The 2nd try
Chapter 5: The 14th

+ Story: JimmyWolk
+ Übersetzung: Ch@d





Als er seine Augen öffnete, war das erste, was Toji sah, eine unbekannte weiße Zimmerdecke. Schwach konnte er Bruchstücke einer Diskussion vor seinem Zimmer hören

"...hast fünf Minuten", sagte jemand, gefolgt von der Zustimmung von einer jüngeren Stimme.

Die Türe öffnete sich und gab de Blick auf ein braunhaariges Mädchen frei, das immer noch ihre grün und weiße Schuluniform trug. Sie ging, mit angemessenem Schritt, direkt auf den Stuhl neben ihm zu.

Er blinzelte ein paar Mal mit seinen noch müden Augen, obwohl er schnell wusste, wer die Besucherin war.

„Hikari?“ fragte er heiser, was die Besucherin scheinbar ein wenig überraschte.

„Suz... Toji“, verbesserte sich das Mädchen mit den Zöpfen. Sie konnte es nicht vermeiden zu erröten. „Tut mir Leid. Ich wusste nicht, dass du schon wach bist. Bist... bist du in Ordnung?“

„Jap.“ Er lächelte ein wenig. „Ich denke ich lebe noch.“

„Also, du... du hast einen Tag lang geschlafen...“

„Einen Tag sagst du? Ich fühle mich als könnte ich locker noch einen schlafen oder auch zwei...“ murmelte Toji, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf sie richtete. „Und Warum bist du...?“

„Oh, ich bin nur hier wegen meiner Aufgaben als Klassensprecherin, sonst nichts“, antwortete sie verlegen, mit einem breiten, unschuldigen Lächeln auf ihrem Gesicht.

Toji wusste was sie meinte und erwiderte ihr Grinsen. „Ja, schon klar...“

„Ja, ich schätze schon...“, flüsterte Hikari

Ein kurzer Moment einer ungewissen Stille verging. Langsam verschwand das Lächeln auf ihren Gesichtern, als ihre Gedanken zu den Ereignissen der letzten Tage zurückkehrten.

„Weißt du, was passiert ist?“ fragte Toji schließlich. „Mit dem EVA, meine ich?“

„Ikari hat ihn vernichtet...“

„Shinji...?“ wunderte er sich mit einem schwachen grinsen auf den Lippen, als er wieder an die Decke starrte. „Manchmal ist es schon kaum zu glauben, was für ein Kämpfer in unserem schüchternen und ängstlichen Freund steckt. Wenn ich ihn in seinem EVA gesehen hätte, bevor ich ihn in der Schule getroffen habe, weiß ich nicht, ob ich mich getraut hätte ihn zu schlagen...“

Hikari nickte zustimmend, auch wenn er es nicht sehen konnte. „Aber wenn du es nicht getan hättest, wärt ihr vielleicht niemals Freunde geworden...“

„Richtig“, stimmte er ihr zu. „Ich denke, manchmal kann sogar aus dem größten Fehler etwas Gutes entstehen...“

Toji wurde wieder still. Zum ersten Mal ging sein Blick an seinem Körper hinunter. Er sah verwundert auf seine behandelten Wunden. Er betrachtete besonders seinen Arm und sein Bein die eingegipst waren. Arm und Bein wurden von Schlingen hochgehalten und somit ruhig gestellt. „Also... was ist mit mir passiert?“

„Soweit ich gehört habe, haben er und die Mädchen dich da rausgeholt, bevor sie angegriffen haben. Ich weiß nicht genau was passiert ist, aber anscheinend waren sie nicht schnell genug...“ Hikari verstummte, als sie bemerkte, dass sie so klang als würde sie den Piloten die Schuld an allem geben. Aber sie war zu glücklich, dass nichts schlimmeres passiert ist, um es wirklich so zu meinen.

„Dein Arm und dein Bein sind gebrochen“, fuhr sie schließlich fort. „Sie sagen, dass du höchst wahrscheinlich ein paar Wochen hierbleiben musst.

„Wochen?“ fragte er mit einem Anflug von Panik in seiner Stimme. Allein der Gedanke mehr als nur ein paar Tage ans Bett gefesselt zu sein ließ seinen Magen verrücktspielen. Er war ein Mensch, der rauskommen musste, um nicht verrückt zu werden.

Hikari war offenbar jedoch von seinem Angsterfüllten Blick recht amüsiert. „Es ist ja nicht so, als hättest du deine Gliedmaßen für immer verloren“, kicherte sie. „Du wirst schon in vier bis sechs Wochen wieder in Ordnung sein und kannst dann hingehen, wo du hinwillst.“

Toji stöhnte in schierer Verzweiflung, aber er fühlte sich nicht in der Lage noch länger zu diskutieren. Er stieß einen Seufzer aus und schaute wieder einmal zu dem Mädchen neben ihm. „Nun,... da ich hier ja so bald nicht rauskomme... könntest du mir einen Gefallen tun?“

„Sicher...“

„Könntest du meiner Schwester sagen, dass ich in Ordnung bin?“

„Natürlich...“, versprach Hikari, als sie nickte. Aber als ihre Blicke sich trafen, vergaßen sie scheinbar jedes weitere Wort. Für unzählbare Sekunden bewegte sich keiner von ihnen oder wagte es auch nur zu blinzeln, da sie befürchteten dieser Augenblick viel zu schnell vorüber wäre.

„Ich... ich fürchte, ich muss jetzt gehen“, durchbrach sie schließlich die Stille. „Ich bin froh, dass sie mir überhaupt erlaubt haben dich zu besuchen.“

Sie war bereits aufgestanden und schon halb aus dem Zimmer draußen, als Toji einmal mehr nach ihr rief. „H... Hikari?“

„Hmm?“ fragte sie ohne sich umzudrehen.

„Danke,... dass du hier warst...“

„Sicher...“

Nachdem sie das gesagt hatte, ging sie, in der Hoffnung, dass er nicht bemerken würde wie rot sie geworden war.



****************



„Nein, Kensuke...“, Shinji stöhnte in das Telefon. „Nein, ich weiß nicht, wieso sich für Toji entschieden haben statt für dich... Was?... Sie lassen dich ihn nicht besuchen? Oh... nein, nein, ich denke nicht, dass ich was für dich in dieser Sache tun kann... Horaki darf ihn besuchen? Aber ist das nicht, wegen ihrer Pflichten als Klassensprecherin?...Ja, da hast du vermutlich recht, da ist wohl etwas mehr... Nein ich weiß nicht, ob Asuka etwas damit zu tun hatte...“

Er warf einen Blick vom Flur ins Wohnzimmer. Der Rotschopf lag auf dem Fußboden und sah ihn neugierig an, als sie ihren Namen hörte. Nicht, dass sie den Eindruck machte, dem Familien-Film oder was auch immer im Fernseher lief, wirklich zu folgen.

Shinji verdreht die Augen, als Kensuke am anderen Ende der Leitung fortfuhr. „S-sie fragen?“ kreischte er in einer ausgezeichneten Vorstellung des ‚nervös/verängstigten Shinji’. „Ich... ich weiß nicht... Sie... sie ist in letzter Zeit sehr empfindlich... Hey, wieso fragst du sie nicht selbst? Ich könnte ihr das Tel... Kensuke? Hallo? Kensuke?“

Mit einem leichten Grinsen beendete er die Verbindung und legte das Telefon in Ladestation zurück. „Ich befürchte, er wird es nie lernen...“ murmelte er, als er wieder das Wohnzimmer betrat.

„Ich kann immernoch nicht glauben, dass ich wieder verloren habe.“ Murmelte der Rotschopf auf einmal.

Mal wieder...

„Asuka wir sind alleine.“, gähnte Shinji. „Misato ist gegangen, als du unter der Dusche warst.“

"Na und?"

Er schaute sie verwundert an. Es war lange her, dass er sie so gesehen hatte, zumindest, ohne dass es gespielt war. „Du willst mir doch wohl nicht sagen, dass du sowas noch immer persönlich nimmst, oder?“

„Und was, wenn ich es tue?“, grummelte sie, als sie sich, weg von ihm, auf die Seite rollte.

„Oh, Asuka...“ Er lächelte leicht, wegen ihrem Verhalten. Für Jemand, der sich immer für Erwachsen gehalten hatte, hatte sie gewiss noch manch kindisches Verhalten, auch nachdem sie ja bereits das Erwachsensein hinter sich hatte. Zumindest hoffte er, dass es das war.

Vorsichtig legte er sich hinter sie und zog sie in eine leicht Umarmung. Sie versteift sich, aber obwohl es offensichtlich war, dass sie lieber weiter schmollen wollte, als zu kuscheln und sich zu entspannen, wusste er doch, dass sie dieses Spielchen nicht lange durchhalten würde.

„Es ist nur...“ der Ärger in ihrer Stimme war schon am verschwinden. „Ich wurde so einfach außer Gefecht gesetzt! Schon wieder! Ich habe noch nicht einmal die Chance gehabt richtig zu kämpfen. Da dachte ich, ich könnte es ihm endlich heimzahlen und ich... ich...“

„Es hat uns allesamt überrascht“, versicherte er ihr, während er mit seiner Hand beruhigend ihren Arm streichelte. „Es gab nichts, was du hättest tun können. Ich bin sicher, dass du ihm gezeigt hättest, wer hier der Boss ist...“

Nun brach ein kleines, aber trotzdem breites, Grinsen durch ihre Maske aus Wut und Zorn. Sie drehte sich zu ihm um und legte ihre Arme um seine Schultern. Sie antwortete ihm mit einem, nun gespielten, schmollen. „Ich hasse es, wenn du das tust. Weißt du das?“

„Na klar...“

Sie schüttelte den Kopf, als sie sich ihm noch weiter näherte. „Falscher Text“, flüsterte sie. „Du musst sagen ‚Tut mir Leid’.“

„Wirklich?“ Er grinste und lehnte sich ihr entgegen um sie auf halber Strecke zu treffen. Er konnte schon ihren Atem auf seinem Gesicht spüren. „Tut mir Leid.“

„Schon besser...“ Sie schloss ihre Augen, kurz bevor sich ihre Lippen trafen...

„Ich bin zuhause!“

Beide schnellten hoch, als sie den lauten, vergnügten Ruf einer jungen Stimme vernahmen. Nicht aus Schock oder Angst, sondern aus Überraschung und einer Hoffnung gegen jede Vernunft. Aber niemand war zu sehen...

Asuka verkrampfte merklich, als Shinji seine Hand auf ihre Schulter legte. Als sie sich umdrehte, schaute er ihr in die Augen und sah, dass der Funke Hoffnung der noch vor ein paar Sekunden in ihnen funkelte, jetzt von völliger Traurigkeit verdrängt wurde.

„Es war nur der Fernseher...“ murmelte sie, mit einer monotonen Stimme. Es war keine Spur von Emotionen in ihrer Stimme.

„Ja...“ Er schluckte den Kloß aus Traurigkeit in seinem Hals herunter, als er sie wieder in seine Arme nahm. „Nur der Fernseher...“



****************



Es war nicht das erste Schlachtfeld, das sie sah, aber dennoch schaffte es der Anblick des riesigen, humanoiden Körpers ihr einen Schauer über den Rücken zu jagen.

Man hatte zwar schon mit den Aufräum-Arbeiten begonnen, aber es würde immer noch eine Weile dauern, bis all die blutigen Überreste des EVA/Engels weggeschafft worden wären. Große Kräne und LKWs waren damit beschäftigt den Körper aus dem Gebiet abzutransportieren. Das NERV Personal war überall, um das Gebiet vor neugierigen Blicken zu schützen. Aber keiner von ihnen hätte es gewagt sie in ihrer momentanen Stimmung aufzuhalten, selbst wenn sie den Major nicht erkannt hätten.

„Du bist schon wieder okay?“

Ritsukos rhetorische Frage überraschte Misato nicht einmal. Natürlich war sie alles andere als ‚okay’. Ihre Verletzungen waren deutlich zu erkennen, besonders die Schlinge um ihren Arm. Und daran würde sich auch in den nächsten Wochen nicht ändern. Außerdem war es ja nicht so, dass ihre alte Freundin so viel besser aussah, mit den Verbänden an ihrem Kopf.

„Es ist in Ordnung, solange ich meinen Job machen kann. Ich kann in einer Ausnahmesituation, wie dieser, doch keine Pause machen“, seufzte sie wütend. „Ich wäre schon früher gekommen, wenn nicht ein gewisser Kommandant den dümmsten Befehl seines Lebens gegeben hätte.“

„Ich hab das mit Shinji gehört“, bemerkte der Doktor. „Und obwohl seine Bestrafung auf den ersten Blick nicht vernünftig erscheinen mag, denke ich doch, dass Kommandant Ikari Recht hatte...“

„Du bist immer auf der Seite von diesem Bastard, oder? Was ist das? Ein neues Spiel, von dem ich noch nichts gehört habe? ‚Lass uns sehen wer Shinji am meisten verletzen kann?’ Ich...“ Ein plötzlicher Schmerz im Arm stoppte sie, als sie ihn in ihrem Wutausbruch zu plötzlich bewegte.

„Beruhig dich wieder!“, entgegnete Ritsuko streng, behielt aber die Ruhe. „Du hörst dich an, als ob man ihn eigesperrt oder bei NERV endgültig rausgeworfen hätte.“

Misato seufzte. „Tut mir Leid. Es ist nur... Er verdient sowas nicht. Er hat nichts falsches getan! Es hätte viel schlimmer kommen können, wenn er nicht versucht hätte seinen Freund zu retten. Er riskiert sein Leben für uns, wieder und wieder. Und gerade jetzt, wo er ein wenig Vertrauen darin zeigt den EVA zu steuern, darf er es nicht mehr.“

„Ich denke nicht, dass es ihm etwas ausmacht, ein paar Tests zu verpassen...“, scherzte Ritsuko.

„Hmm... vielleicht nicht...“ Misato lächelte ein wenig vergnügt. „Ich schätze, du hast Recht. Aber trotzdem hoffe ich, dass der nächste Engel nicht in den nächsten paar Wochen auftaucht...“



****************



Shinji saß kerzengerade in seinem Bett. Sein Herz raste und er war komplett durchgeschwitzt, aber schon begann er, sich der Realität bewusst zu werden.

Wieder ein Alptraum...

Es war Jahre her gewesen, dass er den letzten hatte. Aber er hatte sie fast dauernd in der letzten Zeit. Immer verspotteten ihn seine Träume mit seinem Verlust, immer erzählten sie ihm, dass alles was er tat umsonst war. Und immer dieses Monster, das ihn niemals gehen lassen würde.

Mit einem lauten Seufzer ließ er sich wieder rückwärts auf sein Bett fallen und schloss seine Augen. Aber er war noch zu aufgeregt, um wieder einschlafen zu können. Er stöhnte, noch immer aufgewühlt durch diese Situation. Er warf sich auf die Seite, nur um sich nicht einmal eine Minute später wieder auf den Rücken zu drehen. Verschlafen wanderte sein Blick durch das dunkle Zimmer, bis er schließlich auf den leuchtenden Ziffern seines Weckers zum ruhen kam.

