The 2nd try
Chapter 7: The 15th
+ Story: JimmyWolk
+ Übersetzung: Ch@d
Es war für sie immer noch ein ungewohnter Anblick. Asuka und Shinji, die sich aneinander schmiegten. Asuka und Shinji, die sich küssten. Asuka und Shinji, die Nachts ins Zimmer des Rotschopfs gingen. Asuka, die während des Frühstücks auf Shinjis Schoß saß wobei sie sich öfter berührten als das Essen.
"Wenn man daran denkt, dass sie sich immer gestritten haben wie ein verheiratetes Paar, und nun da sie es sind, hängen sie aneinander wie frisch Verliebte...", murmelte Misato in ihr halb leeres Morgen-Bier. Es war aber noch deutlich genug gewesen, um ihre Schützlinge daran zu erinnern, dass sie nicht alleine waren, was sie offensichtlich vergessen hatten.
Widerwillig trennte sich Asuka von Shinjis Lippen. "Naja, wieder ein hormon-gesteuerter Teenager zu sein ist dabei durchaus behilflich", erklärte sie.
"Misato, du musst das verstehen", half ihr Shinji. "Es hat eine Weile gedauert, bis wir diese Barriere durchbrochen hatten. Aber ich war umso glücklicher, als wir uns egal wo anschauen und berühren konnten, ohne uns zu schämen", erklärte er und schaute grinsend den Rotschopf in seinen Armen an. "Oder Angst um mein Leben haben zu müssen..."
"Hey!", protestierte Asuka gespielt und rutschte auf seinem Schoß herum, um ihm leicht auf den Kopf zu schlagen. "Immer der gleiche Hentai", sagte sie schmollend und drehte dabei ihren Kopf weg.
Doch statt der gewohnten Entschuldigung, kicherte er nur, als wollte er ihr zustimmen und kam mit seinem Mund neben ihr Ohr, obwohl er laut genug sprach, dass Misato es verstehen konnte. "Erinnerst du dich an die Zeit, als wir den ganzen Tag nackt rumgelaufen sind?"
Asuka wurde sofort knallrot, ihr Grinsen war das Gegenstück zu seinem, als sie kicherte wie – naja, wie ein verlegenes Schulmädchen.
Misato schüttelte den Kopf. Ihre Schützlinge zu sehen wie sie über Nacht erwachsen wurden, aber äußerlich noch dieselben Teenager waren, die sie in den letzten Monaten so gut kennengelernt hatte – und sich dann wiederum mehr wie normale Teenager verhielten als jemals zuvor. Falls – ja, falls es nur diese überschattende Traurigkeit in ihren Augen nicht geben würde sobald diese Momente endeten.
Das war alles noch so kompliziert.
Während sie die beiden weiter beobachtete mit ihrer Yebisu-Dose vor sich, wanderten ihre Gedanken wieder zu dem Abend vor ein paar Tagen, als das Chaos in ihrem Kopf ausgebrochen war.
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"Willst du nicht nach ihr sehen?"
Shinji schüttelte mit einem traurigen Lächeln den Kopf, als er sich umdrehte und zum Tisch zurück ging. "Du kennst Asuka. Mit der Zeit konnte sie über ihre Vergangenheit hinwegkommen, aber es fällt ihr noch immer schwer darüber zu sprechen was sie im Moment beschäftigt. Sie unter Druck zu setzen würde sie nur dazu bringen uns außen vor zu lassen, indem sie uns sagt, dass alles bestens sei." Er seufzte, als er sich zurück auf seinen Stuhl fallen ließ. In seiner Stimme war Reue zu hören. "Akis Verlust war schon sehr schwer zu verkraften für uns. Ich denke, als ich mich dann in meinem EVA aufgelöst habe, war das zu viel für sie."
"Aki, hm?", sie wiederholte den Namen leise, mit einem zurückhaltenden Lächeln auf den Lippen. "Es ist schon ein bisschen schwierig sich euch beide als Eltern vorzustellen."
"Es war auch für uns eine Überraschung. Aber ich denke wir haben uns ziemlich schnell daran gewöhnt. Und Aki hat sicher auch ihren Teil dazu beigetragen."
"Wie das?"
"Naja, sie hat es uns recht einfach gemacht. Sie war so lebhaft, so voller Energie, vielleicht sogar mehr als ihre Mutter, wenn das überhaupt möglich ist. Natürlich gab es Momente, in denen sie sich nicht wohl gefühlt hat, und wenn sie wollte, konnte sie ganz schön schlecht gelaunt und anspruchsvoll werden. Wir konnten sie kaum verwöhnen, aber auf gewisse Weise haben wir ihr die ganze Welt geboten." Er lachte leise dabei. Ein hohles Lachen, dass sich in ein geschluchzten Atemzug verwandelte. "Aber... aber die meiste Zeit hat sie... hat sie nur gelächelt und gelacht. Sie hatte... sie hatte so ein wunderschönes Lachen." Er unterbrach sich selbst, in der Hoffnung sich wieder zu beruhigen. Er atmete tief ein und wischte sich die Träne weg, die drohte seine Wange herunter zu laufen. "Entschuldige."
