EVA – kleine Bäume standen.

"Brauchst du eine Ablenkung?", riss Misatos Stimme sie aus ihren Überlegungen. Offensichtlich hatte sie ihre Gedanken gelesen.

"Das wäre hilfreich", antwortete Asuka nickend.

"Wie wäre es mit einer kleinen Rauchwand? Denkst du, du kannst dadurch angreifen?"

Asuka würdigte dem Bild von Misatos Gesicht im Comm-Fenster ein trockenes Grinsen als Antwort.

Misato bestätigte diese Antwort mit einem Nicken und fuhr fort ihren Plan zu erklären. "Da ist ein Raketenwerfer auf dem Hügel rechts von dir. Wir werden ein paar Salven in die Richtung des Engels feuern, sodass sie etwa fünfzig Meter vor ihm einschlagen werden. Schwer zu sagen, wie sehr es ihn ablenken wird, aber ich fürchte das ist alles, was wir momentan für dich tun können."

"Ich denke, dass wir das abwarten müssen", murmelte Asuka, das Prog-Messer aus ihrer Schulter nehmend.

"Bist du bereit?"

Sie konzentrierte ihren Blick auf die Position des Engels. "Klar."

"Dann starten wir in 5... 4... 3... 2... 1... FEUER!"

Asuka wartete eine weitere Sekunde bis sie den ersten Einschlag hörte, dann stürzte sie sich nach vorne. Eine dicke Wand aus Staub verdeckte ihre Sicht auf den Engel, als Gefechtskopf nach Gefechtskopf auf dem Boden explodierten, und Erde, Steine und Bäume hochrissen. Sie konnte nur hoffen, dass er ebenso blind war wie sie, als sie so schnell es ging in die Staubwolke stürmte, das Messer bereit in der Hand.

Sie konnte dem leuchtenden Tentakel kaum ausweichen, als er auf sie zuschoss.

Ihre lange trainierten Instinkte nutzend, warf sie sich hin, rollte zur Seite und stand wieder auf um sich ihrem Gegner innerhalb weniger Sekunden aus einer sichereren Entfernung wieder gegenüber zu stellen. Aber alles, was sie von dem Engel sah, was der Teil, der noch immer im der sich windenden Einheit 00 steckte.

"Verdammt! Ich wusste nicht, dass er so schnell ist!", fluchte sie, verzweifelt den Boden absuchend. Aber unter der dichten Deckung des Waldes, konnte sie kaum das schwache Leuchten des schlangenähnlichen Körpers hier und da erkennen, seine Bewegungen zu wild um ihnen zu folgen.

Wie eine Säule aus Licht, schoss der Engel plötzlich direkt vor ihr nach oben, und erschreckte den Rotschopf genug, dass sie nach hinten taumelte. Sie fiel zwar nicht, aber der kurze Moment der Unaufmerksamkeit war alles, was der Engel brauchte um unaufhaltsam in ihre Richtung zu rasen. Im allerletzten Moment rettete Asuka ihren EVA davor, einen direkten Treffer zu bekommen wie Einheit 00, aber der Arm, den sie schützend vor sich hielt war mehr als genug für den Engel, als er mit voller Kraft eindrang.

Asuka schrie, eher vor Schreck als Schmerz, sich an die Stelle an ihrem Arm greifend, wo der Engel in in den ihres EVAs eindrang. Zu ihrem Entsetzen spürte sie die gleichen Venen unter ihrem Plugsuit, die die Panzerung von ihrer und Reis Einheit infizierten. Aber was ihre Angst und ihren Zorn am meisten schürte war dieses kribbelige Gefühl in ihrem Kopf; flackernd aber es wurde stärker.

"Nicht... NICHT SCHON WIEDER!", schrie sie mit all ihrem Hass als sie die Faust um das Progmesser ballte, es komplett ausfuhr und es mit all ihrer Kraft in den Engel rammte; fest entschlossen den 'Kopf' der sich in ihre Einheit gebohrt hatte vom Rest zu trennen. Aber der Engel, vor Schmerz kreischend, ließ nach einem kurzen Gerangel von der unwilligen Beute ab, das Messer noch tief in sich.

"Scheiße!", fluchte Asuka über den Verlust ihrer Waffe, trotz der Erleichterung in ihrer Schulter und der verschwindenden Präsenz in ihrem Geist.

Ein klagendes Kreischen lies jeden Taub werden, der es hörte als das Ende des Engels vor Schmerz herumflatterte. Es schien, als ob es wegen der Höllenqualen verrückt geworden wäre; sich auf den Boden werfend, gegen Bäume krachend bei dem Versuch die Klinge aus sich heraus zu bekommen, aber es entwurzelte die Bäume nur, oder schnitt sie ab.

***

Übertönt vom Schrei des Engels hörte niemand die andere die vor Schmerz schrie. Rei konnte das Messer spüren, als würde es in ihrem eigenen Fuß stecken. Sie spürte den scharfen Stahl, die schneidenden Vibrationen der Klinge, jede Bewegung im Fleisch, als der Engel versuchte, sich davon zu befreien.

'Genau wie der EVA', bemerkte sie, aber im Gegensatz zu der Kreatur die von ihren mechanischen Implantaten kontrolliert wurde gab es hier keine Sicherheitsmaßnahmen, nichts außer dem Engels selbst, um die Verbindung zwischen ihnen zu dämpfen.

"Es tut weh nicht wahr? Mach, dass es aufhört! Zieh es raus!"

Rei verzog das Gesicht bei den Worten des Engels. "Nein!"

"Bist du gewillt selbst zu leiden, nur um mich leiden zu sehen? Es ist zu spät um zurück zukehren! Es gibt nicht mehr 'dein Schmerz' oder 'mein Schmerz'! Nur 'unseren'!"

"Wenn ich leiden muss, damit du besiegt wirst, dann werde ich das!"

"Dann wirst du auch mit mir sterben müssen."

"Wenn es sein muss...", Rei zuckte zusammen, als sich das Messer in der Wunde bewegte.

"Du bist eine Närrin! Du glaubst, dass du austauschbar bist, weil du dich einsam fühlst. Aber keiner kann wirklich ersetzt werden, nicht einmal du. Du weißt das, oder? Deshalb hast du Angst", sprach das Wesen. "Aber wenn du dich noch immer danach sehnst dein Leben weg zu werfen, dann sei es so. Ich werde uns nicht aufgeben. Wenn du uns nicht helfen willst, dann muss es noch schmerzlicher sein, bis es besser wird."

Rei schrie, aber nicht einmal mit all ihrer Kraft konnte sie diese explodierenden Schmerzen ausdrücken, als der Engel sich auf den Boden warf und die Klinge noch tiefer in sich hinein drückte. Funken flogen, als es den Griff mit seinem Körper über den Boden schliff, sein eigenes Fleisch durchschneidend. Als schließlich die Klinge krachend auf der Straße landete, hatte Rei vor ihrem geistigen Auge das Bild, dass ihr Fuß bis zu den Zehen zerteil wäre.

Der 'Schwanz' des Engels sah genau so aus, in zwei geschnitten, auch wenn er schnell wieder zu einem verschmolz.

***

Asukas Triumph über ihren erfolgreichen Konter entwickelte sich langsam in Frustration. Trotz der Regeneration des Engels, war er offensichtlich schwerer verletzt, als sie es erwartet hatte und sie hatte auch geschafft ihre Waffe wieder zubekommen während sie eine Ausweichrolle machte. Aber die Schlange aus Licht wurde nun vorsichtiger bei ihren Angriffen, dem Messer mit Leichtigkeit ausweichend wenn sie sich dem roten EVA wieder und wieder aus verschiedenen Winkeln näherte, bis Asuka den Eindruck hatte, dass sie von allen Seiten gleichzeitig kamen. Sie schaffte es sie für den Moment abzuwehren, aber die Defensive war nicht ihre Stärke.

"Verdammt, halt still, damit ich dich töten kann!"

***

"Es hat keinen Sinn wenn sie zu sehr damit beschäftigt ist auszuweichen um richtig anzugreifen. Einer alleine kann das nicht schaffen", analysierte Misato die Situation ebenso frustriert. "Kommandant, wir brauchen..."

"Einverstanden", bekam sie deutlich schneller als erwartet die Erlaubnis, "Die Kryostase von Einheit 01 ist mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Einsatz so schnell wie möglich."

***

Shinji biss die Zähne zusammen, die Kräfte, die ihn nach oben schossen darauf drängend, ihre Anstrengungen zu verstärken, aber dennoch dauerte es einige quälende Sekunden, bis er endlich die Oberfläche erreichte. In dem Augenblick, in dem er sein AT-Feld aufbaute, ließ der Engel von Einheit-02 ab, wie zuvor die neue Gefahr anschauend. Aber er schien nicht annähernd so verwirrt durch dir zwei Ziele wie Shinji erwartet oder zumindest gehofft hatte. Das Licht begann seltsam zu zittern und Shinji fürchtete nicht aus Angst. Nur eine Sekunde später wurde seine Befürchtung bewahrheitet.

Der 'Schwanz' schien sich zu teilen, bis zur Hälfte des Engels. Allerdings waren beide Enden genauso dick wie das eine zuvor, eher so als würde es sich duplizieren statt sich zu zerreißen.

"Das kann es tun?"

Shinji hatte keine Zeit mehr sich über diese unbekannte Eigenschaft zu wundern. Seine Instinkte bewahrten ihn nur knapp davor wegen seiner anfänglichen Überraschung noch dem Ende auszuweichen, das auf ihn zuschoss. Der Engel krachte in das Fahrstuhlgebäude hinter seinem EVA, aber bevor sich der Staub legte startete er bereits eine neue Jagd auf Shinji.