4:36... Und mit seinem beschäftigten Verstand und seinem trockenen Hals, sah er keine Möglichkeit bald etwas schlaf zu finden. Wenigstens konnte etwas gegen den Durst tun.

Shinji fröstelte ein wenig, als er aufstand, um in die Küche zu gehen, und er die frische Nachtluft auf seiner mit Schweiß bedeckte Haut spürte. Er verzichtete darauf das Licht anzuschalten, um den Pinguin in seinem privaten Kühlschrank nicht zu wecken. Er holte sich leise etwas zu trinken aus dem anderen Kühlschrank.

Aber nachdem er es schnell getrunken hatte und die leere Dose in den Müll geworfen hatte, fühlte er sich nicht wirklich erfrischt, und auch kein Stückchen besser. Es war nur ein weiterer sinnloser Versuch etwas zu ändern.

Mit gesenktem Kopf schlich er wieder in sein Zimmer. Aber als er an Asukas Zimmertüre vorbeikam, ließ ihn das Geräusch eines leisen Winselns völlig erstarren.

Ein trauriger Seufzer kam ihm über die Lippen. Es gab kaum etwas, dass er mehr hasste, als dieses Geräusch. Es erinnerte ihn immer daran, wie hilflos er doch eigentlich war. Aber er konnte es ihr nicht verübeln, dass sie weinte. Nur allzu oft hatte er sein eigenes Kissen nass von seinen Tränen gefunden.

Für einige Momente stand er einfach nur im Flur. Er sah sich weder in der Lage in ihr Zimmer zu gehen und sie zu trösten, noch einfach weiterzugehen und sie mit ihrem Schmerz alleine zu lassen.

Nachdem er sich selbst vergewissert hatte, dass Misato nicht in der Nähe war, ging er schließlich zögernd auf Asukas Zimmer zu und öffnete, vorsichtig und leise, die Tür. Für einen Augenblick lächelte er wegen dem Chaos in ihrem Zimmer. Wenn es nicht um ihr Aussehen ging, war sie immer die schlampigste von ihnen gewesen. Nicht einmal das Erwachsen werden hatte in dieser Beziehung viel geholfen.

Aber sein Lächeln verschwand so schnell, wie es gekommen war, als er ihren weinenden zusammengerollten Körper auf dem Bett sah.

Mit kleinen, leisen Schritten ging er zu ihr, wobei er vorsichtig die Unordnung auf dem Boden vermied. Sie bemerkte in ihrem unruhigen Schlaf nicht, wie er sich neben sie setzte.

Er wollte ihr tröstende Worte ins Ohr flüstern. Irgendetwas, um sie zu beruhigen, aber alles an was er denken konnte, waren nur noch schmerzhaftere Lügen. Alles was er tun konnte, war seinen Arm um sie zu legen und ihren Schmerz zu teilen. Und so weinten sie leise zusammen, bis er wieder in sein Zimmer zurück musste, bevor der Morgen kam und einen weiteren Tag der Verdrängung und Scharaden mit sich brachte.



****************



„Das hat sie wirklich gesagt?“

Hikari nickte. Bei dem Anblick seines überraschten Gesichtsausdrucks, setzte sie ein breites Grinsen auf. „Ihre Worte waren: ‚Dieser dumme Idiot von großem Bruder kann froh sein, dass nichts schlimmeres passiert ist, sonst hätte ich ihn persönlich gekillt.“

„Diese kleine undankbare...“ murmelte Toji. Aber Hikari lächelte nur und schüttelte leicht ihren Kopf in seine Richtung.

„Spiel nicht den Dummen. Du weißt genau, dass sie es nicht so gemeint hat. Sie war geschockt, als sie hörte, dass du dein Leben riskiert hast, nur damit sie eine bessere Behandlung bekommt. Und wenn man den Fortschritt berücksichtigt, den sie gemacht hat, dann bin ich mir sicher, dass sie dir sehr dankbar dafür ist, was du für sie getan hast.“

Das Gesicht des Jungen erhellte sich bei ihren Worten. „Also, wie geht’s dem kleinen Balg denn so?“

„Oh, ihr gehts gut. Ich wäre nicht überrascht, wenn sie früher anfängt zu laufen als du.“

„Das denke ich nicht!“, rief er stolz und grinste sie an.

„Hä? Was macht dich da so sicher?“

„Weil“, begann er sanft, als er Hand seines gesunden Armes auf ihre legte und ihr tief in die Augen sah, so dass es ihr Schauer über den Rücken jagte und ihrem Gesicht die Wärme brachte, „sie nicht die gleiche Motivati...“

Er wurde abrupt unterbrochen von einem Klopfen an der Tür. Bevor einer der beiden etwas antworten konnte, wurde sie schon von einem roten Wirbelwind aufgerissen, der jemand hinter sich herschleifte.

„Ich hoffe ernsthaft, dass wir euch nicht bei etwas gestört haben...“ brummte eine sichtlich angeekelte Asuka.

Obwohl sie ‚unschuldig’ waren, wurden die Gesichter von Hikari und Toji plötzlich knall rot.

Glücklicherweise ergriff der Junge, der mit Asuka gekommen war, das Wort, bevor die Stille für die beiden wirklich unangenehm geworden wäre. „H-hi, Toji“ murmelte er. Hallo Klassensprecherin...“

„Hey Shinji!“ Der Sportler war dankbar für den Themawechsel. „Wie geht’s dir?“

„Ähm... Gut...“, sagte Shinji, offensichtlich überrascht von dieser eher lapidaren Frage. „Aber I-Ich bin eigentlich gekommen um dich das zu fragen...“

„Mich? Oh, mir geht’s gut. Weißt schon... nur im Bett liegen, futtern und rum hängen“, scherzte er und deutete auf sein Bein, das in der Schlinge baumelte.

„... und Doktorspielchen mit deiner Freundin...“, fügte Asuka neckisch seiner Aufzählung hinzu.

Während ein weiterer Anflug von Verlegenheit Hikari verstummen ließ, bevor sie etwas sagen konnte, verdrehte Toji dieses Mal seine Augen.

„Was bringt dich hierher, Frau Luzifer? Vermisst du mich schon?“

„Na sicher...“ schnaubte der Rotschopf. „Ich bin nur hier, weil Misato ihren kleinen Shinji nicht alleine gehen lassen wollte“, fügte sie mit einem spöttischen Unterton hinzu, während sie Shinjis Frisur zerzauste, wie bei einem Kleinkind.

„Asuka!“, protestierte er und errötete dabei leicht vor Verlegenheit. „So hat sie das nicht gesagt...“

„Wie auch immer!“ meinte sie verärgert und wandte sich nun wieder dem Verletzten zu. „Aber wenn wir schon mal hier sind, um dich mit unserer Anwesenheit zu beehren, wie wäre es dann mit ’nem kleinen ‚Dankeschön’, dafür, dass wir deinen jämmerlichen Arsch gerettet haben?“

Toji sah sie verachtend an, oder besser gesagt, durch sie durch.

„Danke, Shinji...“, sagte er schließlich, ohne seinen Ausdruck zu verändern.

Es schien, als ob Asuka ihn gerade anschnauzen wollte, aber Hikaris Ellbogen war schneller.

„Aua!“ schrie er. Er rieb den verbundenen Bereich seiner Rippen, wo sie ihn getroffen hatte. „Wofür war das denn?“

Aber bevor sie diese eher unnötige Frage mit etwas anderem als nur einem strengen Blick antworten konnte, entschied sich Shinji wieder einmal einzugreifen. „Asuka hat Recht weißt du? Sie und Rei haben mir wirklich sehr geholfen um dich zu retten.“

„Ä-hem...“ Asuka zog eine Aufmerksamkeit auf sich um ihm einen warnenden Blick zuzuwerfen.

„Äh... natürlich war Asuka dabei die größere Hilfe...“, fügte er schnell hinzu.

„Ä-hem!“ Dieses mal kam es in Begleitung mit einem leichten Schlag auf seinen Hinterkopf.

„Ich... ähm...“ Shinji ließ die Schultern hängen und seufzte niedergeschlagen. „Ich meine Rei und ich haben natürlich ihr geholfen...“

„Ä-HEM!“

„N-nicht, dass sie unsere Hilfe gebraucht hätte...“

„Sorry Shinji.“, grinste Toji. „Aber ich glaube nicht, dass ich deiner Frau danken muss, dass sie dich so unter den Pantoffel stellt.“

„Ä-hem!“

Seine Augen wanderten nervös zu seiner Linken, wo das letzte Geräusch herkam, und bemerkte Hikaris missbilligenden Blick.

„Ähm... Ich...“ Er stöhnte und schaute wieder an die Decke, als er beinahe kindisch schmollte und ein leises „danke, dass du mich gerettet hast...“, murmelte

„Wer is’ jetzt der Pantoffelheld?“, murmelte Shinji kaum hörbar.

Aber innerlich lächelte er zufrieden über das Glück seines Freundes. Er hatte ihn mindesten einmal besuchen wollen und es war gut, dass er es getan hatte, bevor...

... bevor plötzlich in der ganzen Stadt die Sirenen ertönten.

Und während Shinji und Asuka unbemerkt einen wissenden Blick tauschten, wusste jeder andere in Tokyo-3 nur: der Angriff des nächsten Engels stand unmittelbar bevor.



****************



Misato eilte durch die Gänge des Hauptquartiers nur wenige Sekunden, nachdem der Alarm verstummte. Die Ansage an das Personal ‚die Gefechtspositionen zu besetzen und sich für den Boden-Luft-Kampf bereit zu machen’ war nun schon zum dritten Mal wiederholt worden, aber allein die Größe des Hauptquartiers machte den Weg bereits länger als nötig. Sie tastete mit ihrer zu gebrauchenden Hand nach ihrem Handy und stellte eine Verbindung mit der Kommandozentrale her, sobald sie es schließlich geschafft hatte es heraus zu holen. „Katsuragi hier. Statusbericht?

„Major!“ Hyugas Stimme plärrte aus dem Telefon. „Der Engel wurde bei Komagatake gesichtet und es ist fraglich, ob die dortige Verteidigungslinien ihn länger aufhalten können! Dieses Ding bewegt sich an unseren Truppen vorbei, als wären sie gar nicht da!“

Sie konnten ihn nicht einmal ein bisschen Aufhalten? Das würde bedeuten, dass sie sogar noch weniger Zeit hätten den Gegenschlag vorzubereiten.

„In Ordnung. Bereitet die EVAs zum Start vor! Ich habe Shinji und Asuka in die Umkleideräume rennen sehen! Was ist mit Rei? Ist sie fertig...?“

“Major!“, unterbrach sie eine kühle Stimme.

„Ja, Kommandant?“

„Nur das First und Second Children werden sich dem Engel stellen. Einheit-01 wird mit dem Dummy-Plug ausrücken.“

„WAS?“

***

Ungeachtet des Chaos um sie herum, schaute die Brückencrew geschockt zu dem Sitz des Kommandanten empor.

„Pilot Ikari ist noch immer von seinem Dienst suspendiert...“

“Sir, mit allem nötigen Respekt, das ist nicht die Zeit, um disziplinarische Maßnahmen durchzusetzen!“, schallte Misatos Stimme durch das Komm-System. Sie wagte auszusprechen, was alle dachten.

Aber Ikari schien unbeeindruckt. „Ich werde mich nicht wiederholen, Major!“

Es gab eine kleine Pause, die die Atmosphäre noch weiter anspannte, bis Misato schließlich mit einem schwachen „Verstanden...“, antwortete.

Ritsuko, die gerade in der Nähe der Brückencrew stand, fühlte, wie jemand an ihrem Laborkittel zog.

„Aber, Sempai, der Dummy-Plug hat auch beim letzten Mal nicht funktioniert“, flüsterte Maya. „Wie kann er alles auf so ein unzuverlässiges System setzen?“

„Ich weiß, du warst nie von der Idee des Dummy-Plug begeistert.“ Für einen Moment lächelte Ritsuko angestrengt in die Richtung ihres Schützlings. Aber das Lächeln verschwand sofort, als sie zu dem Mann sah, der über ihnen saß. „Aber für ihn ist es eher etwas persönliches. Wenn das System einmal funktioniert, muss er sich nicht länger auf Shinji verlassen. Es ist kein Geheimnis, dass er nicht sehr... begeistert von seinem Sohn ist. Und der letzte Vorfall gab ihm die Gelegenheit die Lücke zwischen ihnen sogar noch zu vergrößern. Ich habe keine Zweifel, dass, sobald Shinji seinen Zweck erfüllt hat und nicht weiter wichtig ist, der Kommandant alles tun wird, um den Jungen von sich weg zubekommen...“

„Sie klingen fast so, als ob er Angst vor seinem Sohn hätte.“, bemerkte Maya, die nicht auf das nachdenkliche Stirnrunzeln des Doktors achtete.


Es ist das, was er immer tut.’, erinnerte sich Ritsuko. ‚Vielleicht ist es wahr. Vielleicht ist er wirklich derjenige in diesem Raum der die größte Angst hat...’

Eine laute Explosion erinnerte jeden sofort wieder an die tödliche Bedrohung über ihnen.

„Panzerschichten eins bis achtzehn zerstört!“

„Er hat achtzehn Schichten der Spezialpanzerung so einfach zerstört...?“, stammelte Makoto geschockt und beeindruckt, angesichts der Zerstörungskraft des nahenden Engels.

„Wir werden es nicht rechtzeitig schaffen die EVAs an die Oberfläche zu bringen!“, rief Misato, in dem Moment, als sie durch die Tür auf die Brücke kam. „Positioniert Einheit-00 und 02...“, sie warf einen kurzen Blick hoch zum Kommandanten, „In der Geofront, um das Hauptquartier zu schützen! Greift das Ziel an, sobald es in die Geofront eindringt!“

***

Nur wenige Sekunden später erwarteten die beiden EVAs die Ankunft des 14ten in der Nähe des Hauptquartiers. Sie waren mit dem Standard-Gewehr bewaffnet, aber hatte noch ein riesiges Arsenal an Raketenwerfern und Prog-Speeren in Reichweite. Asuka erinnerte sich noch daran, wie sie Magazin um Magazin auf den langsam schwebenden Engel schoss. Es war, als hätte sie mit einer Wasserpistole versucht einen Felsen zu zerstören.

Aber jetzt wusste sie es besser.

Aber die Tatsache, dass Feuerkraft alleine gegen diesen Angreifer nicht ausreichen würde, hieß nicht, dass es ihr keine Hilfe sein könnte.

Dann war es soweit. Eine letzte Explosion erschütterte die Geofront, als der Engel der Macht mit dem Abstieg zu seinem Ziel begann. Aber während Rei sofort das Feuer eröffnete, um zu versuchen den Eindringling von seinem Vorhaben abzuhalten, bewegte sich Einheit-02 nicht einmal.

„Asuka!“ drang Misatos strenge Stimme ein wenig verwirrt durch das Komm. „Worauf wartest du? Mach ihn jetzt fertig!“

Sie antwortete nicht.