"Nein, es-es ist in OK", sagte sie, aber sie wusste, dass es nicht halbwegs so aufbauend klang, wie es sollte. Es war nicht OK. Sie mochte Aki nicht gekannt haben und bis vor ein paar Minuten wäre ihr kein Gedanke an ihre mögliche Existenz in den Sinn gekommen. Aber dieser Junge, ihr Vater, war Misato ans Herz gewachsen. Sicher, er hatte schon vorher einige harsche Tiefpunkte gehabt. Aber ihn zu sehen, wie er um den Verlust seines Kindes trauerte, war absolut niederschmetternd.
"Asuka...", fuhr er schließlich fort, "Asuka war die beste Mutter, die sich ein Kind wünschen könnte. Sicher, ich habe Aki von ganzem Herzen geliebt, aber es gab eine Verbindung zwischen den beiden, die selbst ich nicht ganz nachvollziehen konnte. Es war ein schwerer Kampf für Asuka zu akzeptieren ein Kind zu bekommen. Umso mehr... naja 'schätzte sie ihren Sieg' danach. Aber umso mehr verletzt es sie jetzt."
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'Es verletzt sie... Aber auch wenn sie es hasst, wie Shinji sagt, tut sie sicher ihr Bestes, um es zu verbergen', dachte Misato, wieder in der Gegenwart. 'Wenn ich es nicht wüsste, würde ich es wohl nicht bemerken. Wenn die Geschehnisse nach dem 14ten nicht gewesen wären, würde ich es jemals bemerkt haben?' Plötzlich überkam sie ein schuldhafter Gedanke. 'Könnte es sein, dass ich bereits davor ihre Sorgen nicht bemerkt hatte? Bei ihrer Vergangenheit...?'
Sie schaute, beschämt von ihrer Erkenntnis, zu Boden. 'Nein. Ich habe es bemerkt. Ich denke es war nur einfacher gewesen weiter zu machen und es nicht zu zeigen. Sich dem nicht stellen zu müssen.' Ihr ernster Blick wanderte zu dem verspielten Paar zurück, das scheinbar mit einem Kitzel-Wettstreit beschäftigt war. 'Ist es das, was ihr jetzt macht?'
"Ach, verdammt! Wir sind zu spät!"
Asukas Aufschrei riss Misato aus ihren Gedanken. Es überraschte sie so, dass sie fast ihr Bier vergoss.
"Ich muss mich auch fertig machen um zu NERV zu kommen", sagte sie, sich langsam von ihrem Stuhl erhebend. Die "Children" waren im Gegensatz dazu hektisch aufgesprungen, schnappten ihre Taschen und rannten Richtung Ausgang. "Ich kann euch auf dem Weg absetzen."
Die beiden blieben auf halbem Wege zur Türe stehen. "Naja..."
"Keine Widerrede!" Warnte sie, sich ihnen nähernd. "Ob ihr schon da wart oder nicht, es wäre verdächtig, wenn ihr immer zu spät zur Schule kommen würdet."
"Darf ich wenigstens fahren?", jammerte Asuka, was ihr einen missbilligenden Blick von Misato einbrachte. "Hey, du weißt dass ich es kann!"
"Mein Alpine ist kein Pick-Up!"
Der Streit ging wie gewohnt weiter, während letzte Vorbereitungen getroffen und Schuhe angezogen wurden. Auch wenn sich die Themen etwas geändert hatten, war es fast wie an jedem normalen Tag zuvor. Als hätte Misato nie etwas über den Third Impact gehört, Zeitreisen oder ein Mädchen namens Aki.
Gerade, als die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel, begann das Telefon zu klingeln. Da niemand da war um abzuheben, startete nach dem dritten Klingeln der Anrufbeantworter mit seiner Ansage...
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Außerhalb der Stadt, in einer kleinen, einzelnen Telefonzelle, hängte Kaji den Hörer ein. Er hatte gesagt, was er zu sagen hatte. Es würde reichen müssen.
"Mein letzter Auftrag", murmelte er, als er die Dokumente in seiner Hand betrachtete. Ein Grinsen machte sich in seinem Gesicht breit. "Wie vorhergesagt."
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Hikari konnte es nicht glauben. Die erklärte Liebe ihres Lebens war seit über einer Woche wieder in der Schule und nicht nur, dass Asuka noch immer keinen Schritt auf ihn zu gemacht hatte , sie schien noch nicht einmal daran zu denken.
"Häh?", war die einzige Antwort, die sie bekam, als nachfragte, während die beiden auf ihrem Heimweg durch die Stadt liefen.
"Kochst du nun? Er macht dir immer deine Lunch-Box. Warum machst du zur Abwechslung nicht mal eine besondere für ihn? 'Der Weg zum Herzen eines Mannes führt durch seinen Magen', sagt man."