***

Rei konnte nur geschockt zusehen, wie der Engel seine simultanen Attacken gegen die beiden anderen EVAs fortsetzte. Sie war bereits besorgt, als er auf Soryu losging, aber jetzt... auf ihn auch... Und wenn überhaupt, war der Engel nur noch entschlossener geworden zu siegen.

'"Sich mit ihnen zu vereinen"', erinnerte sie sich an die vorherigen Worte des Engels. "Ist das... mein Wunsch...? Eins mit ihnen zu werden?" fragte sie sich selbst nach der Wahrheit, die sie zuvor nicht sehen wollte.

Sie hatte sich danach gesehnt von der Einsamkeit los zu kommen, die sie während ihrer ganzen Existenz eingenommen hatte. Sie hatte sich gewünscht eine Bindung zu anderen aufzubauen, andere als Teil ihres Lebens zu haben. Aber sie wusste es sollte nicht sein. Durch das was sie war, durch ihre Bestimmung, hätte es damit geendet, dass sie sie verletzt hätte und sie im Gegenzug selbst verletzt worden wäre. Daher war sie ihnen fern geblieben, auch wenn sie versuchten ihr entgegen zu kommen. Das war das Beste... oder so machte sie es sich selbst vor.

Aber jetzt hatte sie keine Wahl. Der Engel tat es für sie mit seinen eigenen Absichten. Er würde sie drei vereinen... gegen ihren Willen... und dann...

Den Third Impact einleiten...

"Nein." Sie konnte es nicht geschehen lassen. Die Menschheit – Millionen von Menschen, die sie gar nicht kannte. Ein paar die sie kannte, wenn auch nicht gut. Aber es war ihre Aufgabe jeden einzelnen von ihnen zu beschützen. Auch wenn da bedeutete, dass...

"Es wird nicht funktionieren", unterbrach die Stimme des Engels auf einmal ihre Gedanken.

"Was?"

"Dein Plan uns zu zerstören. Ich habe es in der anderen gesehen. Deshalb habe ich den Mechanismus schon ausgeschaltet, bevor er mich überraschen konnte."

Rei war wie versteinert, als sie diese Worte verstand. Sollte alles verloren sein? Sie hatte nicht mehr die Kraft zu kämpfen. Und so wie die Dinge verliefen, war es nur eine Frage der Zeit, bis Ikari und Soryu das gleiche Schicksal erleiden würden wie sie selbst, selbst wenn sie es schaffen würden sich vorerst zurück zu ziehen. Durch den Verlust der Lanze des Longinus hatten sie nichts gegen diesen Feind in der Hand, niemand...

Nein... Es war noch ein Verbündeter übrig. Ein unwilliger, einer der ihre bloße Existenz verachtete und unter allen anderen Umständen eher die Fesseln die ihn gefangen und versklavt hielten brechen würde, als sich mit seinem Gegner zu verbünden. Aber nun da er dem Tode durch die Hand seines entfernten Verwandten gegenüber stand, konnte sie nur hoffen, dass er ihre Bitte erhören würde.

"Adams Replik. Ich öffne dir mein Herz. Bitte akzeptiere es."

Er hörte.

Er hörte und akzeptierte. Er würde ihr nicht die Kontrolle überlassen, aber das wusste sie. Er brauchte nur ihr Herz und ihre Seele für sich selbst.

Sie konnte bereits spüren, wie sie selbst verschwand, als die Stimme des Engels zum letzten Mal in ihren Geist drang und sie war voller Panik, voller Furcht vor dem unausweichlichen Untergang. "Das kannst du nicht tun! Du weißt was durch diese Verbindung geschieht! Die Lilim die du versuchst zu schützen werden so ebenfalls leiden! Genau das was du versuchst zu vermeiden wird durch dich und von dir allein ausgelöst!"

"Das würde es sein, wenn es der verbotene Bund wäre. Aber das ist nicht der wahre Körper Adams und das Herz das ich biete ist nicht das Liliths, sondern das von Rei Ayanami. Das ist meine Gabe, meine eigene Kraft die zu beschützen die mir nahe stehen. Auch wenn ich mich selbst dafür aufgeben muss..."

Und damit schloss sie ihre Augen, sie lächelte, die Wärme des Nichts umarmend. So lange, wie er sie lassen würde.

***

"Reis Sync-Rate steigt schnell an! 75 Prozent! 80! 85! 95! – Liegt außerhalb der Skala!"

Misato wirbelte aufgeschreckt herum. "Verschmilzt der Engel mit ihr?!"

"Nein, es", keuchte Maya, und sah sie panisch an. "Es ist der EVA!"

***

Die Panzerung war nicht aufgesprengt, es sah eher so aus, als würde das Innere durch unsichtbare Poren nach außen schmelzen, und eine neue Haut aus einem groben Mix aus weiß und blau kreieren. Wie im Zeitraffer schienen Haare auf den metallenen Kopf zu wachsen, und hörten erst auf, als sie die bekannte Form von Reis Haarschnitt hatten.

Dort wo einst die vorspringende einzelne Linse war, starrten nun zwei rote Menschliche Augen leer in die Welt. Ein Spalt tat sich unterhalb auf, Zähne und eine Zunge zeigend, bevor Lippen einen lächelnden Mund formten.

Die Gestalt erhob sich in einer unmenschlichen Bewegung, die Schulterpanzer am Boden lassend als würden sie durch eine halbflüssige Masse gleiten. Es ähnelte irgendwie einer grotesken Version von Rei, die die Panzerung von EVA-00 trug.

***

Misato starrte voller Schrecken auf die Schirme, die ihr die Geschehnisse draußen zeigten. "Wie ... wie kann das sein? Als Shinji ... er löste sich einfach im LCL auf, er ist nicht mit Einheit-01... verschmolzen."

Sich zwingend die Augen von dem Übelkeit erregenden Anblick abzuwenden, versuchte sie ihre Fassung wieder zu erlangen, als sie sich an die Crew wandte um Erklärungen zu erhalten. "Ist sie über 400 Prozent?"

"Ich weiß es nicht!", rief Maya zurück. Die Angst in ihrer Stimme machte deutlich, dass sie nicht vergessen hatte, wie EVA-01 seine S2-Engine bekommen hatte. "Die Werte fluktuieren! Die MAGI können es nicht verstehen!"

***

Der Körper des Engels zuckte wild hin und her wie eine feststeckende Kaulquappe bei dem offensichtlichen Versuch sich von dem "Neugeborenen" zu befreien. Der Hybrid sah nach unten, als ob es das erst Mal war, dass "Sie" auch nur bemerkte, dass etwas in "ihr" steckte. Und so wie ein neugieriges Kind griff das Wesen mit seinen gigantischen Händen nach dem interessanten Objekt.

***

"Einheit ... ich meine ... etwas wird von ... ihm aus gestrahlt!"

"AT-Feld?", fragte Misato obwohl sie wusste, dass etwas so offensichtliches Makoto nicht so nervös machen würde.

"Nein! Dimensionale Werte kehren sich um, werden negativ", antwortete Ritsuko für ihn. "Anti-AT-Feld ..."

***

Shinji hatte nicht gemerkt, dass er sich keinen Millimeter bewegt hatte, nicht mal geblinzelt hatte, während er voller Horror in Richtung des Engels starrte, als dieser plötzlich explodierte; einfach mit einem Geräusch zerplatzte, bei dem sich einem der Magen umdreht. Ein feiner orangener Regen aus LCL sprühte über die optischen Sensoren seines EVAs, und die Sicht aus dem Cockpit vernebelte bevor die Überreste des 16ten abtropften.

"Rei ..."

Als ob es sein Flüstern gehört hätte, schnellte der der Kopf des Hybrid-Wesens hoch und richtete seinen Blick auf ihn. Den Hals reckend sah es so aus, als ob es versuchte, sich an die lila Form seiner Einheit zu erinnern. Dann, mit langsamen schweren Schritten, bewegte es sich vorwärts.

***

"Ikari?" Fuyutsukis Stimme zitterte so leicht, als er den Mann ansprach, der neben ihm saß. "Haben wir versagt?"

"Nein", kam die ruhige, einfache Antwort. "Jene Macht ist nicht dazu bestimmt, von dieser Vereinigung gehalten werden."

***

Die Monstrosität ging unterdessen weiter, entweder bemerkte sie nicht oder es war ihr egal, dass ihr linker Arm länger wurde, als möglich, und die Hand mehr und mehr ein Opfer der Schwerkraft wurde, bis sie schließlich auf den Boden fiel.

***

"Was passiert da?" wunderte sich Misato bei der Szene. "Beeinflusst das Anti-AT-Feld sie auch?"

"Nein", gab Ritsuko mit wissenschaftlicher Ruhe zurück. "Sie verbraucht zu viel Energie. Die interne Stromquelle des EVA ist leer, aber der Kern weiß nicht, ob er sich auf die S2-Engine verlassen kann oder nicht, er zieht einfach immer weiter die Energie aus ihr bis da nichts mehr vorhanden ist."

"Bestätigt!" stimmte Maya zu. "Der Kern wird instabil!"

"Also warten wir, bis sich das Problem von selbst löst?"