Stattdessen beobachtete sie ruhig ihren Gegner, der nicht den Eindruck machte, als ob ihn die Feuerkraft, die auf ihn gerichtet war, auch nur im Geringsten beeindrucken würde. Sie erinnerte sich nur zu gut daran. Der große grün und weiße Körper mit scheinbar schwachen und harmlosen Gliedmaßen, der der hellroten Sphäre in der Brust und das Totenkopf-ähnliche Gesicht, das grotesk zu grinsen schien. All das schien die tödliche Kraft zu verbergen, die in seinem inneren darauf wartete entfesselt zu werden.

Aber dann, kurz bevor er den Boden erreichte...

„Gib mir Deckung!“

Bevor irgendjemand reagieren konnte, ließ Asuka ihre Waffe fallen und sprintete auf den Engel zu. Sie wusste, dass eine erfahrene Pilotin wie Rei nicht lange nachdenken und zu Seite gehen würde, um so den 14ten zu zwingen, sich auf zwei Ziele zu konzentrieren.

Egal wie, ich mach dich fertig!’

Aber der Engel der Macht kümmerte sich weder um den Kugelhagel, noch machte er den Anschein, als ob er sich vor der roten Bedrohung fürchtete, die sich ihm schnell näherte.

Ich werde Shinji nicht nochmal gegen dich kämpfen lassen!’

Seine Arme, die wie Stummel an seinen Schultern hingen, entfalteten sich nun in, was sie wie lange, hauchdünne Bänder erschien.

Ich werde ihn nicht auch noch verlieren!’

Und mit unmenschlicher Geschwindigkeit kamen die Arme auf sie zu und zerschnitten, wie Rasierklingen, alles was ihnen in die Quere kam zu kleinen Fetzen...



... aber verfehlten.



„ICH WERDE NICHT VERLIEREN!“

In der Hitze des Gefechts kümmerte Asuka sich nicht mehr darum sich zurück zu halten. Sie scherte sich nicht darum, ob der ganze Kommandostand durchdrehen würde, wenn sie ihre Synch-Rate sahen. Eine Rate, die sie nur ein einziges Mal erreicht hatte, und das war in einer anderen Zeit.

Mit einer schneller Bewegung wich sie den tödlichen messerscharfen Waffen aus und stürzte sich auf ihren Angreifer. Der Boden erzitterte, als der Engel, durch die Wucht des Einschlags und das Gewicht von Einheit-02, auf die Erde gedrückt wurde.


Der Überraschungseffekt ihres Angriffs hielt jedoch nicht lange an. Gerade als Asuka auf ihren Gegner einschlagen wollte, wurde sie von den vertrauten orangenen Aufblitzen des AT-Felds des Engels zurückgeschleudert. Im Rückwärtsfall schaffte sie es gerade noch ihre Einheit auf den Beinen zu halten.

Der Engel gab ihr nicht viel Zeit um wieder zu sich zu kommen.

„Asuka! Pass auf! Hinter dir!“

Sie hatte Misatos Warnung nicht wirklich gebraucht. Es wäre sowieso zu spät gewesen. Die immernoch ausgestreckten Arme des Engels schnellten in sekundenbruchteilen zurück und verfehlten sie nur um wenige Zentimeter. Wenn sie nicht in letzter Sekunde ausgewichen wäre, wäre ihr EVA entzwei geschnitten worden. Jedoch half dieses Ausweichmanöver ihrem Umbilinkal-Kabel nicht. Asuka fluchte, als der Timer der internen Batterien startete, während ihr Versorgungskabel auf den Boden schlug und Funken aus den durchtrennten Enden sprühten.

Es gab keine Möglichkeit den Engel zu verletzten, solange er ein so starkes AT-Feld erzeugte. Die Kraftfelder stießen zusammen, als die beiden Kämpfer versuchten ihren Gegner zu überwältigen, aber keiner der beiden war bereit nachzugeben.

Asuka knirschte konzentriert mit den Zähnen. Es war nicht möglich, dass sie verlieren würde. Ihr Gegner möchte zwar stark sein, aber er war nicht unbesiegbar. Und selbst wenn es mit den letzten bisschen Energie ihres EVAs wäre, würde sie dieses Monster besiegen.

„Zur Seite, Einheit-02!“ warnte Reis Stimme plötzlich.

„Wa...?“ Sie fragte nicht weiter, als sie EVA-00 mit einem schweren Raketenwerfer in ihre Richtung zielen sah. In dem Moment, in dem sie aus dem Weg war, verlor Rei keine Zeit und eröffnete das Feuer.

Ohne größere Schwierigkeiten drang die Rakete durch das AT-Feld, das von den Angriffen der beiden Einheiten geschwächt war und vor allem durch den kräftezehrenden Nahkampf mit Einheit-02. Scheinbar traf die Rakete genau den roten Kern.

„H-haben wir es geschafft?“ wunderte sich Asuka laut. Sie versuchte durch den Rauch, der von der Explosion verursacht wurde, etwas zu sehen.

Aber sie bekam die Antwort früher als es ihr lieb war. Die zwei Arme schossen wieder durch den Rauch, aber gingen an ihr vorbei...

„Achtung Ayanami!“

Zu Spät. Noch bevor Rei ausweichen konnte, schnitt einer der messerscharfen Gliedmaßen den Arm, in dem sie die Waffe hielt, an der Schulter ab, während der andere den Kopf ihres EVA durchbohrte, als wäre er aus Papier.

Ein erschreckender Schrei, voll Leid und Schmerz, hallte durch das Komm.

***

„REI!“

Die meisten Leute in der Kommando Zentrale wären überrascht gewesen, Gendo Ikari so emotional zu erleben. Das heißt, wenn sie darauf geachtet hätten, aber sie waren von dem laufenden Kampf zu sehr abgelenkt.

Rei hätte eigentlich nur im Hintergrund bleiben sollen, um Deckung zu geben und das AT-Feld zu schwächen. Auch wenn ‚Ersatz’ jederzeit für sie bereit stand, so schien er, aus irgendeinem Grund, sich immer um sie mehr Sorgen als um alle anderen zu machen, wenn sie in einer bedrohlichen Situation war.

Der einzige, der den kurzen, ungewöhnlichen Ausbruch des Kommandanten bemerkte, schaute von dem Steg, der zu der verbleibenden Einheit führte, nach oben zum Kommando-Deck über dem Cage des EVA. Mit jeder Sekunde, die verstrich, musste Shinji sich mehr und mehr zusammenreißen, um die Techniker nicht anzuschreien, die den Befehl befolgten ihn nicht zu seiner Einheit zu lassen während sie versuchten Einheit-01 mit dem Dummy-Plug zu starten – ohne Erfolg.

Je mehr er durch die Lautsprecher des Komms hörte, desto schlimmer spürte er die Stiche in seinem Herzen. Es war bereits schwer genug gewesen nicht aus seiner Rolle zu fallen als er gestoppt wurde als er eintraf, nachdem er sich seinen Plugsuit angezogen hatte, aber jetzt war er kurz davor sich seinen Weg in den Entry-Plug mit Gewalt zu bahnen.

Was dachte sich sein Vater dabei? War es ihm so wichtig seinen Sohn zu demütigen, dass er das Leben aller aufs Spiel setzen würde? Oder... könnte er wirklich wollen, dass alles so passiert, wie beim letzten Mal? War es das, was er erreichen wollte?

Die Angst vor dieser Möglichkeit packte sein Herz. Das war genug.

„VATER!“

***

Asuka schaute wieder auf den Timer. Nur noch Energie für 30 Sekunden und EVA-00 war ausgeschaltet. Aber trotzdem würde sie den Engel besiegen. Sonst...

Erneut hatte sie nur Zeit um instinktiv zu reagieren und sich zu ducken, als seine Arme einmal mehr versuchten sie zu zerfetzen.

Aber gerade als sie sich sicher fühlte den tödlichen Klingen entkommen zu sein, verloren diese ihre Härte und anstatt Asuka zu durchschneiden, zog er sie zurück und schlang sie um die Handgelenke ihres EVAs. Mit unglaublicher Kraft stemmte das grüne Monster die rote Einheit in die Höhe, wobei es dessen Arme mit einem unnachgiebigen Griff auseinander hielt.

***

„Energie-Spitze entdeckt! Der Engel bereitet sich darauf vor erneut zu feuern!“

***

Asuka versuchte nicht in Panik zu geraten als sie ein Aufblitzen in den Augen und dem Mund des Engels sah. Sie versuchte mit aller Macht ihre Arme frei zu bekommen. Ohne Erfolg. Er hielt sie zu fest. Aber sie würde nicht verlieren. Sie konzentrierte die gesamte Energie, die sie noch hatte auf ihr AT-Feld...

***

„Sie verbraucht ihre Energie viel zu schnell! Sie wird diese Feuerkraft nicht lange abblocken können!“

***

„Ich werde nicht verlieren! Meine Mutter beschützt mich! Nicht wahr, Mama?“

***

Die gesammelte Energie leuchtete auf.

***

„Trennt die Verbindungen!“

***

„ICH WERDE NICHT...!“

Dunkelheit...

„nein...“

***

Eine gewaltige Explosion erschütterte die Geofront.

Ein riesiger Kopf flog durch die Luft, direkt von der ungeheuren Energie getroffen.

Ein großer roter Körper, nun erschlafft, fiel krachend auf den Boden.

Und eine junge Pilotin fluchte, dass sie wieder enttäuscht hatte – und dieses mal nicht nur sich selbst.

***

„EVA-02 ist still! Der Engel nähert sich!“ Diese Warnung hallte durch das gesamte Hauptquartier und erreichte auch die EVA Cages.

„Dummy-Plug wird noch immer nicht von Einheit-01 akzeptiert!“

Hinter seinem kühlen Äußeren, zitterte Gendo vor Wut. Er hätte Rei mit EVA-01 raus schicken sollen. Auch wenn einige über diese Idee ungehalten gewesen wären, dass sie Shinjis Eva benutzen sollte, wo ihre Einheit doch völlig intakt und das Third Children anwesend war, so hätten doch nur wenige es gewagt seine Entscheidung anzuzweifeln, ihr das überlegenere Modell zu übergeben.

Warum funktionierte der Dummy-Plug nicht? Akagi hatte doch versichert, dass mit den Plugs selbst alles in Ordnung war. Die Testläufe mit Einheit-00 verliefen ohne Komplikationen.

Könnte es wahr sein? Könnte es...?

Yui?’

„VATER!“

Langsam drehte er sich zu dem Jungen, der Umbilical Brücke des EVA Cages unter ihm stand.

„Das funktioniert nicht! Kannst du das nicht einsehen? Lass mich steuern, bevor alles zu spät ist!“

„Warum?“, fragte Gendo, in seiner typisch ruhigen Art

Dieses eine Mal schaute sein Sohn zu ihm hoch, ohne Angst zu zeigen. Der Junge schaffte es sogar leicht zu grinsen, als sich ihre Blicke trafen.

„Weil ich der Pilot von Einheit-01 bin!“

Und dieses eine Mal, als der Kommandant seine Augen wieder auf den lila Gigant richtete, entspannten sich seine Gesichtszüge für einen kleinen Moment.

Du hast immer bekommen was du wolltest, oder?’

***

Misato sah voller Schrecken, wie der Engel die beiden geschlagenen und bewegungsunfähigen EVAs vollkommen ignorierte als er an ihnen vorbei schwebte, um sein eigentliches Ziel, das unter ihnen lag, zu erreichen. Die schnell eingeleitete Attacke mit konventionellen Waffen war nichts weiter als ein hektischer Versuch zu überleben und hatte keine Auswirkungen auf die Kreatur.

Die Größe des Monsters war alles was den Hologramm-Schirm füllte, bevor das Bild von statischem Rauschen ersetzt wurde. Der Boden bebte heftiger, als bei jedem Erdbeben, das der Major je erlebt hatte, als der Engel seinen Energiestrahl erneut abfeuerte und dabei den Stahl und die Steine der äußeren Schutzmauern der Hauptquartiers zerstörte.

Eine letzte Explosion zerstörte auch die letzte Hoffnung.

„Direkter Treffer im dritten Fundament!“

„Oh nein!“, schrie Misato in Panik bei Makotos Bericht, da sie nur zu gut wusste was das bedeutete. „Der Hauptschacht ist vollkommen freigelegt!“

Sie hatten verloren. Alles was sie bisher getan hatten, alles um diesen Moment zu vermeiden, wurde zunichte gemacht. Jetzt war alles, was sie tun konnten auf ihr Ende zu warten.

Das Kreuz, das von ihrem Hals hing, fühlte sich mit einem Mal viel schwerer an. Es war seltsam, dass der Gedanke, der in diesem Moment am hellsten leuchtete, der war, dass sie nun ihr Ziel niemals erreichen würde...

Aber bevor der Rauch sich legen konnte, sprang eine riesige lila Gestalt aus dem Hauptschacht und knallte mit seinem Körper gegen den Engel, wodurch er ihn zu Boden riss.

„EVA-01? Wer...?“, fragte Misato. Sie schaute verwundert und erleichtert auf den wieder funktionierenden Bildschirm, obwohl sie innerlich die Antwort bereits kannte. „Shinji pass auf! Dieses Ding ist zäher als es aussieht!“

„Ich weiß Misato!“

***

„Ich weiß das nur zu gut...“, fügte Shinji leise mit seinem nächsten Atemzug hinzu, als er sich bereitmachte erneut den Engel anzuspringen, bevor dieser aufstehen konnte.

Er durfte ihm nicht die Chance geben sich zu erholen. Das war ein Kampf der ausschließlich durch Kraft entschieden wird. Und da er dieses Mal mit einem Umbilinkal-Kabel Ausgerüstet war, wodurch er nicht an ein Zeitlimit gebunden war, hatte er in der Tat gute Chancen zu gewinnen – zumindest solange er seinem Gegner nicht die Zeit ließe zurückzuschlagen.

Schlag für Schlag traf den verwirrten Engel, der scheinbar nicht einmal einen Versuch unternahm ihnen auszuweichen. Ein plötzliches Aufblitzen zeigte Shinji warum. Er sprang so schnell er konnte von seinem Gegner weg, bevor dessen Energiestrahl ihn mit volle Wucht treffen konnte. Dank seines schnellen Manövers verlor er diesmal zwar nicht seinen Arm, aber es kostete ihn den Vorteil, auf den er so gezählt hatte. Jetzt hatte der grüne Riese die Zeit genutzt um wieder aufzustehen und er war scheinbar nicht einmal verwundet, bereit mit all seiner Macht zurückzuschlagen.

Und der Timer begann zu laufen.

Shinji fluchte leise, als er die jetzt nutzlosen Reste des Umbilinkal-Kabels entfernte. So konnte sich der EVA wenigstens freier bewegen. Er hatte immer noch mehr Zeit als bei seinem ersten Kampf gegen den 14ten Engel, aber er durfte sich keinen Fehler mehr erlauben.

Er baute sein AT-Feld auf maximal Größe auf und rannte so schnell er konnte auf den Engel zu, der sich bereits wieder darauf vorbereitete mit seinen Armen erneut zuzuschlagen. Es gab einen kurzen Lichtblitz, als sich die AT-Felder aufeinander trafen, aber die bloße Geschwindigkeit von Einheit-01 gab ihm soviel Kraft, dass der 14te nach hinten geschleudert wurde. Mit einer schnellen Bewegung schaffte es Shinji die beiden Klingen-artigen Extremitäten, die ziellos hinter seinem fliegendem Gegner her flatterten, zu packen. Er schrie vor Wut, als er mit der ganzen Kraft des Evangelion an ihnen riss, und bekam als Antwort einen Schmerzensschrei, als er es tatsächlich fertig brachte einen Arm auszureißen.