Sie konnte schon die Beschwerden hören, dass Shinji nicht wie Toji, der Essensvernichter und so weiter war, aber es kam nichts dergleichen.
"Wenn du das sagst..."
Das war der berühmte letzte Tropfen für die Klassensprecherin. "Oh, komm schon Asuka! Wenn du jemanden liebst, dann musst du es ihm sagen!"
Asukas amüsierter Blick, der auf sie gerichtet war, erinnerte Hikari an den Haken ihres Arguments.
"Naja, das ist was anderes", verteidigte sie sich errötend. "Wir sind nicht ständig am Rande des Todes... Zumindest nicht so wie ihr... Jedenfalls nicht mehr, zum Glück..."
Asukas Grinsen schien jedoch nicht zu bröckeln und Hikari wusste, dass jede weitere Ausrede auf taube Ohren stoßen würde. Nach einer Weile nagte wieder sie Neugier an ihr.
"Jetzt mal ehrlich, wann willst du es ihm sagen?"
"Irgendwann..."
Das brünette Mädchen war kurz davor frustriert aufzustöhnen, aber hielt sich zurück als sie bemerkte, dass sie an einem Spielwarenladen vorbei liefen. "Ach, das hätte ich fast vergessen! Ich wollte nach einem Geschenk für Nozomis Geburtstag nächste Woche schauen. Würdest du einen Moment warten?"
Asuka wurde wütend, als ihr Blick über das große Schaufenster wanderte, wo diverse Spielsachen in mehreren Reihen ausgebreitet lagen. "Wer will schon so kindische Sachen?"
"Also, meine Schwester zum Beispiel. Sie ist ja noch ein... Asuka?"
Hikari schweifte ab, als sie bemerkte, dass der Rotschopf die Ausstellungsstücke nicht mehr angewidert betrachtete, sondern eher so, als hätte sie einen Geist gesehen.
Sie starrte eine einfache Stoffpuppe mit wuscheligen roten Haaren in der Auslage an. Hikari hörte, wie sie unbewusst etwas murmelte, konnte es aber nicht genau verstehen. 'Ki...ko?'
Hieß ihre Mutter nicht so ähnlich? Sie hatte es einmal in den Schulunterlagen gesehen. Keiko...? Nein, Kyoko war das. Aber nein. Warum sollte sie den Namen ihrer Mutter sagen wenn sie eine Puppe sieht? Vielleicht hieß die Puppe oder die Marke so?
"Alles in Ordnung?", fragte Hikari besorgt, wodurch Asuka aus ihrer Trance gerissen wurde.
"N-na klar. Los, beeil dich einfach!"
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'Was hatte ihn bloß dazu veranlasst so etwas zu tun?' Das war die Frage, die sich in Misatos Kopf wiederholte, als sie von den zwei Agenten, die bereits ihre Waffe und ihren Ausweis konfisziert hatten, zur Isolationsstation geführt wurde. Ihnen gegenüber versuchte sie ruhig und professionell zu wirken, aber innerlich war sie sehr aufgewühlt.
'Er weiß wohin das führt. Ikari kann nicht mehr so tun, als würde er es nicht bemerken und mit SEELE auf den Fersen ist die Frage nur, wer ihn zuerst findet. Dieser Idiot!'
Aber es war nicht nur die Sorge um ihn, die ihr zu schaffen machte. Wieder einmal schweiften ihre Gedanken zu ihren Zeitreisenden Schützlingen, aber im Gegensatz zu vorher war es deutlich weniger mitleidig. 'Warum haben sie mir nichts gesagt? Warum haben sie ihm nichts gesagt?' Sie schüttelte innerlich den Kopf, weil sie die beiden beschuldigte, ohne das ganze Ausmaß zu kennen. 'Vielleicht bedeutet das, dass alles mit ihm in Ordnung ist. Oder vielleicht... ist er wirklich ein Idiot...'
"Danke nochmals, für ihre Kooperation", sagte einer der Wachen, als sie die Zelle betrat, in der sie solange bleiben würde, "bis die Sache geklärt wird".
Dann war sie in Dunkelheit getaucht.
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Shinji lief still neben Asuka her, schaute sooft es ging zu ihr hinüber und versuchte aus ihr schlau zu werden. Es war eher ungewöhnlich, dass man nur das tapsen ihrer Plugsuit gekleideten Füße in den leeren Fluren hallen hörte, wenn sie auf ihrem Weg durch die Gänge von NERV waren um ihre nächsten Tests zu machen.
Zuhause mussten sie ihre Beziehung nicht mehr geheim halten und sie nutzten diese Situation natürlich aus. Auch wenn er mehr oder weniger offiziell bei ihr eingezogen war, hatten sie nur diese wenigen Momente, in denen sie wirklich alleine waren, in denen sie frei über alles reden konnten. Asuka schien jedoch nicht sehr gesprächig zu sein, seit sie heute aus der Schule zurück gekommen war.
"Weißt du Hikari hat in letzter Zeit komische Andeutungen gemacht", versuchte er die Stimmung etwas zu lockern, wobei er ihre Reaktion aus den Augenwinkeln beobachtete.