Misato schauderte bei Shigerus harscher Definition von dem was vor wenigen Minuten noch Rei war; ein vierzehn jähriges Mädchen, das sie vielleicht nicht so gut kannte wie Shinji und Asuka, die ihr aber dennoch nahe stand, ihnen allen. Und nun, da dieses Mädchen von dem Engel verletzt worden war und sich in dieses groteske Wesen da draußen auf dem Weg zu seinem Untergang verwandelt hatte, wurde sie zu nichts weiter als einem "Problem".

Aber Ritsuko machte es mit ihren Worten nur noch schlimmer. "Ich fürchte so einfach wird es nicht. Wenn der Kern Leck schlägt, mit der gesamten Energie, die er absorbiert hat ..."

"Du meinst doch nicht ...?" Ihre Hand bewegte sie unbewusst über die Narbe an ihrer Brust, die alptraumerregenden Erinnerungen des Second Impact unaufhaltsam wieder an die Oberfläche in ihrem Kopf drängend. '"Es war kein Engel, der es ausgelöst hat",' erinnerte sie sich an Shinjis Worte. 'Hatte er das damit gemeint? Haben sie versagt ... ?'

***

'Wir ... wir haben versagt...'

Shinji hob unbewusst den Arm seines EVAs als der Gigant scheinbar nach ihm griff, ihn genau anstarrend mit dem entstellten, dennoch erschreckend fröhlichen Lächeln als das Gesicht langsam vor seinen Augen dahin schmolz.

"Rei!"

Er hatte nicht bemerkt, dass er sich vorwärts bewegte, bis er von Einheit-02s Hand auf seiner Schulter gestoppt wurde.

"Shinji! Shinji, reiß dich zusammen!" schallte Asukas Stimme von irgendwo, aber sein Verstand war nicht in der Lage den Ursprung im gewöhnlichen Komm-Fenster an der Seite auszumachen, zu sehr mit dem Wesen vor ihm beschäftigt.

Ihre Finger berührten sich beinahe, nur wenige Meter von einander getrennt. Wenn er ihre Hand erreichen könnte, sie halten, dann könnte er sie retten. Er wusste nicht wie, aber irgendwie wäre das genug. Auch wenn jegliche Logik etwas anderes sagte, auch wenn es viel ... zu spät war ...

Das Lächeln wurde zu einem Ausdruck der Überraschung, als der Hybrid auf seinen Arm sah, der oberhalb seines Ellenbogens abbrach.

Shinjis krampfende Hände zitternden an den Bedienhebeln als er, machtlos, ihr in die Augen schauen musste, Augen die ihn voller Enttäuschung und Traurigkeit ansahen. Still flehten sie nach Hilfe, die er ihr nicht geben konnte.

***

"Der Kern wird instabil! Explosion unvermeidbar!"

***

"Shinji!"

Gellendes gequältes Heulen hallte im Tal wieder als das weiße Wesen sich schüttelte und vor Schmerzen krümmte.

"Shinji!"

So sehr er es auch wollte, er konnte den Blick nicht von diesem grausamen Ringen um Leben und Tod abwenden. "Rei, nein ..."

"Verdammt, Shinji!", brüllte Asuka weiter, aber er war nicht in der Lage zu antworten. "Es gibt nichts, was wir noch für sie tun könnten! Aber wir müssen es eindämmen,,,!"

Ihre Stimme wurde übertönt, als sich der Schrei in das quälende Geräusch der Explosion verwandelte, die Flammen des berstenden Kerns umgaben den riesigen Körper innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde, verbrannte Bäume, lies das Wasser den nahegelegenen Seen verdampfen... Dann erreichten sie seinen EVA, ihm den Blick auf Asuka nehmend, die versuchte die Druckwelle mit Ihrem AT-Feld von der Stadt abzuhalten. Aber wegen der Nähe und der beschränkten Größe ihres Schildes, waren ihre Versuche nur wenig erfolgreich.

Er hatte versagt ...



****************



Misato seufzte als sie ihr Appartement betrat, körperlich und geistig erschöpft von den Nachwirkungen des... Kampfes. Große Teile von Neo Tokyo-3 waren zerstört oder überschwemmt da der Damm zwischen der Stadt und den Ashi-Seen gebrochen waren. Die Bewohner waren sicher in den Bunkern, daher gab es nicht viele zivile Opfer, aber jetzt müsste sich NERV mit den vielen Obdachlosen auseinander setzen die Antworten auf die Fragen suchten.

Shinji und Asuka waren vermutlich schon vor ihr zuhause gewesen und sie fühlte sich irgendwie schuldig, dass sie nicht die Zeit hatte für sie da zu sein. Schließlich war es ja nicht so, dass es gar keine Opfer gegeben hätte.

Besonders Shinjis Verfassung machte ihr Sorgen. Es war schon schwer genug wenn es nur anonyme Nummern oder Namen von Menschen waren von denen man nie etwas gehört hatte, aber es war umso schlimmer, wenn es jemand war, der einem nahe stand.

Also ging sie, um zuerst nach ihm zu sehen und stieß fast mit Asuka zusammen, die gerade aus seinem Zimmer kam und die Türe hinter sich schloss.

"Wie geht es ihm?", fragte Misato in dem Moment, als sie sich in die Augen sahen.

Asukas Gesichtsausdruck sagte zwar bereits alles aus, aber dennoch antwortete sie. "Es geht ihm sehr nahe. Ich denke davon war auszugehen, aber trotzdem ..." Sie schauderte, mit ihren Händen über ihre Oberarme reibend, als ob sie sich wegen einer nicht vorhandenen Frische wärmen wollte. "Ich kann es nur einfach nicht haben, ihn so sehen."

Misato lächelte schwach dabei. "Wenn ich je einen Beweis gebraucht hätte, dass ihr erwachsener geworden seid, dann hätte ich ihn jetzt. Ich bin überrascht, dass du nicht eifersüchtig wirst, wie er so um sie trauert."

"Oh, glaub mir, ich war eine ganze zeit lang eifersüchtig, auch nachdem ich von ihrer wahren Herkunft erfahren habe. Aber ich habe vor langer Zeit gemerkt, dass, auch wenn seine Gefühle für sie stark sind, sie sich von denen unterscheiden die er für mich empfindet. Sie ist in dieser Hinsicht keine Gefahr für mich."

"Ihre wahre Herkunft?"

Asuka schloss ihre Augen. "Ich denke Shinji – oder vielleicht Rei selbst – sollten dir das erklären."

"Rei?" Misatos Überraschung wuchs noch mehr.

Aber Asuka schüttelte ihren Kopf, leicht grinsend. "Shinji ist niedergeschlagen, weil er denkt, dass er versagt hätte. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich keine Chance mehr gibt."

"Aber ... denkst du wirklich, dass sie das überlebt haben könnte?"

"Oh, davon bin ich überzeugt.", erlaubte sich der Rotschopf ein schwaches Lachen, das aber schnell verschwand. "Übernimmst du bitte ein bisschen für mich? Ich bin wirklich durstig von dem ganzen reden."

Misato nickte natürlich und ging hinein nachdem Asuka von der Türe weg in Richtung Küche gegangen war

"Shinji? Ich komme rein", kündigte sie respektvoll an, bevor sie die Türe öffnete.

Sie hatte sich schon gewundert, warum er in sein altes Zimmer gegangen war, sie sah ihn mittlerweile doch praktisch in Asukas Zimmer leben, aber es wurde ihr klar, als sie eintrat. Die kleine Kammer hatte keine Fenster, die Tageslicht herein gelassen hätten, und die eine Lampe schien perfekt um die depressive Stimmung zu unterstützen, in der er sich befand.

"Hallo, Misato", begrüßte er sie ohne sie anzusehen. Er starrte einfach weiter geradeaus, schlaff auf seinem Bett sitzend.

"Hey", murmelte sie zurück. Trotz ihrer früheren Gespräche mit einer depressiven Asuka, fühlte sie sich nicht so, als ob sie geeignet für solche Gespräche war. Befehle erteilen, verhören, beschweren, ärgern, das konnte sie; auch ihre Fehler zuzugeben war vergleichsweise einfach. Aber wenn es darum ging jemanden aufzubauen, ihm Mut zuzusprechen, fehlten ihr einfach die Worte.

"Du denkst doch nicht etwa daran, die Situation auszunutzen, oder?"

Misato wurde normalerweise nicht so schnell verlegen. Aber sie war auch selten diejenige, die von den anderen geärgert wurde. Ob es die Andeutung war oder das halbherzige Grinsen, das er ihr zuwarf, sie spürte, wie ihr Gesicht wärmer wurde, aber sie fing sich schnell wieder. "Kommt drauf an. Zählt eine Umarmung?"

Bevor er antworten konnte hatte sie schon ein paar Schritte zu seinem Bett gemacht, sich neben den Jungen gesetzt,ihre Arme um seine Schultern gelegt und ihn an sich gezogen.

"Um ehrlich zu sein, auch nach all meinen Überlegungen heute, war das so ziemlich alles, das mir einfiel, was ich für dich tun kann, damit du dich besser fühlst", gab sie zu. Bevor sich ein verspieltes Lächeln auf ihren Lippen breit machte. "Bis zu deinem Angebot eben ..."

Damit hatte sie wieder den Ball im Spiel. "Mi-Misato!"

Aber es war nur eine Sekunde Stille und der Moment des Spaßes und des Lächelns wurde wieder überschattet von den Erinnerungen der Stunden zuvor.

"Also ... wie fühlst du dich?", versuchte sie vorsichtig.