Shinji verlor keine Zeit damit den Rest des Armes in der Hand des EVA loszulassen und machte wieder weiter. Die Faust von EVA-01 traf direkt das kranke Gesicht des Engels. Aber statt nochmal zuzuschlagen, hielt Shinji es mit festem Griff, während er den grünen Riesen auf den Boden drückte, mit einem Fuß in seinem Bauch.

Der scheinbar hilflose Engel kreischte, als sein Gegner jetzt dort weitermachen wollte, wo er einst gestoppt wurde. Shinji scherte sich nicht mehr darum, sich zurück zuhalten. Er wollte nur dieses Ding vernichten, das, damals und auch dieses mal wieder, so viel Leid und Zerstörung brachte. In seinem Zorn zog er an diesem Masken-ähnlichen Gesicht und sich nur noch wünschte, es heraus zu reißen und dann den Rest des Monsters ebenso zu zerfetzen. Und der Timer zeigte, dass er noch für über eine Minute Energie hätte.

Die Sehnen und das Fleisch, die den Kopf mit dem Körper verbanden, dehnten sich, wurden dünner und dünner mit jeden Meter, bis...

Der Eva taumelte plötzlich nach hinten, als der Kopf endlich abriss, sehr zu Shinjis Schock und Erleichterung. Mit einer fast krankhaften Genugtuung, zerquetschte er die Überreste in seiner Hand, bevor er sich wieder auf den Körper konzentrierte, um damit nun genauso weiterzumachen.

Aber das Grinsen der Verrücktheit wurde von einem angsterfüllten Blick verdrängt als der totgeglaubte Engel sich wieder erhob. Da wo vorher der Kopf war, war nun ein neuer, nur leicht deformierter Ersatz. Mit einem Knurren, versteifte diese Monstrosität den Stumpf, welcher der mickrige Überrest seines Armes war, und aus dem Überbleibsel schoss ein neues Glied mit unglaublicher Geschwindigkeit. Der Engel wirkte, als ob nie etwas passiert wäre.

„Er regeneriert sich so schnell?“, rief Shinji ungläubig. Aber bevor er reagieren konnte, wickelte sich der neu gewachsene Arm um den Kopf des EVA. Er versuchte zu entkommen und des zurückhaltende Glied zu greifen, aber vergeblich. Der Griff des Engels war zu stark. Es war ein sinnloser Kampf nicht in Panik zu geraten als seine Einheit – scheinbar mit Leichtigkeit – hochgehoben und durch die Luft geschleudert wurde.

Shinji stöhnte vor Schmerz, als sein EVA wieder und wieder auf den Boden geknallt wurde. Die neuralen Verbindungen zur Maschine ließen ihn jeden Stein und jeden Baum spüren der unter ‚seinem’ Rücken zerbrachen und zerquetscht wurden. Hektisch versuchte er nach etwas zu greifen, woran er sich festhalten konnte, aber Wurzeln und Schutt war nichts, was der Macht eines Engel standhalten würde.

Dann wurde alles schwarz.

Die Töne verklangen zu einem entfernten Widerhallen.

Alles, was er spüren konnte, waren die Erschütterungen der Schläge, die ihn im geschützten und LCL-gefüllten Entry-Plug leicht gedämpft erreichten.

Der Timer zeigte nur Nullen.

Shinji konnte nur anhand der bereits reduzierten G-Kräfte und dem lauten Einschlag raten, was sich draußen abspielte, als sein EVA wieder hochgeschleudert wurde und in der Pyramiden-Form des Hauptquartiers einschlug.

Die Panik, die in ihm aus den tiefen seiner natürlichen Überlebensinstinkte stieg, ließ ihn gegen besseres Wissen vergeblich an den Steuerknüppeln in seinen Händen zerren. So als würde er nur durch diese Bewegung die Batterien seiner gigantischen Waffe wieder aufladen können, um ihr genug Energie zu geben, gegen das Monster kämpfen zu können, das gerade hörbar den Kern des EVA freigelegt hatte und mit seinen tödlichen Armen darauf einschlug.

Aber schließlich wurde Shinji langsamer und hörte letztlich auf. Tränen der Verzweiflung schimmerten durch seine zugekniffenen Augen, als eine bittere Einsicht die Oberhand über das letzte Fünkchen Hoffnung gewann.

Warum? Warum konnte er ihn nicht einfach vernichten? Warum musste es so kommen?

War das Schicksal letzten Endes doch dazu bestimmt sich selbst zu wiederholen...?

Ein schwaches Geräusch, wie ein Herzschlag, hallte im Entry-Plug

Und Shinji lächelte traurig, als er spürte, wie sich sein Körper im LCL auflöste.

„Hallo, Mutter...“

***

Und während das Berserker-Monster seinen Gegner zerfleischte, um ihn zu töten und seine Reste zu verschlingen, um sich eine Kraft einzuverleiben die über seine eigene weit hinaus ging; während sich eine junge Frau übergab und ihre Kollegen geschockt beobachteten; während zwei Verschwörer über die Konsequenzen dieser Entwicklung nachdachten und während ein anderer Mann weit entfernt scheinbar nur sein Melonenbeet wässerte, weinte eine junges Mädchen leise, wegen eines Verlustes den sie zwar nicht einmal mit ansehen, aber in ihrem Herzen spüren konnte.





***********************************





Kaji seufzte, als er sich auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch fallen ließ. Katsuragi beschwerte sich immer über den ganzen Papierkram, den sie durchsehen musste, aber nur wenige Menschen hätten sich den Berg von Reporten, Akten und Papier vorstellen können, die ein Spion durcharbeiten und beantworten musste – ganz besonders, wenn er für mehr als eine Seite arbeitete. Es war nur so, dass sie es meist vermieden, bis ihr Arbeitsplatz völlig davon eingenommen war.

Trotzdem, er wusste nicht, warum er sich weiterhin damit plagte. Er wusste, dass sein ‚Nebenjob’ aufgeflogen war – oder besser gesagt, nicht länger toleriert wurde, da er bezweifelte, dass Ikari bis jetzt nicht darüber Bescheid wusste. Vielleicht hatte er es von Anfang an gewusst. Und nun, da die Dinge mehr und mehr von seinem Plan abwichen, war sein Geduldsfaden kurz davor zu zerreißen.

Vielleicht war es nur eine Frage von Wochen oder sogar Tagen...

Kajis Augen wanderten zum Computerbildschirm, wo ein kleines Status-Fenster den langsamen Fortschritt zeigte, um die Daten, die er bis dahin sammeln konnte, zu verschlüsseln und zu transferieren. Er war so nah dran, so nah die ganze Wahrheit aufzudecken. Nur ein paar Monate mehr und er wäre in der Lage gewesen, alles zu beweisen, was er herausgefunden hatte. Aber nun schien es bei Katsuragi zu liegen die letzten Puzzleteile zu finden.

Er lächelte traurig bei dem Gedanken an die lila-haarige Schönheit. Es schien, als wäre es gestern gewesen, dass sie sich in dieser Bar getroffen hatten, beide so voll naiver Hoffnungen und Träume.

Wie hieß die Kneipe doch gleich?’, fragte er sich.

Als er seinen Blick wieder über die verstreuten Papiere streifen ließ, in den Gedanken an die Vergangenheit versunken, bemerkte Kaji plötzlich einen Umschlag, halb-versteckt unter den Dokumenten auf seinem Schreibtisch. Es musste wohl zwischen die anderen Papiere gerutscht sein.

[Zu öffnen nach dem 14ten!]

Mehrere Sekunden vergingen, als er neugierig auf den verschlossenen Umschlag starrte. Aber schließlich zuckte er traurig mit den Achseln und warf ihn beiseite.

„Nichts, was ich nicht schon wüsste...“



****************



Rei stand alleine auf der verlassenen Umbilical Brücke. Die Hauptcrew war zu dieser Zeit schon längst zu Hause und die meisten Lichter waren ausgeschaltet, um Energie zu sparen. Aber das menschliche Auge war in der Lage sich der Dunkelheit bis zu einem angemessenen Grad anzupassen und Rei hatte keine Probleme den bandagierten Schädel der Evangelion Einheit vor ihr zu sehen.

Sie war sich nicht sicher, warum sie hierher gekommen war. Ihre Anwesenheit würde die Situation nicht verändern und war auf diesem Gebiet der Wissenschaft absolut unwissend, sodass sie Dr. Akagi und ihrem Team nicht helfen konnte.

Also warum hatte sie mit ihrer täglichen Routine gebrochen?

Wollte sie die Situation mit eigenen Augen sehen? Das war Zweifelhaft; es gab keinen Grund die Auskünfte, die sie von ihren Vorgesetzten hatte, in Frage zu stellen.

Sie war verwirrt.

Und doch, als sie in die grünen Augen des Evangelion starrte, wurde ihr wieder bewusst, dass es diese Verwirrung war, die sie ursprünglich hergeführt hatte. Sie war gekommen, um die Antworten auf die Fragen zu finden, die in ihr wohnten.

Aber der Riese würde nicht antworten.



****************



Hikari schaute von ihrem Tisch zu der sichtbar niedergeschlagenen Schülerin, die gerade ihre Bücher und Zettel in ihre Tasche packte.

Es waren seit dem letzten Angriff schon fast zwei Wochen vergangen, und seit beinahe zwei Wochen war ihre Klassenkameradin in dieser depressiven Verfassung. Anfangs hatte Hikari Asukas Stimmung als Folge des Kampfes abgetan. Es war nicht das erste Mal, dass der Rotschopf für ein paar Tage schlecht drauf war und manchmal – so schien es jedenfalls zunächst – wesentlich schlimmer. Und da sie selbst mit... anderen Dingen beschäftigt gewesen war, hatte sie ihr nicht soviel Aufmerksamkeit geschenkt, wie sie es vielleicht hätte tun sollen.

Aber jetzt wurde es doch immer deutlicher, dass es nicht nur eine temporäre Phase war, wodurch sie das Gefühl bekam etwas unternehmen zu müssen. Getrieben vom Pflichtbewusstsein, und ein paar Schuldgefühlen, weil sie ihre Freundschaft in letzter Zeit vernachlässigt hatte, stand Hikari auf.

„Asuka?“

„Was?“, motzte der angesprochene Rotschopf, ohne aufzublicken während sie das Geschichtsbuch in ihre Schultasche packte.

„Ich habe mich gefragt... äh... ob wir zusammen nach Hause gehen könnten...“

Asuka antwortete nicht direkt; sie starrte nur mit leerem Blick vor sich.

„Ich.. ich gehe heute lieber alleine nach Hause...“, murmelte sie schließlich, bevor sie langsam von ihrem Stuhl aufstand und sich von der Klassensprecherin weg drehte.

Aber Hikari wollte sich nicht die Gelegenheit zum Reden entgehen lassen. Sie machte einen schnellen Schritt auf ihre Freundin zu und legte ihre Hand sanft aber bestimmt auf die Schulter des Rotschopfs.

„Asuka, was ist los? Du wirkst in letzter Zeit so niedergeschlagen.“

Das andere Mädchen drehte sich nicht um. Stattdessen versuchte sie ihre Schulter frei zu bekommen. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst!“

„Komm schon, halt mich nicht zu Narren! Irgendwas stimmt mit dir nicht.“

„Ich hatte nur einen schlechten Tag, ok?“

„Eine schlechte Woche – oder vielmehr zwei – trifft es wohl eher.“ Als sie das sagte, bemerkte Hikari, dass Asukas Blick an einem Tisch nahe der Fenster hing. Ein leichtes Keuchen entwich ihr, als sie ihr klarwurde, wessen Tisch das war. „Ist... ist es wegen Shinji? Er war seit dem letzten Angriff nicht in der Schule... Ist etwas...“

„Er hat mich wieder geschlagen, zufrieden?“ schnauzte Asuka plötzlich. „Er hat mich wie eine Anfängerin aussehen lassen und hat den Ruhm geerntet, der mir zustand!!“ Doch Hikari merkte, dass da noch etwas anderes war hinter dem Zorn, und es kam bei jedem Wort deutlicher zum Vorschein. Ihr letzter Satz kam eher in Schluchzern, als in dem kraftvollen Schrei, mit dem sie begonnen hatte. „Jetzt... jetzt geh schon! Besuch deinen doofen ‚Freund’ im Krankenhaus oder sonstwas!“

Und obwohl Hikari bei diesem Vergleich errötete, war es zweifelhaft, dass ihre Freundin das noch mitbekam, da der Rotschopf bereits von ihr wegrannte.

„Asuka...“



****************



Wo bin ich?

Im Inneren des EVA

EVA?
Ja. Ich erinnere mich jetzt. Ich konnte es nicht vermeiden.

Ich habe wieder versagt...

Du hast dein Bestes gegeben.“

Wofür ist das alles gut? Warum sind wir zurückgekehrt? Wenn wir nichts verändern können, dann war der Preis den wir bezahlt haben zu hoch.

Nicht dass irgendetwas diesen Preis wertgewesen wäre.

Auch kleine Dinge können das Schicksal ändern. Die Macht des menschlichen Verstandes kann alles nach dem Willen richten, wenn er stark genug ist.“

Das Schicksal verändern? War es wirklich das, warum wir zurückgeschickt wurden?

Mir kommt es so vor, als wäre es ein schlechter Scherz des Schicksals. ‚Schickt sie zurück! Löscht alles aus, wofür sie gearbeitet haben, was sie geliebt haben. Nur damit sie immer wieder ihre dunkelsten Zeiten durchleben müssen und nie frei von EVA sind.’

EVA hat dich gefangen?“


Ja.

Aber es liegt an dir zu entscheiden ob du frei sein willst.“

...
Ist das so?



****************



„Ah! Pass auf den Baum auf!“

Überrascht von dem plötzlichen Ruf des Jungen im Rollstuhl, wurde Hikari aus ihren Gedanken gerissen und blieb sofort stehen. Hätte sie nur ein paar Zentimeter weiter geschoben, hätte Tojis bandagiertes Bein schmerzhaften Kontakt mit dem Ast eines Baumes gemacht, der am Wegrand stand.

„Weißt du, mir hat die Idee gefallen aus meinem Zimmer zu kommen und eine Runde im Krankenhauspark zu drehen. Aber ich würde gerne in einem Stück wieder zurück kommen.“, beschwerte sich Toji leicht.

„Entschuldige...“, murmelte Hikari, als sie den Rollstuhl ein wenig zurück zog und nach linksdrehte, um dem Ast auszuweichen.

Sie setzten durch die kleine Grünanlage auf dem Krankenhausgelände fort. Aber obwohl sie weitestgehend alleine waren, konnte sich Hikari nicht dazu bringen, sich auf den Jungen zu konzentrieren, so sehr sie sich auch auf so eine Situation gefreut hatte.