Wenn nicht schon die Röte in ihrem Gesicht genug war, so überführte sie ihre leise, von Schuld gefüllte Stimme, dass sie genau wusste, was er meinte. "Hat... hat sie das?"
"Ja. Sie hat gefragt, ob es jemand gibt, den ich mag. Sie meinte, dass ich nicht allzuweit schauen müsste, um jemand zu finden..." Er schaute kurz zu ihr hinüber, nicht nur genießend, dass er einmal der war, der die anderen ärgern konnte, sondern auch, dass er es geschafft hatte sie auf andere Gedanken zu bringen, als die, über die sie brütete. "Und ich denke nicht, dass sie über sich gesprochen hat, so wie sie in letzter Zeit an Toji hängt. Hast du eine Ahnung, mit wem sie mich verkuppeln will, Asuka?"
"Warum kann diese dumme Göre nicht ruhig sein, wie sie es versprochen hatte?", murrte der Rotschopf, nur indirekt antwortend.
Shinji musst deswegen leise lachen. Aber schließlich drehte er sich etwas ernster zu nochmals zu ihr. "Asuka, denk daran, dass es eigentlich deine Idee war alles geheim zu halten. Und das aus gutem Grund, wie du mir schnell klar gemacht hast. Aber... Misato und jetzt auch noch Hikari..."
"Es war während du weg warst. Ich habe versucht ihr den ganzen Monat aus dem Weg zu gehen, aber sie hat nicht aufgehört mich zu nerven und – schließlich musste ich es ihr einfach erzählen. I-ich musste es einfach loswerden." Sie seufzte. "Hikari weiß nur, dass ich in dich verliebt bin. Sie hat keine Ahnung davon. Ich meine sie weiß offenbar nicht mal, dass wir tatsächlich zusammen sind. Und so wie sie sich verhält, bin ich mir nicht sicher, ob sie wirklich versteht, dass es nicht nur so eine Teenie-Liebelei ist."
"Tja, sie ist trotz allem ein normaler Teenager. Es ist schwer in jemand anderen hinein zu schauen."
"Also bist du mir nicht böse?"
"Es gibt nichts was wir deswegen tun könnten", sagte Shinji Achsel zuckend, in der Hoffnung, dass es den Schmerz der Enttäuschung kaschieren würde, den er verspürte. Aber nicht, weil sie ihrer Freundin etwas erzählt hatte, sondern, weil sie ihm danach nichts gesagt hatte... "Vielleicht würde es die Dinge für uns einfacher machen, wenn wir sie uns wirklich verkuppeln ließen."
"Hm, das könnte..."
"Shinji!", rief plötzlich jemand hinter ihnen und beendete damit ihr Gespräch. "Hey Shinji! Warte doch mal!"
Der besagte Junge drehte sich um, um den Neuankömmling zu sehen, der wild mit den Armen fuchtelnd auf sie zukam. "Toji?"
Der Sportler kam zum stehen, noch leicht keuchend von seinem Sprint. "Oh, gut, dass ich euch hier getroffen habe. Ich glaube ich habe mich irgendwie verlaufen."
"Na das ist ja nix neues", spottete Asuka, die sofort wieder ihre Rolle spielte. "Aber was zum Teufel machst du hier?"
Toji ignorierte sie aber offenbar komplett. "Weißt du ich war erst einmal hier, als die den Sync-Test mit mir gemacht haben, und dann hat mich diese Doktor Biene [hätte aber auch sein können, dass es Maya war und Toji nur die hälfe mitbekommen hat weil er sabbern musste und sich nicht mehr genau erinnern kann ;-P] rumgeführt, also... kannst du mir sagen, wo die Umkleiden sind?"
"Klar, du gehst den Gang hier zurück bis zum Aufzug, zwei Etagen hoch, dann nach rechts immer gerade aus, dann wirst du es sehen", erklärte ihm Shinji. "Aber Asuka hat Recht. Was machst du hier?"
Toji zuckte mit den Achseln. "Also die haben gesagt, dass ich, weil ich ja wieder fit bin, wieder im Einsatz bin. Aber bis ich einen neuen EVA bekomme, wollen sie nur ab und an ein paar Tests machen."
Shinji konnte seinen Ohren kaum trauen."Aber... Nach allem, was dir passiert ist, machst du immer noch mit?"
Das Fourth Children fühlte sich sichtlich unbehaglich, trotz seines schwachen Versuchs es nicht zu zeigen. "Klar, in einem Engel drin zu sein war sicher nicht die beste Erfahrung meines Lebens", gab er zu. "Aber ich bin ein Mann, der zu seinem Wort steht."
"Seit wann bist du ein Mann?", warf Asuka spöttisch ein.
"Sehr witzig", schnaubte Toji zurück. "Egal, zwei Etagen hoch sagtest du? Na dann, wir sehen uns wenn ich fertig bin."
Mit einer Hand winkend, drehte er sich um und verließ seine neuen Co-Piloten.