"Ich weiß nicht. Ich habe sie schon vorher sterben sehen. Und das erste Mal war vernichtend. Damals hatte ich Asuka nicht, die mir geholfen hat und du ... naja, ich wollte niemanden in meiner Nähe haben. So gesehen geht es mir jetzt etwas besser. Auch weil ich jetzt mehr weiß. Aber ..." Er schluckte einen plötzlichen Schluchzer herunter, die Augen zusammen pressend vor Zorn und Schmerz. "Aber es tut immer noch weh! Ich hatte mir geschworen, dass das nicht nochmal passieren würde, dass ich sie beschützen würde. Stattdessen ... stattdessen starb sie erst recht umsonst! Ich weiß nicht wie ich ihr jemals wieder unter die Augen treten kann."

"Unter die Augen treten? Shinji ...?" Misato hob die Augenbraue. Täuschte er sich ebenso selbst wie Asuka? Vielleicht waren beim letzten die Dinge nicht so definitiv.

"Ich weiß du verstehst es nicht Misato, aber sie ist noch immer am leben."

"Oh ... oh Shinji. Ich weiß, solange wir an sie denken, wird sie nicht aufhören zu existieren. Aber umso mehr solltest du nicht ..." Sie wurde von etwas unterbrochen, was sie niemals in dieser Situation erwartet hätte: Ein leises Lachen entwich Shinjis Kehle.

"Du verstehst es nicht, Misato. Rei Ayanami ist noch am Leben. Und wird vermutlich weniger Kratzer haben, als ich oder Asuka." Doch so schnell wie das selbstgefällige Grinsen auf seinem Gesicht erschienen war, so schnell war es auch wieder verschwunden. "Aber ich habe es trotzdem nicht geschafft sie zu beschützen."

"Wa-was meinst du? Wie sollte sie das überlebt haben? Wenn es so ist, warum ist es dann so schlimm, dass du versagt hast? Ist sie so schlimm verletzt oder ..."

"Nein. Wie ich schon sagt, sie wird vollkommen unverletzt sein."

Misato konnte ihm immer noch nicht folgen. "Aber dann ...?"

"Es wird nicht sie sein", murmelte Shinji. "Nicht die Rei die wir kannten."

"Also ist es mental? Amnesie?"

"Nein. Nein ..." Er seufzte frustriert. "Sie ist ... ein Klon ..."

Misatos Augen weiteten sich geschockt. Sie hatte eine Menge erwartet, aber das? "Ein ... Klon ...?"

"Verstehst du es jetzt? Rei Ayanami ist am Leben. Eine neue Rei Ayanami. Die eine jedenfalls, die wir kannten, die die wir ... sie ... sie ist gestorben. Sie ist gestorben, weil ich sie nicht beschützen konnte."

Misatos Gedanken rasten noch. Das Bild vor ihrem geistigen Auge von einem Dutzend Reis auf einem Fließband, alle mit der gleichen "Grundausstattung", jede bereit die vorherige bei einem "Defekt" zu ersetzen; das lies ihr Schauer über den Rücken laufen. Wie viel hielt NERV vor ihr geheim? Sie hatte gedacht, dass sie die Gewissheit nicht brauchen würde, dass er noch immer am Leben war und nach der Wahrheit suchte, aber vielleicht sollte sie doch mal einen genaueren Blick auf Kajis Abschiedsgeschenk werfen.

Aber eins nach dem anderen. "Shinji, du ... du hast dein bestes getan ...", versuchte sie ihn zu trösten, wurde aber von der sich öffnenden Tür unterbrochen.

"Erzähl ihm sowas nicht oder er fängt an zu glauben, dass es wirklich schon alles gelaufen ist", rügte sAsuka sie gereizt.

Misato wollte gerade den Rotschopf für ein solch hartes Verhalten anfahren, das scheinbar dem Mitleid, das sie vor wenigen Minuten noch in ihr gesehen hatte, widersprach. Aber Shinji protestierte schneller. "Aber Asuka ..."

"Kein aber! Du selbst hast mir erzählt, dass du Rei eher selten danach gesehen hast, weil du zu viel Angst vor ihr hattest! Du hast absolut keine Ahnung wie sie ist und wieviel von der alten Rei noch übrig ist! Du nimmst nur an, dass sie gestorben ist."

Angesichts dieser Logik, fühlte sich Misato fast schlecht wegen ihrer vorherigen Gedanken. Sie hatte wieder vergessen, dass sie es nicht mit einem armen, ängstlichen Kind sprach, das mütterliches Mitgefühl und Schutz vor der harten Realität brauchte oder einem kleinen Schreihals, der eifersüchtig war auf die Aufmerksamkeit die ein anderer bekam mit seinem zurückhaltendem Verhalten, sondern mit zwei Erwachsenen; einer Ehefrau, die nicht sehen will, wie sich ihr Mann zerstört indem er in Selbstmitleid versinkt.

Aber bevor sie darauf reagieren konnte, unterbrach sie das Klingeln des Telefons.

"Komm schon, Baka!" forderte Asuka, Shinji am T-Shirt vom Bett ziehend. "Ich schätze das ist unser Signal."



****************



Rei wachte hustend auf, einen leichten Kupfergeschmack des LCLs noch immer auf der Zunge liegend. Ihre Muskeln fühlten sich schwach an, sogar das öffnen ihrer Augen schien eine sehr anstrengende Aufgabe zu sein. Als sie es schließlich schaffte, bemerkte sie, dass sie nur aus ihrem linken Auge etwas sehen konnte, auch wenn sie im rechten keinen Schmerz fühlte, das scheinbar mit einer Bandage verdeckt war. Ihr rechter Arm schien auch verbunden zu sein, schon in einer Schlinge um ihren Hals.

Sie merkte, dass sie in der Krankenstation war, schon bevor sie sich umsah. Jeder sonst wäre zu dieser Schlussfolgerung gelangt aufgrund der offensichtlichen Verletzungen, dem Fehlen der Schmerzen wegen der Medikamente. Aber Rei wusste es besser.

Sie wusste nicht was passiert war. Und sie wusste sie würde sich nie wieder erinnern. Weil sie wusste, dass sie nie diese Erlebnisse durchgemacht hatte. Weil es nicht ihr passiert war.

Sie musste jetzt schon die dritte sein. Aber ...

"Ich bin noch immer am Leben ...", flüsterte sie vor sich selbst, die heiseren Worte in ihrem Hals brennend.

Natürlich war sie noch am Leben. Er würde sie nie gehen lasen, bevor sie nicht ihre Aufgabe in seinem Szenario erfüllt hätte. Aber wenn das so war, warum hatte er sie dann überhaupt sterben lassen? Sie hatte immer gewusst, dass sie austauschbar war. Obwohl sie nie gedacht hätte, dass es auf so merkwürdige Weise in ihrem Herzen schmerzen würde. Er hatte sie damals beschützt, als die Aktivierungstests von Einheit-00 fehl schlugen. Warum nicht dieses Mal? Warum hatte er zugelassen, dass sie ersetzt wurde?

Sie spürte plötzlich das dringende Bedürfnis aufzustehen, um vor diesem Gedankengang zu fliehen. Ihr Körper schmerzte, als sie sich zwang sich im Bett aufzusetzen und zur Kante zu drehen, ihre Beine ausstreckend bevor sie herunter glitt.

Der Boden fühlte sich kalt an unter ihren unbekleideten Füßen. Vorsichtig erhob sie sich, einen Moment nach ihrem Gleichgewicht suchend, bevor sie den ersten Schritt tat, dann den nächsten, sich langsam der Tür nähernd. Ihre Hand griff nach dem Knauf, das Metall mit der Handfläche und den Fingern umschließend, drehte ihn um dir Türe zu öffnen.

Als sie heraus trat, verengten sich ihre Augen bei dem einfallenden Licht, das von den Fenstern an der gegenüber liegenden Wand des Flurs kam. Aber sie schützte sie nicht indem sie ihren Kopf von der Helligkeit weg drehte. Sie verspürte eher eine Art Neugierde, sogar ein Bedürfnis, nach vorne zu gehen und sich umzusehen – draußen.

Etwas in ihrem Kopf sagte ihr, dass es nicht die wirkliche Außenwelt war, sondern eine von Menschen erschaffene Nachbildung innerhalb der Geofront. Und doch, die Berge, Bäume zu sehen ... zum ersten Mal ...

"Hey, First!"

Der Ruf lenkte ihre Aufmerksamkeit ab, richtete sie jetzt auf ein rothaariges Mädchen und einen braunhaarigen Jungen. Sie waren ihre Klassenkameraden, ihre Kameraden ... Da war auch noch etwas anders, besonders in Bezug auf den Jungen, was sie nicht richtig einordnen konnte.

Der Junge, Shinji, schaute ihr nicht in die Augen; wenn überhaupt sah er sie nur ganz kurz an. Es schien, als wäre es ihm unangenehm hier zu sein, sie zu treffen; anders als sein gewöhnliches Unbehagen mit dem anderen Geschlecht. Könnte er es wissen? Hatte er das Ende ihres zweiten Lebens gesehen? Das würde seine Ungewissheit über ihr Überleben erklären.

Wenn seine Begleitung nicht da gewesen wäre, dann hätte er sich wahrscheinlich umgedreht und wäre gegangen, aber das Mädchen, Asuka, schupste ihn nach vorne und formte ein "mach schon" mit den Lippen.

"Ikari", grüßte sie mit einem Nicken in Richtung des Jungen, dann zu dem Mädchen. "Soryu."