Toji schien auch zu bemerken, dass sie mit den Gedanken woanders war, da er auf einmal fragte: „Worüber denkst du nach?“

„Hm?“, wurde sie aus ihrer Trance gebracht. „Ich... nichts...“

Aber er klangt nicht gerade überzeugt. „Ja, klar! Du versuchst jemand was vorzuspielen, der dich seit fast fünf Jahren kennt. Du bist niemand, der wegen nichts so geistesabwesend durch die Gegend läuft. Also was ist los?“

Hikari seufzte. Sie war nicht daran gewöhnt so durchleuchtet zu werden. Aber sie würde sich sicherlich daran gewöhnen. „Es ist... Asuka...“, gab sie zu.

„Du denkst an Asuka?“, wunderte sich Toji, aber sein verwirrter Gesichtsausdruck verwandelte sich schnell in ein breites Grinsen. „Du denkst so an Asuka...?“

„Du solltest dieses idiotische Hentai-Grinsen lieber nicht auf deinem Gesicht haben, Suzuhara!“, warnte Hikari in scharfem Ton.

„Tut mir Leid, Entschuldigung!“, lachte er. „Also was ist mit dem Rot... äh... Asuka?“

„Ich weiß es nicht“, murmelte das Mädchen. „Das ist ja das Problem. Sie ist seit dem letzten Kampf so distanziert und seitdem ist es nur noch schlimmer geworden. Ich bin nicht sicher aber ich... ich glaube es ist wegen Ikari...“

„Shinji?“, fragte sich Toji laut. „Ist er immer noch nicht zurück in der Schule?“

„Nein...“, flüsterte sie.

Toji versteifte sich merklich. „Du... du denkst doch nicht, dass ihm etwas zugestoßen ist? Oder dass er vielleicht sogar...“

„Ich hoffen nicht“, brachte sie ihn schnell zum schweigen, bevor er es aussprechen konnte. „Aber... es würde ein paar Dinge erklären...“

„Er kann nicht Tot sein!“, schrie Toji fast mit offensichtlich zorniger Stimme. „Sie hätten etwas gesagt! Die hätten ihm ein Staatsbegräbnis ausgerichtet! Zumindest ist es das, was er verdient hätte, falls...“ Er schüttelte seinen Kopf um die negativen Gedanken zu vertreiben, bevor sie ihn überwältigen konnten. „Er macht wahrscheinlich nur ein geheimes Training oder sowas. Der letzte Engel hat ihnen gezeigt, dass sie härter an sich arbeiten müssen. Irgendwas in die Richtung...“

Die Klassensprecherin nickte und lächelte leicht über den Optimismus ihres Freundes.

„Ich würde es nur gerne wissen...“, seufzte sie. „Aber Asuka wird es mir nicht erzählen, und ich bezweifle, dass es bei Ayanami oder sonst jemand von NERV etwas anderes wäre.“

Sie gingen still eine Weile ihren Weg weiter, was für sie beide ein wenig ungewöhnlich war. Es war zwar nicht das erste Mal, dass da eine bedrückende Stille herrschte, aber zum ersten Mal war der Grund dafür nicht die Verlegenheit.

Aber schließlich drehte Toji seinen Kopf zu ihr.

„Naja, da ist ja noch...“



****************



„Kensuke?“

Der Junge mit der Brille der gerade an seinem Tisch saß, mit dem Kopf auf seinen Händen, als er wehmütig aus dem Fenster sah, schaute hoch. Das Essen vor ihm war kaum angerührt.

„Was gibt's Klassensprecherin?“, fragte er das Mädchen vor sich.

Kensuke sah aus als hätte er ein etwas von seinem Schwung verloren, seit dem Tag, an dem er endlich Toji besuchen durfte. Hikari wusste nicht genau, was zwischen den beiden vorgefallen war, aber scheinbar hatte Kensuke wohl letztlich eingesehen, dass das steuern der EVAs eine Menge Gefahren mit sich bringt, nachdem er seinen Freund im Krankenhaus gesehen und realisiert hatte, dass es sehr viel schlimmer hätte ausgehen können. Aber natürlich ist es nicht einfach einen lang gehegten Traum aufzugeben. Wenn wenigstens seine besten Freunde da wären um ihn aufzuheitern aber es würde noch Wochen dauern, bis Toji wieder ganz gesund ist und Shinji...

Hikari schaute den Jungen ein wenig mitleidig an. Wenn auch seine Depression, falls man das überhaupt so nennen kann, nicht so schlimm war wie Asukas, war es ein elender Anblick. Glücklicherweise war es nichts, was man nicht mit einer kleinen Ablenkung geheilt werden konnte. Und vielleicht war der Auftrag, den sie für ihn hatte genau das Richtige, um seinen Elan wiederzubringen.

„Weißt du, Asuka schein in letzter Zeit ein bisschen abwesend...“, begann sie und versuchte dabei lässig zu klingen.

Er ging nicht wirklich darauf ein, aber alleine den Rotschopf zu erwähnen brachte ihn aus seinem depressiven Zustand. „Und...?“

Angesichts des misstrauischen Ausdrucks in seinen Augen, entschied sie die Spielchen zu lassen und zum Punkt zu kommen. „Du musst rausfinden, was mit ihr nicht stimmt!“ befahl sie schlicht.

„Was?“, schrie Kensuke ungläubig. „Warum sollte ich?“

„Weil du der am besten geeignetste für den Job bist“, erklärte Hikari. „Es muss etwas mit dem letzten Angriff der Engel und Ikaris Verschwinden zu tun haben. Bist du nicht interessiert an all dem?“

„Natürlich bin ich das. Aber was macht mich zum ,am besten geeigneten für den Job’?“

„Nun, jeder weiß, dass du dieses Hacker- und Spion-Zeug magst, das heißt du könntest was rausfinden...“

„Eigentlich steh ich auf Militär-‚Zeug’...“, warf er ein, aber Hikari kümmerte das nicht und fuhr fort.

„... Und da sie nicht mit mir reden will, wegen T... ich meine, und Toji im Krankenhaus ist und Ikari Gott-weiß-wo, bist du das, was im Moment für sie, was einem Freund am nächsten kommt.“

„Ein Freund? Sie würde mich nicht mal kennen, wenn ich nicht mit Shinji rumhängen würde. Nicht, dass das unbedingt eine schlechte Sache wäre...“, murmelte der Junge, während er sich die Wange rieb. Er konnte noch immer all die blauen Flecken spüren, die der ‚Teufel’ ihm verpasst hatte.

„Kensuke!“, knurrte Hikari verärgert aber Kensuke schien diesmal davon nicht eingeschüchtert zu sein.

„Was? Du bist vielleicht die Klassensprecherin, aber das liegt außerhalb deiner Verantwortung. Du kannst mir nicht vorschreiben, sowas wie das zu tun.“

„Aber...“ Das brünette Mädchen fing an nervös zu werden. Wenn er ihr nicht helfen würde, wer...?

„Ich werde mit ihr reden“, unterbrach sie eine ruhige Stimme plötzlich und erschreckte beide.

„Ayanami?“, wunderte sich Hikari laut als sie ihre blauhaarige Klassenkameradin ein wenig ungläubig ansah. „D-du willst ihr helfen? Ich dachte ihr kommt nicht gut miteinander aus?

Rei antwortete nicht sofort. Entgegen ihrem sonstigen Verhalten, wendete sie ihren Blick ein wenig ab und ein leichtes Stirnrunzeln war auf ihrem Gesicht zu erkennen.

„Ich... bin neugierig... bezüglich Soryus Gefühlen“, versuchte sie schließlich ihre Gedanken in Worte zu fassen. „Sie scheint in diesem depressiven Zustand} zu sein seit Ikaris Verschwinden...“

„Ikari?“, unterbrach Kensuke, der auf einmal von der Neugier gepackt war. „Weißt du etwas über Shinji, wo er ist?“

„Ich bin nicht befugt darüber zu reden.“ Sie drehte ihren Kopf, um ihn anzusehen. „Aber solange du keine Angst hast mit den möglichen Konsequenzen konfrontiert zu werden, glaube ich, dass dein... ‚Hacker- und Spion-Zeug’ dir die Antworten bringen könnte, wenn du sie so verzweifelt suchst.“

Als das gesagt war, drehte sie sich um und verließ das Klassenzimmer.

„Ich sagte ich mag lieber Militär...“



****************



„Irgendwelche Neuigkeiten?“, fragte Misato zum scheinbar hundertsten Mal in den letzten Wochen.

„Wir arbeiten dran...“, war die Antwort, die sie bekam, wie immer.

Ja, sie waren am Arbeiten, soviel konnte Misato sehen. Der Raum, den sie benutzten, wenn sie nicht in der Kommando Zentrale oder im Eva-Cage, direkt an Einheit-01 arbeiteten, war voll mit einer ein paar Technikern unter der Leitung von Ritsuko und Maya. Alle tippten, simulierten oder suchten Informationen auf ihren Magi-Terminals. Jedes Mal wenn sie dorthin kam, hatte sie den Eindruck, dass sich keiner bewegt hätte.

Sie hasste diesen Anblick. Es war nicht so, dass sie sie beneidet hätte unter diesen Umständen zu arbeiten, aber sie fühlte sich deshalb so nutzlos. Alles was sie machen konnte, um zu helfen, war ihrer Freundin hin und wieder Kaffee zu bringen.

„Bereust du es wieder, dass du die Bio-Informatik Vorlesung hast ausfallen lassen?“ Ritsukos unerwartete Frage brachte sie in die Realität zurück.

Misato stöhnte. „Du weißt das hätte nicht viel genutzt... Ich wäre sowieso durchgefallen...“, murrte sie leise. „Also, wie fühlst du dich?“

„Könnte ein wenig Schlaf vertragen. Kaffee hält dich nicht für immer wach.“ Der Doktor stoppte mit dem Tippen und rieb sich müde das Genick, bevor sie sich auf ihrem Stuhl umdrehte und die angebotene Tasse nahm.“Was ist mit dir?“

„Ich wünschte ich könnte sagen ‚Mir geht’s gut’, obwohl ich muss sagen, dass es sich schon viel besser anfühlt, ohne die Schlinge...“, brummte Misato und bewegte ihren linken Arm ein wenig. Es war nur wenige Stunden her, dass sie die letzte Kontrolle bei Dr. Kanegawa hinter sich hatte und das letzte Andenken an den 13ten Engel entfernt worden war.

Geistig etwas abwesend steckte sie ihre Hände in die kleinen Taschen ihrer Jacke. Etwas, wozu sie lange nicht in der Lage war. Sie war umso verwunderter, als sie mit ihrer so lange unbenutzten linken Hand ein zusammengeknülltes Stück Papier berührte. Es war wahrscheinlich nur eine alte Quittung oder ein Einkaufszettel, den sie vergessen hatte wegzuwerfen, aber ihre Neugier gewann schnell die Oberhand.

Als sie das Papier auffaltete sah es nur wie eine Art Notiz aus. Aber kurz darauf, begann sie mit der Stirn zu runzeln, als sie die Zeilen las.

[Ich hoffe du liest das hier vor dem Synch-Test des Fourth Children mit EVA-03. Ein Engel hat die Kontrolle über den EVA übernommen. Aktiviere ihn nicht, bis bestätigt wird, dass alles sicher ist! Halt dich von ihm fern!

Ein Freund]

„Was ist das?“

Misato drehte sich nicht einmal um, um dem Doktor zu antworten.

„Nichts – Ich muss... nur sofort los...“, murmelte sie hastig und stürmte zum Ausgang.

Ritsuko beobachtete sie argwöhnisch, als sie ging. „Nichts, also?“



****************



Asuka war aus der Schule geeilt, sobald die Schulglocke das Ende des Unterrichts verkündet hatte. Sie konnte nicht länger dort bleiben als nötig, nicht mit all den fragenden Blicken die auf sie gerichtet waren und besonders, da Hikari anfing misstrauisch zu werden. Asuka hatte keine Ahnung, wie lange es noch dauern würde, bis sie unter dem mentalen Druck nachgeben und aus Versehen alles erzählen würde, wenn das noch lange so weiter ginge.

Sie hatte die Hälfte des Heimwegs in Rekordzeit hinter sich gebracht, aber von ihr unbemerkt hatte es jemand geschafft sie einzuholen.

„Soryu?“

Ungeachtet ihres anfänglichen Schocks, blieb Asuka weder stehen noch wurde sie langsamer als sie die ruhige Stimme hinter sich hörte.

„Was willst du?“ Die Antwort war bei weitem nicht so kraftvoll wie sie eigentlich sein sollte. Ein Außenstehender hätte nicht einmal gehört, dass es zwei verschiedene Leute waren, die gesprochen hatten.

„Ich wurde darum geben, mit dir zu reden.“

„Und über was willst du mit mir reden?“ Diesmal war ein bisschen mehr Kraft hinter der Antwort.

„Ich habe mich gefragt...“, sie verstummte, als wäre sie sich nicht sicher, wie sie ihre Gedanken in Worte fassen sollte. Das war sogar noch ungewöhnlicher für sie – es kam schon selten genug vor, dass sie eine Unterhaltung anfing, aber wenn sie es tat, dann wusste sie genau, was sie sagen wollte. „Was... fühlst du wegen Ikaris Situation?“

Das Second Children blieb plötzlich stehen. Sie stand für einen Augenblick still da, dann beeilte sie sich weiter zu kommen. „Seit wann kümmerst du dich um das, was andere denken? Angst, dass sich jemand für deinen kostbaren Shinji interessiert?“

„Das war nicht meine Frage“, antwortete Rei ruhig und lief langsam hinter ihr her. „Ich möchte nur wissen, was ich fühlen soll.“

Wieder blieb Asuka stehen. Dieses mal drehte sie jedoch ihren Kopf weit genug um ihre ungebetene Begleitung anzusehen. „Wo... wovon zum Teufel sprichst du?“

„Diese... Gefühle... ich verstehe sie nicht... wie ich darauf reagieren soll... weil ich mich nicht daran erinnern kann schon einmal so gefühlt zu haben. Ist die Art wie du damit umgehst die richtige in dieser Situation?“ Rei verstummte und erwartete eine Antwort. Aber die einzige Antwort, die sie von Asuka bekam war der verstörte Ausdruck auf ihrem Gesicht. „Ikari hat mir einmal gesagt, dass ich in Situationen, in denen ich glücklich bin, lächeln soll. Aber wie soll ich mich jetzt verhalten, da ein für mich wichtiger Mensch fort ist?“

„Du...“ Asuka schaute sie fast geschockt an aber drehte sich schnell wieder von ihr weg. „Woher soll ich das wissen?!“

„Ich verstehe“, flüsterte das blau-haarige Mädchen, bevor sie leicht nickte. „Ich werde dich nicht länger belästigen.“ Damit drehte sich Rei um und ging die Straße in die entgegengesetzte Richtung hinunter, ohne zu bemerken, dass der Rotschopf ihre weggehende Gestalt betrachtete.