Asuka wartete, bis er nur noch eine kleine Gestalt am anderen Ende des Ganges war. "Denkst du, dass sie ihn wirklich wieder einen EVA steuern lassen?"
"Das bezweifele ich ernsthaft", sagte Shinji, kopfschüttelnd, als er ihr offensichtliches Misstrauen bestätigte. "Soweit wir wissen, sind die einzigen EVAs, die gebaut werden die Serien-EVAs, die sie gegen uns einsetzen wollen. Ich denke nicht, dass sie ihm einen geben werden, den mein Vater dann auch noch unter seiner Kontrolle hätte."
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Ritsuko kam gerade von einer Zigaretten-Pause in den Kontrollraum zurück, als die nächsten 'Subjekte' auf dem Steg unten in der Testkammer eintrafen. Von hier aus gesehen, waren die Children nicht größer als ein Finger, aber die Farben ihrer Plugsuits hätte es auch auf eine weitere Entfernung möglich gemacht sie zu unterscheiden. Während Shinji und Asuka zielstrebig auf ihre Plugs zuliefen, bewegte sich Toji sehr zögerlich; offenbar wusste er nicht wohin.
Das Gesicht verziehend, ging Ritsuko hinüber zu den Instrumenten und öffnete einen Komm-Kanal. "Wir haben Rei schon etwas früher getestet, du wirst also ihren Plug benutzen, Toji."
Offensichtlich bemerkend, dass er es gezeigt bekommen musste, deutete die rote Figur mit dem Arm darauf.
"Welche Einstellungen sollen wir für ihn laden, Sempai?", fragte Maya, ihre Finger waren bereit die Befehle einzutippen.
"Behalte die von Einheit 00. Sie hat die schwächste Verbindung zum Piloten, also wäre es für ihn die beste Möglichkeit, falls es einmal notwendig werden sollte."
Während die Children unten in der Halle in ihre Plugs stiegen, schaute Makoto hinter sich umher.
"Stimmt was nicht?", fragte Ritsuko.
"Hatte Kommandant Fuyutsuki nicht gesagt, dass er die Tests heute beaufsichtigen wollte?"
"Er weiß, dass sie für jetzt geplant sind", sagte der Doktor leicht genervt. "Und es ist ja nicht so, dass seine Anwesenheit erforderlich ist. Er wollte nur sehen, wie sich die Jungen in ihrem ersten Test schlagen, nachdem sie solange Pause hatten."
Ein leises Keuchen entfuhr Maya. "Der Komm-Kanal hat sich nicht von selbst geschlossen."
"Schon wieder? Gut, dass wir dieses mal nicht über Misatos verschiedene 'Stellungen' gesprochen haben", murmelte Ritsuko gedämpft. "Ich denke die letzte Verbesserung war nicht so gut wie..."
"Ähm, Dr. Akagi?", unterbrach sie plötzlich Shinjis Stimme.
Ritsuko seufzte, als sie hörte, dass er wieder einmal überaus nervös war, was für gewöhnlich bedeutete, dass es eine Weile dauern würde, bis er sich beruhigt hatte, um brauchbare Ergebnisse zu bekommen. "Was ist denn Shinji?"
Es dauerte einen Moment, bis er antwortete, als ob ihm nicht behagen würde was er auf dem Herzen hatte. "Ist... ist Misato da?"
Der Doktor blinzelte, bevor sie zu Maya und dann zu Makoto schaute und stumm die Frage weitergab. Aber beide zuckten mit den Schultern, oder schüttelten den Kopf, und kamen zur selben Antwort wie sie. "Äm, nein, ich habe sie heute noch nicht gesehen. Stimmt etwas nicht?"
"Nein, i-ich wollte sie nur etwas fragen..." sagte er offensichtlich enttäuscht, was es zu einer nicht sonderlich überzeugenden Ausrede machte.
"Muss sie jetzt auch noch seine Hand bei den Tests halten?" murmelte Ritsuko vor sich hin, gerade laut genug, dass es nicht über den Komm-Kanal gehen würde, aber die Brücken-Crew leise kichern ließ. Mit einem Räuspern brachte sie sie zum Schweigen. "Ok, allesamt! Können wir jetzt loslegen? Ich habe das Gefühl, dass das ein langer Tag werden wird."
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"Sein Telefon ist aus!", fluchte Asuka, während sie ihres wieder einsteckte, als sie zur nächstgelegenen Bahnhof rannten, wo sie hofften, einen Zug zu bekommen der sie rechtzeitig nach Hause bringen würde. "Verdammt. Wenn du den Test nicht versaut hättest, hätte Dr. Akagi nicht zweimal neu anfangen müssen!"
"Entschuldige, es ist nur schwierig sich auf das 'Konzentrieren' zu konzentrieren, wenn jemand, der dir wichtig ist in Gefahr schwebt!", erwiderte Shinji sofort, heftig schnaufend wegen ihres Spurts. Er entschied sich dagegen zu erwähnen, dass er das Gefühl hatte, dass nicht nur er es war, der den "Test ruiniert" hatte, so wie Dr. Akagi beim zweiten Mal geklungen hatte.