Shinji zuckte bei ihren Worten zusammen, obwohl sie nicht sicher war, warum. War da etwas Ungewöhnliches an ihrer Begrüßung? Sein Mund öffnete und schloss sich, aber sie konnte seine Worte nicht verstehen.

Asuka schaute erwartungsvoll in seine Richtung, aber als nichts kam, schritt sie schließlich ein. "Hey, First. Misato hat uns gesagt nach dir zu sehen, hier sind wir."

Es schien ungewöhnlich für Major Katsuragi nicht einfach die medizinischen Berichte anzusehen, aber Rei nickte trotzdem bestätigend.

"Ich bin noch immer eher schwach", berichtete sie über ihren Zustand, die Belastung für ihren Körper fühlend, je länger sie aus dem Bett war. "Ich würde mich gerne hinsetzen."

Schon während sie diese Ankündigung aussprach, ging sie bereits zu den nahegelegensten Wartestühlen die an der Wand des Korridors im Krankenhaus standen. Ikari und Soryu sahen ihr zu, wie sich auf einen Stuhl in der Mitte einer leeren Reihe setzte, aber sie machten keine Anstalten ihrem Beispiel zu folgen.

Rei merkte, dass Asuka etwas zu erwarten schien. Sie schaute weiterhin zwischen ihren Copiloten hin und her, ihr Ausdruck wurde immer ungeduldiger und sie begann schließlich mit ihrem Fuß zu wippen. Shinji verstand es nicht, oder er ignorierte sie, bis sie ihn kraftvoll mit ihrem Ellenbogen schupste und eine ausladende Geste in Richtung des vermeintlich verletzten Mädchens.

"Ähm ... wie ... wie geht es dir, Ayanami?", stammelte er schließlich.

Offenbar war das nicht das, was seine rothaarige Begleiterin von ihm erwartet hatte zu fragen. "'Wie geht’s dir?' Was denkst du, wie es ihr geht?!", zischte sie ihn an.

"Aber ... schau sie nur an. Sie ist nicht ..."

"Sie ist nicht was?! Um ehrlich zu sein, sehe ich keinen großen Unterschied, besonders nicht angesichts ihrer Verfassung!"

Sie unterhielten sich leise. Offensichtlich wollten sie, dass sie nicht zuhörte, aber Rei verstand jedes Wort, auch wenn sie die Bedeutung nicht wirklich komplett verstand.

"Aber du kennst sie nicht so gut wie ich."

Asuka seufzte verärgert. "Fein! Vielleicht ist etwas Abstand genau das was man hier braucht. Wenn du nicht willst, dann mache ich das eben!"

"Asuka!"

Aber seine Versuche sie zurück zu halten waren zu spät, sie hatte sich schon von ihm abgewendet und schloss die Lücke zwischen ihr und Rei. Als sie ihre sitzende Teamkameradin erreichte, kniete sich Asuka hin, damit sie den Blick des rot-äugigen Mädchen treffen konnte.

"Was ist das letzte, woran du dich erinnerst, Rei?", fragte sie, in einem Tonfall, den Ayanami noch nie von ihrer sonst so barschen Copilotin gehört hatte. "Bevor du aufgewacht bist?"

Die Erinnerung an eine dunkle Kammer kam in ihr in den Sinn, so, wie aus ihrem Blickwinkel hinter dem LCL gefüllten Glas. "Ich bin ...", sie unterbrach den Augenkontakt für einen kurzen Augenblick, "nicht berechtigt euch das zu sagen."

Asuka nickte, gab aber nicht auf. "Das ist in Ordnung. Aber kannst du mir sagen, wann das war?"

Sie beantwortete die Frage ehrlich, obwohl Rei sich durch das unnatürliche Verhalten des Second Children etwas unbehaglich fühlte. Nicht nur die Stimme des Rotschopfes schien viel weicher als sonst, ihre ganze Körpersprache hatte sich geändert; sie versuchte nicht länger alle abzublocken, sondern suchte eher offen, auf eine nicht-feindliche Art und Weise drängend. Und jetzt war Rei im Fokus dieser Aufmerksamkeit, viel mehr, als sie gewohnt war, viel persönlicher. Es entnervte sie gewiss. Und doch ... sie fühlte sich irgendwie... umsorgt.

"Also kannst du dich tatsächlich an alles bis gestern Nachmittag erinnern? Du erinnerst dich an mich und Shinji?"

Sie nickte bejahend, aber war sich noch immer nicht sicher, was Soryu im Schilde führte.

"Du erinnerst dich an all die Dinge, die wir gemeinsam erlebt haben? Unsere Kämpfe gegen die Engel? Oder als wir mit Misato zu dem Ramen-Stand gegangen sind? Oder unser Wanderausflug? Wie ist es damit, als Shinji dich aus deinem Plug gerettet hat und dich bat zu lächeln? Oder die Zeit als wir gemeinsam auf seine Rückkehr aus Einheit-01 gewartet haben?"

All diese Fragen irritierten sie, aber jede rief Bilder in ihre Erinnerung zurück. "J-ja."

"Dann sag mir, erinnerst du dich wie du dich dabei gefühlt hast?

"Wie ich ... mich gefühlt habe ...?" Sie brach den Blickkontakt geschockt ab, als es wieder kam.

Ja. Ja, sie konnte sich erinnern. Diese anderen Gefühle neben der Einsamkeit. Das warme Gefühl, wenn sich jemand um sie kümmerte, wenn jemand mit ihr zusammen sein wollte. Die Kameradschaft ... Freundschaft ...

Am Anfang, fast von alleine, fing ihre freie linke Hand an sich zu bewegen. Aber als sie zurück in das Gesicht ihrer Mitpilotin sah, schmückte ein kleines Lächeln ihre Lippen.

"Es wäre ... praktisch", wiederholte sie eine alte Erinnerung, der ausgestreckte Arm leicht zitternd.

"Ja", antwortete Asuka mit einem kleinen Grinsen ihrerseits, als sie die angebotene Hand in ihre nahm. "Ja, das wäre es."



*********



"Asuka?"

"Jaaa?"

Er konnte nicht anders, als zu lächeln bei dem erwarteten Tonfall in der Stimme seiner Liebsten, zufrieden darauf wartend was gleich noch kommen würde.

"Danke."

Ihr Kopf drehte sich nur leicht, aber es war genug, dass er das Grinsen auf ihrem Gesicht ausmachen konnte, bevor sie wieder nach vorne sah. "Was? Kein, 'Du hattest recht, oh große Asuka, weiseste und selbstverständlich schönste Göttin aller Götter ...'"

Shinji unterbrach sie, indem er drei schnelle Schritte machte um sie einzuholen, sich nahe an ihr Ohr lehnend. "Warten wir damit, bis wir zu Hause sind, okay?"

Sie antwortete darauf nicht, aber er sah wie das verspielte Grinsen in ihrem Gesicht sich verbreiterte, bevor sie sich einmal mehr ein Stück absetzte.

Doch, so froh er auch war, dass er sich in Bezug auf Rei geirrt hatte, ging ihm die Art und Weise, wie Asuka ihm das gezeigt hatte, nicht aus dem Kopf. "Weißt du ... so wie du mit ihr gesprochen hast ... das war wie mit ..." Er stoppte sich selbst, eine Sekunde zögernd den Satz zu beenden, "... einem Kind."

Asuka wusste genau, was er wirklich sagen wollte, aber sie ließ es sich nicht anmerken – zumindest äußerlich. "Naja, ich dachte, in gewisser Weise ist sie noch ein Kind", sprach sie leise. "War das falsch?"

Er schüttelte seinen Kopf. "Nein. Ich denke es ist egal, wie alt du bist, es ist immer gut jemanden zu haben, der dir zeigt, dass er versucht dir zu helfen und dich zu führen. Es hat mich nur ..." Er schloss seine Augen, versuchend die letzten Worte heraus zu bekommen. Aber sie waren nur ein leises Flüstern. "... erinnertet..."

"Ja ... Mich auch ...", antwortete Asuka und auch wenn er ihr Gesicht nicht sehen konnte, ihre schrecklich zitterige Stimme sagte ihm genug. "Und weißt du was?" Um so mehr überraschte es ihn, als sie sich umdrehte und, trotz der glänzenden Feuchtigkeit in ihren Augen, ein Lächeln auf den Lippen hatte. "Auch wenn es nur für den Moment war – es war schön, wieder eine Mutter zu sein."



****************



Diese Augen sahen es zum ersten Mal, diese Nase roch es zum ersten Mal, ihre Ohren hörten die Geräusche der Nachbarschaft zum ersten Mal ...und doch war es auch der Ort, an dem sie die letzten Monate gelebt hatte. Körperlich fühlte es sich nicht anders an, so als ob sie gerade nach Hause gekommen wäre, so wie jeden Tag. Und doch war es sehr verstörend.

Als ihr erstes Ich gestorben war, war die Zweite zu jung um wirklich zu verstehen, dass sie nicht genau die gleiche war, die gerade aus einem tiefen Schlaf aufgewacht war. Sie konnte nicht verstehen, dass sie ein anderes Wesen war, mit den eingepflanzten Erinnerungen, die sie von der ersten gerettet hatten.

Dank Ikari und Soryu erinnerte sie sich auch an die Gefühle der vorherigen Rei. Aber waren es wirklich auch die ihren? Sie fühlten sich richtig an, aber war es auch sie, die sie gemacht hatte? Ihre Seele war die gleiche, aber war es sie die sie geformt hatte und von denen, mit denen sie zu tun hatte, formen lassen?