„Weine, wenn du traurig bist. Lach, wenn du glücklich bist...“, murmelte Asuka und schaute auf den Weg, der vor ihr lag. „Wer bin ich, ein Versprechen einzufordern, das ich selbst nicht halten kann?“



****************



Misato verlor keine Zeit nach Hause zu kommen. Sie wollte das seltsame Gefühl, das sie hatte, so schnell wie möglich los werden, in der Hoffnung, dass sie mit ihrem Verdacht falsch lag. Es gab schon genug Geheimnisse bei NERV. Sie wollte und brauchte sie nicht auch noch zu Hause.

Als sie ihr Appartement betrat, wurde sie mit einer Stille begrüßt.

„Ich bin zuhause!“

Nichts. Sollte Asuka nicht schon zu Hause sein?

Andererseits, sie hatte in den letzten Wochen auch von ihrem zweiten Schützling weder viel gehört noch gesehen. Deshalb schob sie den Gedanken beiseite und ging direkt in Shinjis Zimmer, wo sie hoffte den Grund zu finden, der es wert war, dass sie mehr Verkehrsregeln gebrochen hatte als normal, nur um so schnell wie möglich nach Hause zu kommen.

Das Zimmer war so wie er es verlassen hatte. Und er verließ es immer perfekt aufgeräumt, so dass sie sich fragte, ob sie ihn deshalb bewundern oder darüber beunruhigt sein sollte. Der einzige Unterschied war die dünne Staubschicht, die auf den Möbeln lag.

Aber sie war nicht hier, um an ihn erinnert zu werden und sich den Kopf zu zerbrechen, ob das Zimmer so bleiben würde. Genauso wenig war sie hier, um sich schuldig zu fühlen, dass sie ihm die Verantwortung für das Putzen der Wohnung nicht abgenommen hatte, nichtmal nachdem er verschwunden war. Sie ging zu seinem Schreibtisch und öffnete die Schublade. Sie brauchte nicht lange um das zwischen seinen Schulbüchern zu finden, wonach sie suchte.

Als sie den zerknüllten Zettel herausholte und ihn mit dem geöffneten Notizblock verglich, bestand kein Zweifel mehr.

Aber anstatt sie zu beruhigen, warf diese Entdeckung nur noch mehr Fragen in ihrem Kopf auf. Vielleicht war es nur gut geraten gewesen. Vielleicht hatte er irgendwie herausgefunden, wer das Fourth Children ist und wollte nur nicht, dass das Leben seines Freundes in Gefahr geriet. Aber was wenn nicht? Woher hätte er das wissen können? Traurigerweise hatte der einzige, der Antworten auf ihre Fragen hätte, diese mit in den EVA genommen.

Es sei denn...’ Ihr Blick schweifte aus der Tür in den Flur.

Möglicherweise hatte er sein Geheimnis doch jemandem anvertraut. Sie könnte seine Freunde fragen. Vielleicht wussten sie etwas darüber. Vielleicht war es nicht einmal seine Idee gewesen und er war dazu gedrängt oder sogar gezwungen worden, was bedeuten würde, dass es noch mehr Leute gab, die diese Sache vor ihr verheimlichten. Und in diesem Fall, war es möglich, dass sie nicht sehr weit suchen musste, sollte ein bestimmter Rotschopf schon die Antworten kennen, die sie brauchte.

Sicher, es schien nicht gerade so, dass Asuka irgendwas unternehmen würde, um einen Kampf mit einem Engel zu vermeiden, aber ohne alle Fakten zu kennen, gab es keine Möglichkeit die genauen Gründe hinter alledem zu erraten. Und Misato war nun begierig genug, um die Antworten auf dieses Rätsel zu finden, dass sie allen noch so unbedeutenden Spuren nachgehen würde, einer nach der anderen.

Aber als Misato vor dem Zimmer des Rotschopfes stand, verharrte ihre Hand in der Luft, als sie gerade klopfen wollte. Ein schwaches Geräusch, fast wie ein Wimmern, kam aus dem Raum. Leise öffnete sie die Tür.

„Asuka...!“ Die zusammengekauerte Figur auf dem Bett drehte sich schlagartig weg als Misato ihre Anwesenheit offenbarte. „Wei... weinst du?“

„Natürlich nicht!“

„Du konntest mal überzeugender lügen“, erinnerte Misato. Die nassen Streifen auf den Wangen des Kindes waren deutlich zu sehen, sogar in dem dunklen Zimmer. „Also, was stimmt nicht?“

„Es ist nichts!“, Asuka versuchte zu knurren und wich zurück als ihr Vormund näher kam. Aber ihre versagende Stimme verriet sie. „Was kümmert es mich, wenn b-baka Shinji eine Synch-Rate hat, die ich nie erreichen werde!“

„Oh, also bist du nur wegen seiner Synch-Rate so niedergeschlagen?“, grübelte Misato fast neckisch während sie sich neben das Mädchen auf das Bett setzte.

„Was... was sollte es sonst sein?“, murmelte Asuka so leise, dass es kaum zu hören war.

Misato seufzte, aber innerlich beschloss sie ihre Chance zu nutzen. „Dann schätze ich, es macht dir nichts aus, mir das zu erklären?“, fragte sie als sie den zerknüllten Zettel entfaltete und ihn den Rotschopf unter die Nase hielt.

Für einen Moment weiteten sich Asukas Augen als sie auf die Notiz starrte. Danach schien sie sich nicht mehr darum zu sorgen ihren Kummer zu verstecken, denn die Tränen liefen ihr nun frei über die Wangen.

„Dieser... dieser baka...“, brummte sie, ihr Mund zeigte ein schwaches Lächeln. „Ich hab ihm gesagt, dass er es nicht mit der Hand schreiben soll...“

Misato betrachtete für eine Sekunde den schluchzenden Rotschopf. Das erschien so untypisch für das sonst so stolze und feurige Second Children. Es war fast schmerzlich sie so zu sehen. Ein Anflug von Schuldgefühlen unterwanderten ihr Gewissen, die ihr den Wunsch vermittelten es dabei zu belassen und einfach zu gehen. Aber sie blieb ruhig. „Also weißt du etwas darüber...“, konfrontierte sie schließlich ihren Schützling mit dem, was sie daraus gefolgert hatte.

Asuka nickte nur leicht, aber konnte sich nicht überwinden ihrem Vormund dabei in die Augen zu sehen.

„Also was...?“

„Ich kann’s dir nicht sagen“, schnitt ihr das schniefende Kind das Wort ab und versuchte die Tränen mit den Händen zu trocknen. „Das... das war auch seine Entscheidung. Ich kann es dir nicht sagen. Zu... Zumindest, bis er wieder da ist.“

Misatos erster Gedanke war offen dagegen zu protestieren, aber sie schaffte es die unpassende Bemerkung in Anbetracht der Situation hinunter zu schlucken. Aber so sehr sie sich wünschte es leugnen zu können, brachte dieser Gedanke eine andere Angst in ihr hoch. „Du weißt, dass die Chancen nicht sehr gut stehen“, sagte sie leise. „Er könnte...“

„Nein!“, fuhr sie Asuka plötzlich an. „Er wird zurückkommen! Er ist zuvor auch zurückgekommen!“ Die Tränen kamen wieder, als sie auf ihr Bett sackte. „Er... muss einfach...“



****************



Es war beinahe 2:00 Uhr morgens, aber in einem Raum des Aida Haushalts brannte noch Licht.

Kensuke gähnte und rieb seine müden Augen. Das Licht des Monitors schien ihm im Moment schon fast zu hell.

Warum mühte er sich überhaupt damit ab? Es war definitiv nicht für Asuka, nicht für Hikari und auch nicht für Toji. Sicher war Shinji sein Freund und er konnte nicht leugnen, dass er neugierig war, was mit den EVA-Piloten, den er so lange bewundert hatte, passiert war. Aber durch die jüngsten Vorfälle war sich Kensuke nicht mehr sicher, ob sein Ziel EVA-Pilot zu werden, so erstrebenswert war, wie er immer gedacht hatte. Obwohl er Zeuge von Shinjis Schmerz im dessen zweiten Kampf gegen die Engel war, hatte er versucht darüber hinweg zu sehen, solange er nur die Chance hätte so einen Mecha zu steuern.

Also warum versuchte er in eines der sichersten Computer-Systeme einzudringen, ohne überhaupt zu wissen wie?

Verbindung zu MAGI-Terminal X-53 verweigert!

Stöhnend klickte er die Meldung zum zwanzigsten Mal weg und fuhr seinen Rechner runter.

Wer hat überhaupt diese „Kensuke ist ein Freak, der kann gut mit Computern umgehen“-Gerüchte verbreitet...?



****************



Am nächsten Morgen blieb Asuka einen Moment länger im Bett als gewöhnlich. Der Wecker klingelte zur selben Zeit wie immer, aber Asuka drückte nur den Sleep-Knopf in ihrem Halbschlaf. Sie fühlte sich nicht in der Lage heute jemandem unter die Augen zu treten, nicht nachdem ihr gestern so viel raus gerutscht war.

Und besonders nicht Misato. Ihr Vormund hatte sich zurückgehalten am vorigen Abend weitere Fragen zu stellen, aber Asuka war sich sicher, dass sie es nicht dabei belassen würde. Sobald sie sich begegnen würden, könnte sie sich höchstwahrscheinlich auf unangenehme Fragen gefasst machen, die äußerst peinlich zu beantworten wären.

Es war nicht ungewöhnlich, dass sich die beiden am morgen nicht trafen, wenn der Major Zeit hatte länger zu schlafen, bevor sie zur Arbeit musste. Also war es vielleicht möglich, dass es ihr nicht auffallen würde, wenn Asuka leise in ihrem Zimmer geblieben wäre anstatt in die Schule zu gehen.

Aber gerade als der Wecker zum fünften Mal klingelte und Asuka kurz davor war ihn gegen de Wand zu werfen, zwang sie ein recht natürlicher Drang doch aufzustehen.

Als sie ihr ‚Geschäft’ erledigt hatte, entschied sie sich, dass sie genauso gut auch aufbleiben könnte und etwas gegen das aufkommende Hungergefühl zu unternehmen. Nicht, dass sie großen Appetit hatte, aber sie wusste nur zu gut, dass sie die Bedürfnisse ihres Magens nicht für immer ignorieren konnte. Und wenn sie schnell genug war, schaffte sie es vielleicht auch in ihr Zimmer zurück, ohne dass Misato es bemerken würde.

Als sie die Küche betrat, sah sie wie PenPen hungrig in seinen leeren Napf sah. Auf ihrem Gang zum Kühlschrank entwich ihr ein leichter Seufzer. Sie nahm ein paar Zutaten für ihr Frühstück und eine Dose Tunfisch für den hungernden Pinguin.

Nachdem sie den Vogel gefüttert hatte, leise über das laute Geräusch des Dosenöffners fluchend, schob sie zwei Scheiben Brot in den Toaster und füllte den Wasserbehälter der Kaffeemaschine.

„Mach mir auch einen.“

„Hättest du das nicht vorher...?“, sie stoppte mitten im Satz und ließ beinahe die Kanne mit Wasser vor Überraschung fallen, als ihr bewusst wurde, dass sie erwischt worden war.

„Stimmt was nicht?“, fragte Misato gelassen als sie sich an den Tisch setzte. Sie trug noch immer ihr knappes Top und die Shorts, die als Nachthemd fungierten.

„Äh... nein...“, erwiderte Asuka kleinlaut.

Sie bemerkte kaum wie sie sich leicht auf die Unterlippe biss, während sie wartete bis der Kaffee gebrüht war. In dieser Zeit warf der Rotschopf ihrem Vormund, der angefangen hatte die Zeitung zu lesen, einige beunruhigte Blicke zu.

„Kein Bier heute?“, fragte sie schließlich und versuchte dabei so gelassen zu klingen, wie Misato zu sein schien. ‚Als ob gestern nichts passiert wäre...

„Ich würde ja gerne, aber ich habe gestern die letzte Dose getrunken."

Sie schwiegen sich wieder an. Beide wussten, dass kein Bier mehr im Haus war, weil Misato vergessen hatte, dass Shinji nicht wie gewöhnlich Einkaufen ging.

Für einige Minuten waren die einzigen Geräusche, der tropfende Klang der Kaffeemaschine und das gelegentliche Rascheln der Zeitung.

Nach einigen Augenblicken endete diese – zumindest für Asuka – unbehaglichen Stille durch die Meldung der Maschine, dass sie fertig war und sich selbst abschaltete.

Misato gab ein lässiges „Danke“ von sich, als Asuka ihr eine der gerade gefüllten Tassen auf den Tisch stellte. Der Rotschopf setzte sich auf der anderen Seite des Tisches und nippte an ihrer eigenen. Ein kleines Grinsen war auf dem Gesicht des Majors zu erkennen als sie ihre Tasse abstellte, nachdem sie einen kleinen Schluck genommen hatte.

„Also... ihr zwei seid verliebt, hmm?“

Nicht wirklich von dieser ‚plötzlichen’ Frage überrascht, nickte Asuka zögerlich.

„Was ernstes?“

Der Rotschopf erlaubte sich ein leichtes Grinsen. „Ich danke man könnte es so sagen...“

„Wie lange schon?“

Ihr Grinsen wurde ein bisschen breiter. „Eine Weile...“

„Und wie ernst?“, Misato hob misstrauisch eine Augenbraue.

„Ziemlich...“, sagte Asuka grinsend.

So ernst?“

„Vielleicht...“

Sie konnte sich ein leises Lachen beim Anblick des verblüfften Gesichtsausdrucks ihres Vormunds nicht verkneifen. Doch so sehr sie diesen Moment der gelegentlichen Vertrautheit auch schätzen wollte, wusste sie nur zu gut, dass er nicht sehr lange andauern würde.



****************



„Ich bin zuhause!“, rief Kensuke im Flur, als er von der Schule nach Hause gekommen war, obwohl er nicht wirklich mit einer Antwort rechnete. Für gewöhnlich war er alleine, wenn er um diese Zeit Heim kam.

Er war umso überraschter, als ihn eine lallende Stimme zurück grüßte. „Willkomm' daheim Kens’ke...“

Als er der Stimme ins Wohnzimmer folgte, fand er dort seinen Vater, der ein wenig unbeholfen aufstand und auf ihn zu wankte. Kensuke bemerkte nebenbei ein paar leere Flaschen herumliegen und den heftigen Alkoholgeruch in dem schwach beleuchteten Raum.

„Bist du wieder betrunken?“, fragte er eher rhetorisch und wich einen bisschen angewidert vor der Alkohol-Fahne seines Vaters zurück. Obwohl er nicht regelmäßig trank, vielleicht einmal in zwei oder drei Monaten, neigte er es zu übertreiben, wenn er es tat.

„Oh mein Sohn, eines Tages wirst du dieses Gefühl der Unempfindlichkeit zu schätzen wissen die es vermitteln kann, wenn du nach einem stressigen Tag in dein verlassenes Zuhause kommst und alles was du tun kannst ist auf deinen einzigen Sohn zu warten, der auch noch dein einziges verbliebene Familienmitglied ist.“ Plötzlich umarmte der größere Mann seinen Sohn fest. „Es tut mit Leid! Ich wollte nicht... Ich liebe dich, mein Kensuke...“

„Ich weiß, Papa...“, Kensuke verdrehte die Augen bei dieser nur zu bekannten Prozedur seit dem überraschenden Tod seiner Mutter, Jahre zuvor. Er konnte sich nicht wirklich an sie erinnern. Es war für ihn völlig normal nur mit seinem Vater aufzuwachsen, der sein Bestes tat um für ihn beides zu sein. So war es, so sehr er es auch wollte, schwer für Kensuke seinem Vater die tiefe Trauer um seine Mutter nachzuempfinden. Besonders, wenn er dann und wann die Kontrolle über seinen Alkohol Konsum verlor.