Sie hatten einen besorgten Blick über das Komm-Fenster ausgetauscht, als sie die Unterhaltung über das Fehlen von Kommandant Fuyutsuki während des Tests mit angehört hatten. Nachdem Shinji sich nach Misatos Abwesenheit erkundigt hatte, waren alle Zweifel, dass der nächste schreckliche Tag gekommen war, verflogen.
Der Sub-Kommandant nicht da. Misato nicht da. Es passte zu dem, was er danach über die Ereignisse gehört hatte. Es war heute.
Sie schafften es in allerletzter Sekunde in den Zug zu hechten, was ihnen die Möglichkeit gab, es in Rekordzeit nach Hause zu schaffen. Außer Atem betraten sie das Apartment, und wurden von einer verzerrten Männerstimme begrüßt.
"...auch Ritsuko." Keiner musste etwas sagen. Beide wussten, dass der andere dasselbe dachte, als sie sich geschockt ansahen. Ohne eine Sekunde zu verlieren, rannten sie in die Küche. "Misato, du hast die Wahrheit auf deiner Seite. Du darfst jetzt nicht aufgeben. Sollten wir uns jemals wieder sehen, werde ich das sagen, was ich vor acht Jahren nicht sagen konnte. Ciao."
Das Band des Anrufbeantworters stoppte klickend, aber die Tränen der Frau mit dem gebrochenen Herzen, die gekrümmt auf dem Tisch vor ihr lag, flossen weiter.
"Misato..."
Sie schreckte auf bei Shinjis leisem Ruf; offenbar hatte sie die beiden bisher nicht bemerkt. Ihr verweintes Gesicht zitterte, als ihr Ausdruck von Schock in kalten Zorn wandelte. "Ihr... ihr wusstet es, nicht wahr?", verlangte sie mit einer vorwurfsvoller Stimme zu wissen.
Shinji konnte kaum sein eigenes Schluchzen unterdrücken. Er wusste, dass das was passiert war schmerzhaft genug war, aber seinen Vormund so zu sehen war noch schlimmer. "Es... es tut mir Leid, Misato, ich..."
"Ihr wusstet es und habt nichts gesagt...?!"
"Ich... ich habe es versucht...", stammelte er zurückweichend vor einer nicht weniger hysterischen Asuka.
"Hast du ihm den Brief nicht gegeben?!", fragte der Rotschopf ungläubig.
"Natürlich habe ich ihm den gegeben! Vielleicht hat er ihn nicht gelesen oder dachte, es wäre nur eine Art Witz, ich habe keine..."
"Nein das hat er nicht", unterbrach ihn Misato leise, als sie anfing zu verstehen, aber sie musste sichtlich mir sich ringen, um ruhig zu bleiben. "Es hat ihm einfach nur nichts neues gesagt. Er wusste sehr genau, dass das früher oder später passieren würde, genauso wie ich es wusste. Sonst hätte er sich nicht die Mühe gemacht, mir diese Nachricht zukommen zu lassen. Er wusste, dass es sein letzter Auftrag wäre. Dieser Idiot und seine dumme Suche nach der Wahrheit!"
"Die Nachricht...?", legte Shinji plötzlich die Stirn in Falten. "Moment mal, etwas..." Er sprach seinen Gedanken nicht fertig aus, sondern ging zum Anrufbeantworter und spielte die Nachricht erneut. Misato wimmerte leise, während sie Ryojis letzten Worte noch einmal hörte. Als aber die Kassette stoppte formte sich ein leichtes Lächeln auf Shinjis Lippen. "Er hat nicht darum gebeten, seine Melonen zu gießen..."
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"Der gewünschte Teilnehmer ist zur Zeit nicht erreichbar."
"Immer noch nichts", stöhnte Asuka, als sie ihr Handy wegpackte.
"Du kennst ihn", versuchte Shinji sie zu beruhigen. "Er kann auf sich selbst..." Er wurde von Asukas wütendem Blick unterbrochen, der ihn sofort daran erinnerte, dass Kaji beim letzten mal nicht auf sich aufpassen konnte.
"Vielleicht weiß er was er tut, aber wir wissen trotzdem nicht, ob es ihm gut geht", beschimpfte sie ihn. "Was ist, wenn er nur vergessen hat seine Melonen zu erwähnen? Warst du schon am Beet? Vielleicht sind wir beim letzten Kampf draufgetreten, damit hätte er keinen Grund uns zu fragen, ob wir sie gießen."
Shinji war kurz davor zu entgegnen, dass sie diejenige war, die einen Monat Zeit hatte das herauszufinden, aber er hielt inne. So empfindlich wie sie in letzter Zeit war, wäre es keine gute Idee gewesen, den wirklichen Grund – seinen Fehler, nicht zu vergessen – zu erwähnen, der sie so mitgenommen hatte. Das, und er wollte keine Szenen an einem öffentliche Ort, wie einem Bahnhof.