Sie hatte sich mit ihnen angefreundet, aber hatte sie überhaupt das Recht dazu, wenn die beiden eigentlich nicht sie, sondern nur ihre Vorgängerin kannten? War sie nicht nur eine gestohlene Seele in einem gestohlenen Körper mit gestohlenen Erinnerungen und Emotionen? Die Zwei schienen es zu wissen, aber es war ihnen egal. Verstanden sie es nicht? Leugneten sie die Tatsache? Oder konnte es sein, dass sie nach all dem doch die gleiche Rei Ayanami war, die sie kannten? War sie vielleicht doch kein Ersatz sondern wirklich sie selbst?

Wenn sie die Seele ihres früheren Ichs hatte, die Erinnerungen ihres früheren Ichs, die Empfindungen ihres früheren Ichs, konnte sie die gleiche sein?

Rei war verwirrt.

Und sie hasste dieses Gefühl.




****************



'"Wir wollen sie nicht länger demütigen." Wie großzügig von diesen alten Säcken', wütete Ritsuko geistig, ihr Top wieder schließend. 'Als ob ich etwas in einen Hologramm-Raum hätte bringen können das ihnen gefährlich wird.'

Aber es war schwer ihren Hass auf den Haufen Perverser zu konzentrieren. Alles wozu es diente war ein wenig Ablenkung von den anderen Worten, die während der gesamten Befragung an ihr nagten, mehr als sie es wollte.

Er hatte sie geschickt um gedemütigt zu werden anstelle von Rei.

Sie war nicht wirklich überrascht, dass er ihr nichts von diesem kleinen Detail erzählt hatte, als er ihr den Befehl gab. Sie war noch weniger erstaunt, dass er seine so wichtige Rei beschützen wollte. Aber das half nicht, das bittere Gefühl des Betruges zu schwächen.

Vielleicht war es kein großer Vorfall in einer langen Reihe von Enttäuschungen, aber es war der berühmte letzte Tropfen, genug damit sie endlich die Augen für etwas öffnete, wovor sie sie sonst verschloss: Er würde sie nie seiner so wichtigen Rei vorziehen.

Sie war noch immer eine Närrin wie in jungen Jahren, als sie sich in seine falsche Zuneigung gestürzt hatte, die er ihr nach dem Tod ihrer Mutter gegeben hatte. Die Närrin, die einst ihre Haare blond gefärbt hatte um ein Kompliment als Frau zu bekommen und nicht als Tochter ihrer Mutter. Die Närrin die die Farbe behielt, um sich gegen besseres Wissen von ihrer "närrischen Mutter" abzuheben. Die Närrin die dachte sie könnte ihn sie vergessen lassen trotz der Anwesenheit der wertvollen, wertvollen Rei.

Ritsuko ballte ihre Hände vor Wut. Sie war nicht so dumm nicht zu merken, dass das genau die Reaktion war, die diese alten Bastarde wollten, aber sie war mehr als glücklich ihnen diese Genugtuung zu verschaffen.

Sie mochte eine Närrin sein. Aber er war der größere Narr, wenn er dachte, dass sie es ihn nie wissen lassen würde.


******
***


"Ja, Dr. Akagi, ich verstehe."

Als er das Telefon auflegte, setzte sich Asuka vom Boden auf, auf dem sie es sich für eine Weile bequem gemacht hatten, bevor das Telefon sie unterbrach. "Also ist es an der Zeit?"

Shinji nickte mit einem Seufzer. "Ich werde mich fertig machen und dann gehe ich", sagte er ruhig. "Du bist sicher, dass du nicht mitkommen möchtest?"

Sie schüttelte ihren Kopf mit einem freundlichen Lächeln. "Nein, es sei denn du willst es", antwortete sie. "Das ist etwas, das ich nicht sehen muss – oder vielleicht gar nicht sehen sollte."

"In Ordnung", nickte Shinji. "Ich hoffe nur, dass Misato rechtzeitig da sein wird. Sie war nicht sehr glücklich, als wir ihr den Plan erklärt haben."

"Das ist auch wenig überraschend, oder? Immerhin, sie war ihre beste Freundin ..."



****************



Ritsuko lachte in sich hinein. Es lief nicht ganz so gut, wie sie es sich erhofft hatte, nicht mit Misato, die dazustieß als sie sich gerade mit Ikaris Sohn traf. Der für gewöhnlich so sensible Junge hatte den Anblick von Reis "Kinderzimmer" und der Müllkippe besser vertragen, als sie erwartet hätte; selbst die Erwähnung des Todes seiner Oh-so-geliebten Mutterhatte ihn relativ unberührt gelassen, sie nur passiv anstarrend. Aber das machte nichts. All das war nur ein Vorspiel auf das Kommende..

Es war vielleicht nicht gerecht den Hass, den sie auf seine Eltern hatte, auf Shinji zu übertragen. Aber was soll's? Sie war eh nicht der Typ für Mitleid. Er war nur ein Werkzeug, jeder betrachtete ihn als das. Also warum sollte sie zögern, ihn als Werkzeug für ihre Rache zu verwenden? Bedingt durch den Schock den diese Ereignisse auf ihn haben würden, würden seine Pilotenfähigkeiten sicher nachlassen. Und da er schon einen aktiven EVA verloren hatte, würde es den Kommandant definitiv treffen, noch einen zu verlieren.

Und wenn Shinji sich wegen dieser Enthüllung von ihr abwenden würde ... naja, Ritsuko wäre es sicher egal sie leiden zu sehen, so wie sie es wegen ihr musste.

"Du hast gesagt das ist der Kern des Dummy Plug?"

Ritsuko grinste wieder. Misato musste immer alles hinterfragen, was ihr erzählt wurde, oder? Zugegeben, so beeindruckend, wie die Kammer war mit der riesigen Gehirn-ähnlichen Konstruktion an der Decke, schien es eher leer durch die Dunkelheit und nur der einen sichtbaren Röhre in der Mitte. Aber das würde sich nun ändern.

Ihre Hand schloss sich um die Fernbedienung. "Ich werde euch die Wahrheit zeigen."

Die Lichter gingen durch einen einzigen Druck auf den vorbereiteten Knopf an, und bleuchteten die umgebenden LCL Tanks. Und ihren Inhalt, ihr gedankenlos Kichern den Raum füllend als sie aufgeweckt wurden.

"Rei?" Da war das Keuchen, auf das sie gewartet hatte, aber nicht von der Person, von der sie es erwartet hatte. Hinter sich schauend sah sie, dass ihre Sorgen unbegründet waren. Offensichtlich war Shinji so sehr geschockt, dass er still stand, Fäuste geballt, Augen auf den Boden gerichtet, auf keine der beiden Seiten schauend. Misato war diejenige, die ungläubig beim Anblick der Klone starrte. "Das Dummy Plug System ist ...?"

"Ja, diese werden zu den Kernen des Dummy Systems", erklärte Ritsuko befriedigt. "Und das ist die Fabrik, wo sie hergestellt werden."

"Das sind ...?"

"Das sind Dummies. Nichts als Ersatzteile für Rei", unterbrach ihre College-Freundin sie. Die Wiederholungen gingen ihr auf die Nerven. Sie musste das endlich hinter sich bringen. "Die Menschen fanden einen Gott und versuchten ihn zu erlangen. Das war vor 15 Jahren. Der Gott den sie fanden verschwand. Trotzdem versuchten die Menschen Gott mit ihren eigenen Händen wieder auferstehen zu lassen und erschufen Adam. Aus Adam erschufen sie das, was Gott ähnelte. Das ist EVA."

"Menschlich? Es ist ein Mensch?"

"Ja, es ist ein Mensch. EVA, ursprünglich ohne Seele geschaffen, hat nun die eines Menschen. Alle wurden geborgen." Ritsuko lächelte. Es tat gut diese Geheimnisse endlich Preis zu geben, um diese Last von den Schultern zu bekommen. Aber es war immer noch nicht genug um frei zu sein. Nicht solange sie hier war, so viele von ihr. "Jedoch, das Gefäß, das wahrhaftig eine Seele beinhaltet ist Rei. Nur sie hat eine Seele. Keines dieser anderen Gefäße hat eine. Da war nichts im Raum von Gauf.

"Diese", sie starrte auf die lachenden Formen um sie herum, ihr Zorn wachsend, "sind nichts anderes als leere Container. Sie haben keine Seele. Nichts als Gefäße. Also werde ich-"

"MISATO!"

Ritsuko schreckte zusammen, überrascht von dem plötzlichen Schrei des Jungen der bis eben still geblieben war. Es dauerte nur einen Sekundenbruchteil bis sie wieder bei Sinnen war, aber in der Zeit hatte Misato die Lücke zwischen ihnen beiden geschlossen, nach der Fernbedienung greifend die sie noch in der Hand hatte.

"NEIN!" Instinktiv verstärkte sie ihren Griff.

"Lass los" forderte Misato kühl, die Waffe, die sie nie weggesteckt hatte seit sie sie am Eingang gestellt hatte, jetzt gegen den Rücken der Blonden drückend.

Ritsuko hatte keine Angst mehr vor dem Tod. Aber sie musste dies um jeden Preis vorher machen. Dann würde sie gerne gehen. So hielt sie mit all ihrer Kraft fest, versuchend den Knopf mit dem Daumen zu drücken. Aber der gut ausgebildete Major zog entgegen all ihren Bemühungen die Fernbedienung weiter und weiter aus ihrer Hand.

Nein, sie konnte noch nicht verlieren. Später wäre es egal, aber nicht jetzt!