Kensuke streckte dem betrunkenen Mann seine Hand entgegen. „Komm, ich bring dich ins Bett...“

„Dummes Zeug! Ich bin noch hell wach!“, protestierte sein Vater, bevor er fast auf den Boden fiel.

„Ja klar... Komm schon. Du musst morgen arbeiten.“

„Ach! Wir haben nich' viel zu tun, solange sie damit beschäftigt sind, das Kind aus dem EVA raus zu bekommen...“

Kensukes Augen weiteten sich. Für einen Moment starrte er seinen Vater ausdruckslos an.
Er wollte diese ‚Quelle’ eigentlich nicht mehr benutzen und riskieren, besonders da seine Versuche Pilot zu werden offensichtlich nutzlos waren.

Oh... aber– nur dieses mal noch...’, dachte er und schüttelte seinen Kopf. ‚Aber das heißt nicht, dass ich spionieren jetzt besser finde.’

Er atmete tief ein, als müsste er sich überzeugen seine Neugier wieder einmal gewinnen zu lassen. Er öffnete seinen Mund.

„Welches Kind...?“



****************



„Er ist gefangen.“

Hikari blinzelte verwundert über Kensukes überaus knappe Antwort für den Grund weshalb er mit ihr reden wollte. „Wer?“

„Shinji, natürlich“, seufzte Kensuke, als er sich weiter über seinen Tisch beugte und seine Erklärung mit einem verschwörerischen Flüstern weiter ausführte. „Er ist irgendwie in seinem EVA gefangen und sie wissen nicht, ob sie ihn überhaupt da raus kriegen.“

Die Klassensprecherin schnappte geschockt nach Luft. „Er- er könnte vielleicht nie wieder zurück kommen?“

Kensuke schüttelte den Kopf. „Sie sind sich nicht einmal sicher, ob er noch lebt...“

„Oh mein Gott...“, ihr Blick fiel auf den Rotschopf, der nur ein paar Reihen weiter weg an ihrem Tisch saß und abwesend auf den Knöpfen der Tastatur ihres Laptops tippte. „Du meinst, das ist der Grund warum sie sich neuerdings so verhält?“

„Pfft, sicher...“, knurrte Kensuke ablehnend. „Ich wette sie wurde nur vom diesem Engel besiegt und jetzt leckt sie die Wunden an ihrem überschätzten Ego.“

„Ich weiß nicht... ich bin nicht sicher ob sie dann so empfindlich reagieren würde, schon bei der bloßen Erwähnung von Shinji.“

„Du meinst, sie ist sonst nicht empfindlich?“

„Nicht so wie jetzt“, murmelte Hikari traurig, als sie ihre Freundin betrachtete. „Es sieht so aus als hätte sie den Teil von sich Verloren, der ihr Stabilität gibt.“

„Und dieser Teil war Shinji? Du klingst, als hätte sie was für ihn übrig.“, dachte Kensuke laut und ungläubig. „Um ehrlich zu sein ist sie mir unausgeglichen lieber als ‚stabil’ auf der dunklen Seite.“

Hikari verdrehte die Augen. ‚Jungs...’, seufzte sie innerlich. Es war schon schwer genug Toji davon abzuhalten schlecht von ihrer Freundin zu reden, aber allen Zweiflern zu versuchen die wahre Asuka hinter dem hitzigen äußeren zu zeigen war genauso vergeblich, wie ihnen die einfachsten Dinge einer Romanze zu erklären – besonders, da sie nichtmal sicher war, dass sie selbst die wahre Asuka sehen konnte.

„Naja... Danke jedenfalls...“

„Ach... war ’ne Kleinigkeit...“, sagte er übertrieben prahlend und winkte spielerisch ab.

Hikari lächelte. Zumindest hatte sie es geschafft, die Stimmung einer ihrer Freunde zu heben. Aber jetzt hatte sie ein ernsteres Problem zu bewältigen und sie hatte genug darüber gehört, um etwas zu unternehmen. Sie würde ihre Freundin mit ihren neuen Erkenntnissen konfrontieren und würde sich diesmal nicht so leicht abwimmeln lassen.

„Asuka!“

Die einzige Reaktion, die das angesprochene Mädchen gab, war die leichte Bewegung ihrer Augen in Richtung ihrer Klassenkameradin.

„Können wir zusammen nach Hause gehen? Ich müsste mal mit dir reden. Es ist... wichtig.“

Asuka antwortete nicht sofort. Zu Hikaris Überraschung, versuchte sie ein Lächeln zu erzwingen, bevor sie es aufgab und ihren Blick wieder auf den Monitor vor sich richtete. „Sicher...“



****************



„Also worum geht es Hikari?“, brummelte Asuka halbherzig, ihren Blick weiter starr auf die Stadt vor ihr gerichtet.

Nur wenige Wochen zuvor hatten sie am selben Platz gesessen, zur selben Zeit – und doch war die nun Situation eine ganz andere, so dass sie sich mit jeder Sekunde in der die Sonne unterging unwohler fühlte.

„Warum hast du mir nichts erzählt?“, erwiderte das Mädchen neben ihr vorwurfsvoll. „Sind das nicht genau die Dinge, mit der besten Freundin geteilt werden müssen?“

Hikaris strenger Tonfall überraschte Asuka genug, dass sie sie schließlich ansah. „Wovon sprichst du?“

„Deine Gefühle für Shinji! Und versuch nicht mal das abzustreiten! Ich hätte es schon vorher ahnen müssen, aber seit seinem Verschwinden ist es noch offensichtlicher geworden.“

Asukas Augen weiteten sich bei der plötzlichen Enthüllung und sie erstarrte für eine Sekunde, doch dann ließ sie die Schultern mit einem Seufzen hängen und ein schwaches Lächeln erweichte ihre Gesichtszüge. „Entweder färbt was von Suzuhara auf dich ab, oder ich hab dich noch nie im beängstigenden ‚Klassensprecher-Modus’ gesehen...“, grummelte sie leise lachend. „Ich bin wohl als Schauspielerin nicht so gut wie ich es gerne wäre...“

Das brünette Mädchen kicherte ein wenig, aber es war nicht ersichtlich, ob es wegen dem ersten oder zweiten Teil von Asukas Aussage war. „Nun, du hast dein bestes gegeben, das kann ich dir versichern. Wenn ihr euch gestritten habt, hab ich mich öfters mal gefragt, ob du ihn als nächstes küssen oder töten wirst,“ entgegnete sie mit einem Lächeln, das aber sofort wieder verschwunden war. „Ich bin nur ein bisschen enttäuscht. Ich hatte gedacht, dass du mir genug vertraust, um es mir zu erzählen. Dafür sind Freunde doch da, oder?“

„Oh, Hikari, wenn du nur wüsstest“, seufzte Asuka, als sie ihren Blick über die Gebäude wandern ließ, die in das orangene Licht der untergehenden Sonne getaucht waren. „Aber... das ist nicht so einfach wie in einen süßen Filmstar verknallt zu sein...“

„Also ist es schon ‚das große L’?“, fragte Hikari grinsend, und konnte sich kaum zurückhalten ihre Freundin neckisch zu stupsen.

„‚Das große...’?“ Asuka blinzelte verwirrt, als sie aus ihren Gedanken gerissen wurde, aber dann kroch ein verlegenes Grinsen auf ihre Lippen. „Ja, ich denke man kann es so nennen...“

„As-Asuka?!“. Stammelte Hikari perplex. Das war sicherlich nicht die Antwort, die sie erwartet hatte. „Mei... meinst du das ernst?“

Das Lächeln verschwand nicht aus Asukas Gesicht, als sie ihre Hand auf die Schulter ihrer Freundin legte und ihr tief in die Augen sah. „Ja, Hikari, ich meine das ernst! Ich liebe Shinji Ikari!“, verkündete sie mit aller Aufrichtigkeit, die sie ausdrücken konnte, und sie spürte, wie ihr eine schwere Bürde von den Schulter genommen wurde. „Und es tut mir Leid, falls ich dich dazu gebracht habe, dass du anders denkst, aber ich vertraue dir! Und... als meine Freundin... vertraue ich dir, dass du das für dich behältst!“

„Aber...“

„Erzähl niemand davon! Keinem von unseren Klassenkammeraden. Nicht deinen Schwestern. Und vor allem nicht Toji. Bitte...“

Hikari antwortete nur mit einem freundlichen Lächeln als sie schließlich nachgab und zustimmend nickte. „Dafür sind Freunde doch da, richtig?“

Asuka konnte nichts sagen, alles was angebracht wäre schien ihrem Geist zu entfleuchen. Alles was sie tun konnte war das Nicken und die Umarmung in die sie gezogen wurde zu erwidern.

Hikari war vielleicht nicht in der Lage alle ihre Schmerzen zu lindern. Aber Asuka wusste nun, dass ihre Freundin für sie da wäre.





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Es ist Zeit.
Ich kann hören wie sie mich rufen.
Ich muss gehen.

Du weißt, du musst nicht.“

Vielleicht nicht...

Aber ich will es tun.



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Asuka beobachtete die letzten Vorbereitungen an Einheit-01 von einem Gang oberhalb des gebändigten EVAs aus. Es war zweifelhaft, dass sie jemand dort bemerken würde, außer wenn sie wirklich darauf geachtet hätten. Aber da sie alle sehr beschäftigt waren, schien das nicht wahrscheinlich zu sein. Asuka selbst hatte hingegen freie Sicht auf Ereignisse, die sich unter ihr abspielten. Das aber nahm ihr nicht im Geringsten die Nervosität, die sie im Inneren fühlte.

Demzufolge war es nicht verwunderlich, dass sie ein wenig zusammen zuckte, als auf einmal jemand neben sie trat.

„Du musst dir keine Sorgen machen. Dr. Akagi, Leutnant Ibuki und ihre Mitarbeiter sind für diese Aufgabe hervorragend qualifiziert.“

Ungeachtet ihres anfänglichen Schocks, weil sie von der blau-haarigen Pilotin ertappt wurde, setzte Asuka schnell wieder ihre unbekümmerte Fassade auf und wandte mit einem verdrießlichen Blick ihre Aufmerksamkeit wieder dem EVA Cage zu. „Wer sagt denn, dass ich hier bin um zu sehen ob es diesem Idioten gut geht? Ich... hab nur grade nix besseres zu tun.“

Rei antwortete nicht. Nicht, dass es unerwartet war, aber ihre Schweigsamkeit führte oft dazu, dass diese unangenehme Stille herrschte. Sie ging einfach mit ein paar Schritten näher auf Asuka zu und folgte mit den Augen ihrem Blick nach unten.

„Er wird wiederkommen...“, stellte Rei bloß fest, aber mit einem fast warmherzigen und beruhigenden Tonfall.

Vielleicht war es deswegen, aber vielleicht auch, weil sie zu besorgt war oder wegen ihrer Nervosität oder vielleicht einfach weil sie nicht in der Stimmung war einen Streit anzufangen, diskutierte Asuka nicht mit ihrer Co-Pilotin.

„Ich weiß...“, war alles was sie flüsterte.

-

Der plötzlicher Aufruhr, der aus dem Kommandozentrum kam, ließ sie ihre Aufmerksamkeit wieder zu den Geschehnissen ein paar Etagen tiefer zurückkehren. Asuka konnte den plötzlichen Anflug von Panik nicht leugnen, der sie dazu brachte sich mit ihren Fäusten ängstlich am Geländer festzuklammern als sich die Luke des Entry-Plug unvermittelt öffnete und das LCL herausfloss. In den darauf folgenden, schier endlosen Sekunden wusste sie nicht, ob sie noch atmete oder ihr Herz noch schlug, während das einzige Geräusch das man hören konnte, das Verrinnen der tropfenden Flüssigkeit war.

Aber alle ihre Sorgen waren mit einmal durch übermäßige Erleichterung und Glücksgefühle ersetzt als sie eine Hand am Rand der Luke erkennen konnte. Sie bemerkte kaum, dass Misato auf die Plattform lief um zum Plug zu kommen. Ihre Augen blieben bei der Gestalt des Jungen, der seine letzte Kraft aufbrachte um aus den zylindrischen Cockpit zu kriechen und schließlich in den Armen des Major zusammenbrach.

Asuka konnte selbst nur schwer widerstehen nach unten zu rennen, um ihm nach einem Monat der Trennung wieder nahe zu sein, aber sie wurde sich plötzlich wieder bewusst, dass die blau-haarige Pilotin nur wenige Schritte von ihr entfernt stand. Also blieb sie fest stehen ohne sich umzudrehen.

„Hat er dir nicht gesagt, was du in so einem Moment machen sollst?“, fragte Asuka, und versuchte so unberührt von den Vorfällen zu klingen wie nur irgend möglich.

Rei starrte sie für eine Sekunde leer an. Aber dann, wie aus dem Nichts, entspannten sich ihre Gesichtszüge und es schien sich vor Freude ein Lächeln auf ihren Lippen zu formen.

„Weißt du“, fing Asuka an, auch wenn sie diese ungewohnte zur Schaustellung von Gefühlen nur aus dem Augenwinkel sehen konnte, „wenn du damit weitermachen würdest, könnte man dich glatt mit einem menschlichen Wesen verwechseln...“

Auch wenn ihre Worte an sich nicht die freundlichsten waren, so war doch keinerlei Bosheit in ihrer Stimme. Tatsächlich, versteckt vom Sarkasmus, war es das größte Kompliment, das Rei jemals bekommen hatte – besonders von jemand wie dem Second Children. Und sie musste zugeben – es fühlte sich gut an...



****************



Das erste was Shinji spürte als er langsam wieder zu Bewusstsein kam war ein sanftes, leicht salziges Gefühl auf seinen Lippen. Es war nicht unerwartet, dass er als erstes einen gewissen Rotschopf sah, der scheinbar überrascht war, als er anfing den Kuss zu erwidern. Als sie, scheinbar verwirrt, den Kuss unterbrach, bemerkte er, dass sie offensichtlich geweint hatte.

Er lächelte sie an, wie sie so auf ihm saß. „Und du hattest immer Angst, dass ich über dich herfallen würde“, durchbrach er die Stille.

Errötend kam Asuka aus ihrer Trance, kämpfte aber noch immer mit den Worten. Sie öffnete und schloss ihren Mund mehrere Male, und sie machte den Anschein, als ob sie vergessen hätte wie man spricht. Dann, plötzlich, ohrfeigte sie ihn.