"Egal wie, es wäre zu gefährlich für ihn, wenn er an sein Handy geht, also werden wir es erst mit Sicherheit wissen wenn er uns kontaktiert", sagte er schließlich. "Und ich bezweifele, dass das allzu bald sein wird."
"Ich weiß", sagte sie traurig. "Ich weiß."
Instinktiv legte er die Arme um ihre Schultern, um sie näher an sich zu ziehen. Aber gerade, als sie ihn berührte, erblickte er etwas, was ihn sofort dazu veranlasste den Kontakt zu unterbrechen.
"Was ist los?", motzte sie verständlicherweise ärgerlich.
"Rei steht da drüben", erklärte er, mit dem Kopf auf einen Bahnsteig in ihrer Nähe deutend, wo der bekannte Wust aus blauen Haaren aus der Menge heraus stach.
"Denkst du, sie hat uns gesehen?"
"Ich bin mir nicht sicher. Sieht so aus, als ob sie etwas lesen würde", erwiderte er, seinen Hals reckend. "Denkst du wir sollten zu ihr gehen?"
"Nein."
Der deprimierte Unterton in ihrer Stimme brachte seine Aufmerksamkeit wieder zu Asukas niedergeschlagenen Gesicht. "Stimmt was nicht?"
Tief einatmend, schüttelte sie ihren Kopf. "Halb so wild. Ich habe mich nur daran erinnert..."
Ihre Unterhaltung würde durch die Einfahrt des Zuges, die ihre Stimmen übertönte, schnell unterbrochen.
Auf der anderen Seite des Bahnhofs, wandte sich Rei Ayanami wieder ihrer Literatur zu.
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"Ich verstehe trotzdem noch nicht, was daran falsch ist..."
"Ich sage nicht, dass es falsch ist, es ist nur..."
Das Klingeln des Telefons schnitt Asukas Argument ab, und selten war Shinji so froh über diese Ablenkung von der sich anheizenden Diskussion seiner Mitbewohner über das Abendessen. Es war nicht die Stille die er sich gewünscht hatte, aber es gab ihm wenigstens die Möglichkeit sich vom Tisch zu entfernen, bevor eine der beiden auf die Idee kam ihn gegen die andere auszuspielen.
"Ich gehe dran", warf er schnell ein und stand auf, ohne sich darum zu kümmern, ob Asuka oder Misato es bemerkten, da sie wieder zu ihrer Diskussion zurückgekehrt waren, ob ein Haustier wie PenPen am Tisch essen sollte.
Shinji schüttelte den Kopf, als er nach dem Hörer griff. Sie benutzten wahrscheinlich so dumme Themen um gewisse andere nicht anzusprechen, aber trotzdem... "Hallo?"
"Ähm... hallo? Kann... sprechen... mit Asuka?" fragte eine Frau in gebrochenem japanisch. Shinji wurde nervös, weil er bemerkte wer es war, noch bevor sich der Anrufer zu erkennen gab. "Hier ihre Mutter..."
"[E-einen Augenblick, bitte.]"
Keuchend drehte sich Asuka sofort zu ihm um, als sie ihn deutsch sprechen hörte. Sie hatte diesen Anruf schon lange erwartet, und er hatte sie auch erwischt, wie sie für dieses Gespräch übte. Aber letztlich kommen solche Dinge immer überraschend.
Zögerlich stand sie auf und ging zu ihm hinüber, sie war so darauf fixiert, dass sie nicht einmal merkte, wie er ihr stumm viel Glück wünschte, als sie den Hörer nahm.
"[Hallo... M-Mama...]"
Shinji betrachtete sie als sie sprach. Er hörte aufmerksam zu, da er mit dem bisschen deutsch, dass er in den letzten Jahren gelernt hatte, versuchte zu verstehen, was sie sagte.
"[Was, darf ich dich denn nicht so nennen?]", witzelte sie und wurde zuversichtlicher, als das Eis langsam brach. "[Ja, vielleicht ist es ein bisschen... wirklich, nie? Tja... es ist eine Menge passiert seit wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben und – nein, das ist kein Vorwurf, ich hätte ja auch anrufen können. Es ist nur... I-ich wollte mich entschuldigen, okay? Ich habe es dir nie einfach gemacht, auch wenn du versucht hast nett zu mir zu sein. Es ist nicht so, dass ich dich nicht mochte, es war nur... naja, weil du eben nicht meine richtige Mutter bist. Das war dir gegenüber nicht fair, ich weiß, aber ich hoffe du kannst es verstehen... Hallo? Bist du noch da?]" Sie blinzelte zweimal, auf die Antwort wartend. Dann verdrehte sie die Augen. "[Natürlich bin ich es wirklich! J- wer? ... Oh ja das ist er... ich denke er ist okay]", sagte sie ihm zuzwinkernd.