Einzig von der reinen Entschlossenheit getrieben griff sie nach dem Handgelenk ihrer langjährigen Freundin mit ihrer freien Hand, jeden Rest Kraft nutzend, den sie aufbringen konnte um die Bedienung nicht aus ihrer Hand gleiten zu lassen.

Ein spitzer Schmerz an ihrer Wange, stark genug um sie nach hinten taumeln zu lassen, beendete das Gerangel, als Misato sie mit einem Rückhandschlag ihrer Waffenhand traf. Jedoch führte es dazu, dass beide das Gerät losließen und es durch die Luft flog. Ihre brennende Wange haltend, konnte Ritsuko nichts anderes tun, als seiner Flugbahn mit den Augen zu folgen bevor es auf dem Boden landete, ein gutes Stück über den glatten Boden rutschend bis es genau vor zwei Füßen zum Liegen kam. Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung und ihre waren nicht die einzigen im Raum die das taten.

Langsam beugte sich Rei nach unten und nahm die Fernbedienung.

Ein erleichterter Seufzer entfuhr Misato. "Gut gemacht", lobte sie. "Jetzt gib mir das Ding, okay?"

Jedoch starrte das Mädchen sie nur an, dann wieder zu dem Gerät.

Ritsuko sah das als ihre letzte Chance. "Gib mir die Fernbedienung, Rei!", befahl sie, hoffend, dass das Mädchen bei der Verwirrung nicht entscheiden könnte ihrem oder Misatos Befehl zu folgen.

Aber alles, was sie bekam, war ein kalter Blick von dem Albino. "Ich fürchte ich kann das nicht tun", erklärte sie, als sie naher an den Tank heran trat, Auge in Auge mit einem ihrer Klone. Es war so, als ob sie in einen verzerrten Spiegel sehen würde; auf der einen Seite gekleidet in ihre Schuluniform scheinbar emotionslos nach vorne starrend; auf der anderen eine nackte, treibende Form, sorglos wie ein Neugeborenes. Langsam hob Rei das Gerät. "Das ist etwas, dass ich selbst übernehmen muss."

Das siegessichere Grinsen, das Misato bis eben noch hatte, verschwand sofort. "Rei!? Du ... willst wie sie eine Massenmörderin werden?"

"Sie missverstehen das, Major. Diese sind keine menschlichen Wesen. Ihr offizieller Zweck ist als Kern für das Dummy Plug System zu dienen, aber auch das ist nur sekundär. Wie Dr. Akagi erklärte sind sie bloß Gefäße, die meine Seele beinhalten können. Das ist der einzige Grund, für den sie erschaffen wurden, genau wie der Körper, den ich jetzt besitze und jene davor."

Mit ihrer freien Hand berührte sie das Glas, das sie von ihren Kopien trennte, als sie fortfuhr. "Ohne eine Seele können sie sich ihrer Gefühle nicht bewusst werden. Sie spüren das warme LCL um sie herum, das Glas das sie hält; sie können uns sehen, die Welt außerhalb ihrer. Aber ... sie ist ihnen egal. Alles was sie tun ist existieren, selig unwissend von Allem. Sie können den Unterschied zwischen Schmerz und Freude nicht verstehen. Sie kennen nicht die gewaltige Vielfalt menschlicher Gefühle. Sie empfinden keine Hoffnung oder Angst für die Zukunft.

Sie richtete ihren Blick zu Boden und ihre Stimme folgte. "Ich habe mich immer gefragt, ob ich sie bemitleiden oder beneiden soll."

Ein leichter Druck ihres Daumens. Dass war alles was es brauchte um den tödlichen Mechanismus in Gang zu setzen, der den Körpern für immer die Form nahm, das orangene LCL färbte sich rötlich als es sich mit Blut und auflösendem Fleisch vermischte.

"Rei ...", fragte Shinji ungläubig, sichtbar mit dem erschreckenden Anblick kämpfend. "Was hast du getan?"

"Ich habe ... sie befreit ..."

Fast von jedem unbemerkt fiel eine einzelne Träne auf den Boden.



****************



Der Kommandant hatte sofort verlangt, dass Ritsuko und Rei zu ihm gebracht wurden. Sie und wahrscheinlich Shinji würden auch zu einem späteren Zeitpunkt ihre Rolle in dieser Sache erklären müssen, aber für den Moment verlangte er nur nach den zwei Hauptverdächtigen, was Misato die Zeit gab, ihren sichtlich verstörten Schützling nach Hause zu fahren.

Nicht, dass sie nicht selbst verstört gewesen wäre. Sie hatten ihr davon erzählt, aber all diese identischen Kopien von Rei zu sehen, war so ein Schock, dass sie fast ihren Plan vergessen hätte. Vielleicht weil sie nicht glauben wollte, dass Ritsuko bereit war, so weit zu gehen. Sie hatte immer vermutet, dass der Doktor mehr vor ihr geheim hielt, als ihr als Major, als Operations-Leiterin und am meisten, als Freundin lieb war. Und dann war da noch, natürlich, was danach passiert war. Als ob sie nicht schon genug grausame Bilder in ihrem Kopf hatte, um sie in ihren Träumen zu quälen.

Daran zu denken, dass Shinji das zwei Mal gesehen hatte ...

"Es tut mir Leid. Ich hätte Rei vermutlich aufhalten können, aber ... Ich denke sie hat mich zu sehr überrascht."

"Es ... es ist in Ordnung", murmelte Shinji, zum ersten Mal, seit sie das Terminal Dogma verlassen hatten. "Es war ihre Entscheidung."

"Ist das okay für dich?"

"Sicher war es ... verstörend zu sehen, wie 'sie' sich auflöste. Aber vielleicht ... vielleicht verstehe ich es wirklich nicht ganz. Wenn auch sie selbst schon ihre Klone nicht als menschliche Wesen ansieht, dann habe ich vielleicht versucht mich in etwas einzumischen wozu ich kein Recht hatte – weil ich es nicht verstehen konnte. Ich habe so eine Möglichkeit nicht mal in Betracht gezogen. Dass sie sie – sich selbst befreien wollte ... Ich dachte ich würde es für sie tun. Aber ich denke ich wollte es für mich machen."

"Du hast getan, was du für das Richtige hieltest."

"Schon. Aber was für den einen richtig ist, ist nicht unbedingt für jeden sonst richtig." Er grinste leicht, als ob er sich an etwas erinnerte. "Immerhin ... es gibt so viele Wahrheiten, wie es Menschen gibt."

Dann wurde er still, nur aus dem Fenster starrend. Aber genau in dem Moment, als Misato dachte, dass er auf eine Reaktion von ihr wartete, sprach er erneut. "Es lässt mich nur fragen ... was ist, wenn ich auch in anderen Dingen nicht so richtig liege, wie ich dachte?"


*********


Gendo Ikari hatte keinen Grund zu grinsen. Die Zerstörung des Dummy Systems war mehr, als nur ein kleiner Rückschritt. Verrat auf einer solchen Ebene, so kurz vor dem Ende, das war etwas, das er sich jetzt nicht leisten konnte.

"Warum haben sie das getan?"

Er wusste Akagi würde die Frage nicht beantworten, zumindest nicht jetzt, aber das herausfordernde Grinsen, als sie da stand, auf der anderen Seite des Büros, sagte ihm genug. Sie wollte ihn verletzten und das hatte sie geschafft. Er hatte erwartet gehasst zu werden, betrogen zu werden, aber dass er es erahnen konnte, machte das bittere Gefühl in ihm kein Stück besser.

Aber es war egal. Sein Szenario war nicht zu stark betroffen. Und dann würde er keinen Ersatz mehr benötigen.

Dennoch, er musste es wissen. Er war sich nicht sicher, warum sie nicht antwortete. Fuyutsuki wäre vermutlich nicht sehr überrascht, wenn ihre Affäre aufgedeckt würde und Rei würde es nicht kümmern. Und es würde seinem Ruf mehr schaden, als ihren zum jetzigen Zeitpunkt.

Aber er war ein geduldiger Mann. Er hatte genug, um sie wegen Hochverrats einzusperren. Er konnte warten während sie den Rest ihrer Zeit in einer Einzelzelle verbringen würde bis sie Platz erkennen würde und verzweifelt genug war ihm alles zu erzählen was er wissen wollte.

"Dr. Akagi hat nur das Gerät so programmiert, wie ich sie darum gebeten habe. Es war mein Wunsch das Dummy System zu zerstören."

Jeder im Raum schien geschockt von Reis Worten, aber niemand so sehr, wie Gendo Ikari. Andere Menschen hätten vermutlich nicht die Überraschung in seiner Stimme vernommen, als er mit die vorherige Übelkeit kämpfte, die hundertmal schlimmer zurück kam.

"Ich sah keinen weiteren Bedarf an ihnen. Evangelion Einheit-00 ist zerstört. Evangelion Einheit-01 akzeptiert mich nicht länger. Alles deutet darauf hin, dass es mit Einheit-02 ebenso wäre. Damit ist nicht nur bestätigt, dass der Dummy Plug nutzlos ist, sondern auch, da nur noch ein Botschafter kommen wird, die Möglichkeit, dass ich persönlich am nächsten Kampf teilnehmen werde ist nahezu nicht vorhanden. Aus diesem Grund sind die Risiken für diesen Körper eher gering."

So offensichtlich wie diese Lüge war, so bot sie eine vernünftige Ausrede.

"Das ..." Gendo zwang sich ruhig zu bleiben, "war nicht deine Entscheidung."

Rei jedoch, machte keine Anstalten sich zu entschuldigen.