„Aua!“, jammerte er und rieb sich seine rote Backe. „Du hast mir diese ‚Dafür, dass ich dir Sorgen bereitet habe’-Lektion schon gegeben, erinnerst du dich?“

„Nun, es war wohl nicht deutlich genug! Also muss ich sie dir sooft wie nötig geben!“

Mit dem hinterlistigsten Grinsen, das er fertig brachte, setzte er sich auf und legte seine Arme um sie. „Naja, ist in Ordnung“, versicherte er und lehnte sich näher zu ihr. „solange ich auch die ‚dafür, dass du zurückgekommen bist’-Lektion bekomme...“

Asuka versuchte nicht einmal zu zögern. Sie nahm seinen Kopf in die Hände und traf seine Lippen in einem lange erwarteten, leidenschaftlichen Kuss und bald lag Shinji wieder auf seinem Rücken.

„Störe ich irgendwas?“

Shinjis Augen weiteten sich als er sie zu Tür wandern ließ.

„Öh... Mi... Misato!“, stotterte er und versuchte den erstaunlich ruhigen Rotschopf von sich herunter zu bekommen. „Es... es ist nicht das, wonach es aussieht!“

Aber die Hand, die seine Wange streichelte, ließ ihn verstummen.

„Schh...“, brachte Asuka ihn zum Schweigen und kümmerte sich nicht darum, dass eine weitere Freudenträne auf sein Gesicht fiel. „Es ist in Ordnung. Sie... sie weiß Bescheid...“

Shinjis Blick wanderte schnell von einer der Frauen zur anderen und zurück, genau wie seien Gedanken von einer zur anderen Möglichkeit sprangen. „Was...? Sie...? Wie viel...?“

„Nicht soviel wie ich gerne wissen würde befürchte ich...“, schimpfte der Major, mit einem leichten Grinsen, als sie auf sein Bett zu ging. Aber es dauerte nicht lange bis sie ihre Professionalität komplett verloren hatte und sie schlang ihre Arme um den kleinen Teil seines Oberkörpers, den Asuka bereit war mit ihr zu teilten. „Ich bin froh, dass du zu uns zurückgekommen bist, Shinji“, sagte sie noch einmal, als sie aufstand und ihre Jacke richtete. „Ich denke ich lass’ euch zwei jetzt mal alleine. Aber denkt dran, dass ich ein paar Erklärungen will, wenn wir zu Hause sind!“

Mit einem letzten, freundlichen Blick auf das Pärchen, verließ sie den Raum so leise, wie sie ihn betreten hatte.

„Also... was weiß sie...?“, fragte Shinji nach einem Augenblick der Stille.

„Nur, dass wir zusammen sind...“

„Und... wie?“, fragte er vorsichtig und versuchte nicht zu klingen, als würde er sie für irgendetwas beschuldigen würde.

Asuka hob ihren Oberkörper hoch von ihm. „Sie wurde misstrauisch weil du, baka, ihr keine anonyme Warnung gegeben hast, wie ich es dir gesagt habe!“, warf sie ihm vor, starrte ihn böse an und stieß mit ihrem Finger auf seine Brust.

„Aber das habe ich doch...“

„Du hast es mit der Hand geschrieben! Ich kann vielleicht nicht den Unterschied zwischen allen Kanji sehen, aber sogar ich könnte dein Gekritzel erkennen, wenn ich wollte.“

„Oh...“, murmelte Shinji. „Es...“

„Ja, ich weiß...“, unterbrach sie ihn sanft und irgendwie traurig, als sie sich wieder auf seine Brut sinken ließ.

Diese unbehagliche Stille, die folgte, drohte sie wieder zu überwältigen.

„Es... es war sowieso mein Fehler...“, gab Asuka schließlich zu, bevor es schlimmer wurde. „Ich habe versucht mich so wie früher zu verhalten, aber... ich... ich konnte es einfach nicht. Es war schon schwer genug das alles so zu spielen, als sie uns weggenommen wurde, aber der Gedanke euch beide zu verlieren...“

„Aber... du wusstest, dass ich zurückkommen würde...“

„Einen Dreck wusste ich!“, fuhr sie ihn an, aber dann bewegte sie ihr Gesicht noch näher zu seinem, sodass ihre Wangen sich berührten. „Den ganzen letzten Monat habe ich mich gefragt, ob das, was wir tun, richtig ist. Wir waren uns einig die Zukunft zu verändern, damit jeder die Chance haben würde zu überleben. Aber die Wahrheit ist, dass wir uns nie Gedanken über unsere Eingriffe gemacht haben. Wer weiß, vielleicht können wir nicht alles zum Guten wenden? Vielleicht wird alles noch schlimmer wenn wir damit weiter machen? Wer weiß ob... ob...“ Ihr Griff wurde fester als sie abschweifte. „Ich will nur nicht nochmal sehen, wie das Leben eines Menschen, der mir wichtig ist, in diesem Krieg geopfert wird. Niemals wieder...“

Shinji schloss seufzend seine Augen und strich ihr beruhigend durch ihr Haar.

„Es ist nicht so schlimm, dass sie es weiß“, sagte Shinji schließlich, als er merkte, dass sie sich in seinen Armen beruhigt hatte. „Weißt du, ich habe auch nachgedacht. Und um ehrlich zu sein, denke ich, dass es ein Schritt in die richtige Richtung war. ‚Wer wir sind’ müssen wir sowieso irgendwann ändern und den anderen zeigen. Wir haben nicht daran gedacht, dass wir genauso Schuld daran hatten, wie sich die Dinge entwickelten, wie die ganzen Vorfälle. Und wenn wir weitermachen uns genauso zu verhalten wie damals, dann könnte es wirklich sein, dass alles genauso endet wie damals.
Als ich dort stand, so nah an meinem EVA, und hörte, wie der Engel euch beide verletzte... ich... ich konnte mich einfach nicht länger zurückhalten. Und ich bereue es nicht. Denn wenn ich es nicht getan hätte, und nur meine Rolle weitergespielt hätte, wer weiß, ob mein Vater rechtzeitig zu Sinnen gekommen wäre und mich raus geschickt hätte, als wir noch eine Chance hatten ihn zu schlagen...“

“Also... Willst du damit sagen, dass wir mit dem Schauspielern aufhören sollen? Aber... was ist mit...?“

Er schüttelte schnell seinen Kopf. „Wir sollten nichts überstürzen. Wenn wir langsam machen, so dass sich jeder daran gewöhnen kann... vielleicht kommt es ihnen dann nicht so merkwürdig vor...“

„Nun, ich schätze es ist zu spät Misato da raus zu halten. Und... und ich denke wir schulden ihr zumindest ein paar Erklärungen.“ Ein Grinsen ersetzte ihren vorher leeren Gesichtsausdruck, als sie ihren Finger verführerisch über seine Brust wandern ließ. „Zumindest müssen wir uns zuhause nicht mehr verstellen...“

Sein leises Lachen ließ ihre beiden Körper beben, aber er antwortete nur damit, dass er sie noch näher an sich heranzog. So blieben sie leise für einige Minuten liegen, bevor es Zeit war, diesen wohltuenden Frieden ihrer kleinen eigenen Welt zu verlassen und sich wiedermal der Realität zu stellen.



****************



Besagte Realität traf sie früh genug in Form von Misato. Sie gab ihnen nicht viel Zeit um sich darauf vorzubereiten, als sie zu Hause waren. Kurz nachdem sie sich etwas bequemeres als ihre Uniform angezogen hatte, rief sie sie in die Küche. Ein gewisses Stück Papier auf dem Tisch begrüßte sie, als sie sich hinsetzten, aber keiner sagte ein Wort.

„Also, ich hoffe das wird eine gute Geschichte“, durchbrach Misato die Stille, bevor sie wirklich einsetzen konnte. „Ich musste ein... ähh... Meeting hierfür verschieben.“

„Klar, ich kann mir denken was für eine Art von ‚Meeting’ das ist...“, knurrte Asuka.

Misato ließ sie mit einem warnenden Blick verstummen. „So, hättet ihr nun die Freundlichkeit mir das hier zu erklären?“, fragte sie bestimmend und zeigte auf das Stück Papier, das zwischen ihnen auf dem Tisch lag. „Angenommen, dass ihr nicht sehr gut geraten habt, woher wusstet ihr, dass der vorherige Engel EVA-03 übernehmen würde?“

Shinji schaute zu Asuka neben ihm, und fand ihre Bestätigung in einem kurzen Nicken. „Ich wusste es, weil ich...“ Er fühlte, wie Asuka sanft seine Hand drückte, „...wir... das das alles schon einmal erlebt haben...“

„Wie?“, fragte Misato mit einer seltsamen Ruhe. „Habt ihr irgendwie hellseherische Fähigkeiten bekommen? Irgendeine Art von Déjà-Vu?“

„Es war eher eine Zeitreise“, warf der Rotschopf ein.

„Zeitreise?“, wiederholte Misato langsam. „Aber... wie kann das möglich sein?“

„Wir... wir wissen es selbst nicht genau“, murmelte Shinji kopfschüttelnd. „Alles was ich sagen kann ist, dass wir vor etwa drei Monaten zurückgekommen sind, nachdem wir für mehrere Jahre alleine überlebt haben...“

„Überlebt?“ Der Major war sichtlich geschockt. „Warum ’überlebt’? Was ist passiert?“

„Der Third Impact!“, kommentierte Asuka mit schwacher Stimme. „Wir beide waren die einzigen, die übrig geblieben sind.“

„Third...?“ Misatos Augen weiteten sich. „Also, ... haben wir versagt?“

Shinji schüttelte langsam seinen Kopf. „I-Ich bin nicht sicher, ob es klug wäre dich jedes Detail wissen zu lassen. Aber... lass uns einfach sagen, dass es kein Engel war der den Impact ausgelöst hat.“

„Was? Wer war dann dafür verantwortlich?“

„Ich kann nicht...“

„Shinji!“, Misato unterbrach ihn mit einer zornigeren Stimme, als beabsichtigt.

Aber der Junge überraschte sie, indem er nicht zurück wich. Stattdessen schaute er mit einem ernsten Gesicht auf. „Wie ich schon gesagt habe, ich denke nicht, dass es klug wäre dich in alles einzuweihen. Wir... wir tun unser Bestes, um diesmal den Impact abzuwenden, aber es gibt zu viele Leute, die gegen uns arbeiten könnten.“ Mit einem schwachen Grinsen nickte er in Richtung des Zettels. „Und wie du weißt, ist es schon schwer genug für uns allles geheim zu halten.“

„Also glaubt ihr nicht, dass ich euch helfen könnte?“, protestierte sie.

„Vielleicht“, unterbrach Asuka mit einem warnenden Blick, „aber du könntest uns auch noch mehr Probleme bereiten. Je mehr Leute etwas entscheidendes wissen, umso höher ist das Risiko, dass jemand etwas durchsickern lässt, an jemand der nichts davon wissen sollte...“

„Also vertraut ihr mir nicht...?“, flüsterte Misato mit angedeuteter Enttäuschung.

„Ich... ich würde es nicht so nennen...“, versuchte Shinji sie zu beruhigen. „Es ist nur... das Risiko ist zu groß...“

„Also gut...“, schweifte Misato ab, offensichtlich nicht zufrieden mit seiner Erklärung. „Wie... wie lange wart ihr dort?“, fragte sie schließlich, das Thema ein wenig widerwillig wechselnd.

„Wir wissen es nicht genau. Die ersten paar Monate, oder sogar Jahre, waren wir so mit anderen Dingen beschäftigt, dass wir uns nicht damit aufgehalten haben uns um die Zeit zu kümmern. Also können wir nur schätzen, dass es etwa eineinhalb bis zwei Jahre waren, bis wir angefangen haben wieder zu zählen. Danach waren es dann fast vier Jahre.“

„Warum...“, sie stoppte, um Luft zu holen. „Warum habt ihr mir nichts erzählt?“ Misatos Enttäuschung war deutlich in ihrer Stimme zu hören.

„Woher hätten wir wissen sollen, ob du uns geglaubt hättest?“ Shinji tat sein bestes, um ruhig zu bleiben.

Asukas Geduldsfaden auf der anderen Seite schien von Sekunde zu Sekunde dünner zu werden. „Wir haben doch schon gesagt, dass das Risiko zu hoch war!“, spuckte sie giftiger, als es notwendig gewesen wäre. „Was wäre passiert, wenn wir dir oder irgendjemand sonst erzählt hätten, dass wir durch die Zeit gereist sind, ohne einen Beweis? Wir wären sofort für ‚geistig Instabil’ erklärt worden oder zumindest sofort von unseren Pflichten bei NERV enthoben worden und damit die einzige Möglichkeit verloren etwas zu ändern. Ziemlich sicher wären wir auch getrennt und weggesperrt worden...“

„Asuka...“, versuchte Shinji sie zu beruhigen, aber ohne großen Erfolg.

Misato seufzte nur bei dem Ausbruch des Rotschopfes und sank wieder zurück in ihren Stuhl. „Ich denke der Punkt geht an dich. Die ganze Geschichte ist so... ich weiß nicht... sie klingt wirklich ein wenig nach einer verrückten Fantasie. Ich meine, ihr erzählt mir, dass ihr zwei für einige Jahre alleine in einer völlig zerstörten Welt gelebt habt, wo ihr euch schließlich dem anderen geöffnet und euch ineinander verliebt habt und dann aus irgendeinem unersichtlichen Grund zurück gekommen seid...“ Sie hatte die Stirn in die Hände gelegt, tief in Gedanken versunken, und seufzte einmal mehr. Nach einem kurzen Moment der Stille schüttelte sie den Kopf. „Wenn dieser Zettel nicht wäre...“, murmelte sie und schaute wieder zu den beiden nach oben. „Wisst ihr, es ist wirklich nicht so einfach zu glauben, aber ich...“

Sie wurde energisch unterbrochen, als Asuka plötzlich mit den Handflächen auf den Tisch schlug und vor Wut aufsprang. „FEIN! Glaub was du willst!“

„Asuka!“

Shinji streckte seinen Arm aus, um sie zurückzuhalten, aber sie war schon aus der Küche gestürmt. Traurigkeit und Scham erfüllten sein Herz, als dieser Zwischenfall ihn daran erinnerte, dass er rein gar nichts für sie tun konnte.

„Was ist mit ihr?“, fragte Misato hinter ihm, aber er konnte sich nicht dazu bringen sich umzudrehen und sie anzusehen.

Er konnte nichts machen als bewegungslos in der Tür zu stehen, unwissend, wie er etwas Heikles wie das ansprechen soll.

„Du... du kannst dir nicht vorstellen, wie das ist – wie schmerzhaft es ist anzunehmen... oder nur daran zu denken, dass es nicht Real war... dass es nie passiert ist“, er atmete schließlich ganz leise, seine Fäuste ballten sich fest an seinen Seiten, als er sich die einst freudigen Erinnerungen von damals ins Gedächtnis rief. „Nicht... nicht nachdem wir gezwungen wurden, das, was uns am wichtigsten war, zurückzulassen.“

„Was meinst du?“ Misato klang sichtlich verwirrt. „Was könnte in jener Welt so wichtig gewesen sein, das ihr jetzt nicht finden könnt? Ich meine es ist ja nicht so, dass ihr...“ Sie verstummte mit einem hörbaren Keuchen. „Ihr...? Ich meine ihr – habt nicht...? Ihr könntet doch nicht etwa...?“

„Doch, Misato...“, schnitt Shinji ihr sanft das Wort ab, „wir... wir hatten ein Kind...“

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