"Akagi", er wandte sich an die nicht länger grinsende Blondine, "ich kann sie nicht länger als Leiterin des Projekts E tolerieren. Ich bin mir bewusst, dass es nicht viel Sinn hätte ihre Passwörter und Zugangscodes zu sperren, aber seien sie gewarnt, dass ein weiterer Verstoß gegen die Befehle der Vorgesetzten nicht mehr toleriert wird."

Er sparte es sich zu sagen "Sie werden nicht das Glück haben, dass beim nächsten Mal jemand den Kopf für sie hinhält" so offensichtlich wie das für alle Anwesenden war.

"Sie können gehen", hauchte er. Er hatte niemals erwartet sie für ihren Verrat so ungestraft gehen zu lassen, aber welche Optionen hatte er, wenn Rei sie deckte? Der Doktor schien genauso überrascht so ungeschoren davon zu kommen, als sie wortlos nickend den Raum verließ.

Aber er bemerkte sie sowieso kaum. Sein Blick war auf die roten Augen des blau-haarigen Teenagers gerichtet. Warum tat sie das? Was könnte der Grund sein, warum sie das Dummy System zerstören wollte? Was sollte es jetzt mit ihr machen? Zum ersten Mal fehlten ihm die Worte.

Fuyutsuki beendete diese stille Gegenüberstellung. "Das gilt auch für sie Pilotin Ayanami."

Sie nickte und begann sich Richtung Ausgang zu bewegen.

"Rei", stoppte Gendo sie jedoch, gerade als sie die Tür erreichte. Sie drehte nur ihren Kopf leicht. "Du hast mich enttäuscht."

Es war keine Frage, also hatte sie keinen Grund zu antworten. Aber wenn es sie auf irgendeine Art berührt hatte, zeigte sie es nicht. Das einzige Zeichen der Bestätigung, das sie gab, war die kurze stille Pause. Dann setzte sie ihre Bewegung fort und verließ den Raum.

Als sich die Türe schloss, lachte der Professor amüsiert was Gendo nicht teilen konnte. "Sie ist clever. Auf gewisse Weise hat sie sichergestellt, dass du dich von jetzt an gut auf sie aufpasst."

"Das könnte leicht erreicht werden, indem man sie eine Zelle einsperrt."

"Ich war ein wenig überrascht, dass du es nicht getan hast. Bei jedem anderen wäre das noch die mildeste Bestrafung gewesen." Fuyutsuki erlaubte sich ein leichtes Schmunzeln. "Und andere Eltern hätten ihren rebellischen Kindern Hausarrest erteilt."

"Andere 'Eltern' sind nicht auf die Zusammenarbeit ihrer Kinder angewiesen. Bislang ist sie noch so gehorsam, um nicht gegen einen direkten Befehl zu verstoßen. Aber wenn ich sie jetzt einsperren würde, würde das nur ihren Groll auf mich vergrößern. Sie könnte sich womöglich aus reinem Trotz weigern, ihre Bestimmung zu erfüllen, wenn der Tag kommt. Das ist etwas, was ich nicht riskieren kann."

Gendo wusste, dass der alte Mann ihn leicht angeekelt anschaute. Der Professor hatte schon immer ein Problem damit, wie er Menschen benutzte. Und er musste zugeben, dass es seine Nachteile hatte, sich mit ihnen gut zu stellen, bis er sie nicht mehr brauchte.

Aber glücklicherweise war Fuyutsuki Profi genug sein Unbehagen mit seinen Entscheidungen für sich zu behalten. Stattdessen brachte er ein anderes Problem zu Sprache.

"Sie wurden gesehen, wie sie nach der Wiederbelebung Kontakt zu ihr aufgenommen haben. Denkst du sie haben sie ebenfalls beeinflusst?"


*********


Ritsukos Gedanken waren noch immer am rasen, als sie das Büro des Kommandanten verlassen hatte. Was sich eben dort ereignet hatte, war für den Doktor schwer zu begreifen. Als sie eintrat hatte sie ehrlich damit gerechnet, sich bald in einer Zelle oder sogar tot wiederzufinden , und nun war sie ... frei ...

Ein tiefer Seufzer entwich ihr; als sie plötzlich die Erschöpfung sie übermannen fühlte, die sich in den letzten Monaten angesammelt hatte. Das war jetzt alles fort. Keine neuen Geheimnisse. Keine unerträgliche Verantwortung. Nicht mehr auf eine Liebe hoffend, die niemals sein kann ...

So gedankenverloren, hätte sie fast verpasst, wie sich die Türe neben ihr wieder öffnete.

"Rei!", rief sie eher aus Reflex, aber es brachte das Mädchen zu stehen bleiben, wartend um zu hören, was Ritsuko wollte. Wenn sie das nur selbst wüsste.

Da war ein "Danke schön" auf ihrer Zunge, aber es kam nicht heraus. Sie war sich nicht sicher, ob Rei solche Worte des Dankes schätzen konnte. Stattdessen kam das nächst logische über ihre Lippen. "Warum?"

"Ich denke ... sie haben noch eine Aufgabe hier", war ihre ruhige Antwort. Sich leicht drehend, starrten Reis stechende Augen genau in ihre, als sie fort fuhr, "Sie sind nicht ersetzbar, Dr. Akagi. Sie sollten ihr Leben nicht vergeuden."

Diese Worte schockten Ritsuko mehr, als sie gedacht hätte. Nicht aus Frust oder Zorn. Sondern weil sie sie von der Person hörte, von der sie sie am wenigsten erwartet hatte. Ein schwaches Lächeln zeigte sich auf ihren Lippen. "Was du dort drinnen getan hast ... Ich dachte nicht, dass du zu sowas in der Lage wärst."

Rei kniff die Augen zusammen. "Zu lügen?"

Ritsuko schüttelte ihren Kopf. "Jemandem wie mir zu helfen. Dich noch dazu gegen ihn stellen."

Das blau-haarige Mädchen schien von ihren Worten überrascht, als ob sie bis dahin nicht realisiert hatte, was sie getan hatte. Nachdem sie jedoch eine Sekunde darüber nachgedacht hatte, drehte sie sich um, um zu gehen. "Ich bin ich. Ich kann für mich selbst entscheiden."

Sie ging, bevor Ritsuko etwas anderes sagen konnte, aber selbst wenn die Wissenschaftlerin gewollt hätte, fehlten ihr wegen der Äußerung die Worte. Ein erstauntes Lächeln formte sich auf ihren Lippen.

Er mochte Rei ihr vorgezogen haben. Aber das bedeutete nicht, dass Rei auch ihn gewählt hätte. Und irgendwie war dieser Gedanke für Ritsuko erfreulicher, als sie gedacht hätte. Denn, am Ende, würde er vielleicht bemerken, dass er sich falsch entschieden hatte.

Und Ritsuko würde dann da sein, um sein Gesicht zu sehen.



****************



"Oh Gott", stammelte Daisuke Tanaka, nervös von einem Bein aufs andere springend, als der Transporter stoppte. "Oh Gott, oh Gott."

"Entspann dich", erzählte ihm der Mann mit Pferdeschwanz grinsend. Es war alles seine Schuld. " Man könnte denken, du müsstest mal austreten."

"Entspannen? ENTSPANNEN?" wiederholte Daisuke kreischend. Seine zitternde Hand fuhr durch seine schwitzigen Haare in einem unnützen Versuch, sich zu beruhigen. "Ich bin so gut wie tot. Die werden das herausfinden. Es ist unmöglich, dass sie es nicht tun. Etwas so großes wie das, das geht nicht unbemerkt."

"Mach dir keine Sorgen", beruhigte ihn der andere, sein stoppeliges Kinn kratzend. "Sie nehmen uns mit ihrer Heimlichtuerei eine Menge Arbeit ab. Wie du selbst gesagt hast, keiner weiß, was der andere tut. Die Transportfirma weiß nicht was transportiert wird, die Schmelzer an den Hochöfen wissen nicht, was sie zerkleinern und in eine undefinierbare Metallpfütze verwandeln sollen. Sie werden glücklich sein mit den 300 Tonnen ausrangierter Artillerie und wir sind glücklich mit dieser ausrangierten Schönheit." Er nickte zu den LKWs, die vorsichtig ihre verdeckte Fracht rückwärts in die Halle fuhren.

"'Mach dir keine Sorgen'", wiederholte Daisuke für sich, den schüttelnden Kopf in der linken Hand vergrabend. "'Mach dir keine Sorgen', sagt er. Ich bin so gut wie tot und er sagt 'Mach dir keine Sorgen' ..."

"Gut, dann sieh es so: Jetzt sind wir Quitt."

"Quitt? QUITT?!", er hatte einen weiteren hysterischen Anfall, sich nicht darum scherend, dass die Fahrer ihn bereits ansahen. "Oh, nein, nein, nein, wir sind nicht Quitt. Jetzt bist du mir was schuldig. Was großes."

Sein Gefährte kicherte laut. "In Ordnung, in Ordnung", lachte er, Daisuke fest genug auf den Rücken klopfend um seine nicht allzu muskulöse Statur ins Wanken zu bringen. "Aber ich denke das sollte bald sein, bevor es zu spät ist, oder?"

"Das ist nicht lustig", grummelte Daisuke, obwohl die Auffassung des anderen eine andere war.

"Glaub mir, sterben ist nicht so schlimm, wie sie sagen." Das Lachen des Mannes verstummte, aber er behielt ein selbstgefälliges Grinsen. "Und ich hab darin schließlich Erfahrung." 
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