Shinji lächelte zurück. Nun, da seine moralische Unterstützung nicht mehr gebraucht wurde, hörte er auf weiter zuzuhören und ließ Asuka nun alleine beim Small-Talk. Er schaute nicht auf die Uhr, aber es dauerte eine ganze Weile, bis er hörte, dass sie fertig war.
"[Ja... ja, werd ich. Du auch. Mach's gut.]"
Ein müder Seufzer begleitete den Piepston des Auflege-Knopfes und Shinji war schnell hinter ihr. Er legte seine Arme um sie, als sie dankbar das Angebot sich an ihn zu lehnen annahm.
"Das war ein recht langes Gespräch", flüsterte er, was sie dazu brachte leise zu lachen. Aber es war nur von kurzer Dauer. "Fühlst du dich nun besser?"
"Ein bisschen." Sie seufzte einmal mehr. "Aber mit ihr ins Reine zu kommen war die eine Sache. Verglichen zu dem, was uns bald erwartet, war es nichts..."
****************
"Wieder beinahe weitere 5 Punkte runter? Das ist ja noch schlimmer, als die 3,7 von gestern!"
Misato biss sich auf die Zunge, als sie Ritsukos Kommentar hörte, als sie die aktuellen Ergebnisse von Asukas Harmonics-Test ablas. Sie wusste, dass eine Menge ihrem Schützling zu schaffen machte, aber sie konnte nicht einfach sagen "Hey, lasst uns in bisschen nachsichtig mit ihr sein. Immerhin ist sie durch die Hölle gegangen, die zur Zerstörung der Welt geführt hat, hat vor kurzem ihr Kind verloren, dann für einige Zeit noch ihren Geliebten, jetzt womöglich noch eine Person die ihr nahe stand, und ist dabei sich der besagten Hölle noch einmal zu stellen." Aber sie hatte dennoch das Gefühl Asukas Ergebnis irgendwie verteidigen zu müssen.
Schließlich hatte sie sich für eine Ausrede entschieden, die bei ihr in der Vergangenheit oft geholfen hatte. Und soweit sie wusste, konnte da auch ein bisschen Wahrheit dran sein. "Naja, sie hat gerade ihre Tage."
"Die Sync-Rate wird nicht von solchen körperlichen Problemen beeinflusst", entkräftete der Doktor das Argument, noch fast bevor sie es fertig aussprechen konnte. Auch der Blick, den ihr die Blondine schenkte, machte recht deutlich, dass sie erwischt wurde. "Und es ist nicht so, dass ihre Ergebnisse so grausig sind. Sie hat sich sogar wieder ein bisschen von dem Einbruch nach der Niederlage gegen den letzten Engel erholt."
'Ja genau. Wegen ihrer Niederlage.' Misato verdrehte innerlich die Augen. 'Wenn du nur wüsstest...'
"Aber trotzdem liegt sie noch weit unter ihrem üblichen Schnitt, ehrlich gesagt nicht viel höher als die, mit denen sie ihr Training begann. Und das obwohl sie erst vor kurzem den höchsten je gemessenen Wert erreicht hatte", fuhr Ritsuko seufzend fort. "Er ist wieder ein bisschen gestiegen, aber in den letzten drei Tests hat sich der Abwärtstrend wieder eingestellt. Er schwankt zu sehr in letzter Zeit, viel mehr als Shinjis es jemals getan hat. Wenn sie nicht in den Griff bekommt was in ihrem Kopf vor geht..."
"Sie... sie haben das ernst gemeint?, warf eine bestürzte Maya ein.
"Wir können keinen Piloten gebrauchen, der im Kampf mit seinen Gedanken ganz wo anders ist."
"Komm schon Rits", konterte Misato, der nicht gefiel, wohin sich dieses Gespräch entwickelte. Obwohl sie nicht sicher wusste, worauf sich die beiden Frauen bezogen, war es nicht schwer eins und eins zusammen zu zählen. "Wir reden hier von Asuka. Sie lebt für EVA und den Kampf gegen die Engel, nicht für Sync-Tests. Du hast gesehen, wie gut sie sich gegen den letzten geschlagen hat. Es war nicht ihr Fehler, dass er sie überwältigt hat."
"Ja, aber ich habe auch gesehen, dass sie Befehle ignoriert hat ihn vorher mit Langstreckenwaffen anzugreifen. Sie hätte ihn zumindest schwächen können", erinnerte sie Ritsuko. "Und wie ich sagte ist es nicht so schlimm – noch nicht. Ich sage nicht, dass wir sie sofort ersetzen sollten. Aber nur für den Fall, ich denke es wäre am besten, wenn wir schauen, wie gut das Fourth Children zu Einheit 02 passt."
Misato stöhnte. "Irgendwie bezweifle ich, dass das Asukas Stimmung bessern wird."
*********
"Ihr macht WAS?"
Misato seufzte innerlich bei dem vorhersehbaren Ausbruch des Rotschopfes. Sie war sich nicht sicher, ob Asuka viel an dieser Reaktion spielen musste als sie die vier Piloten unterrichteten, die nur geblieben waren um ihre Ergebnisse zu erfahren, bevor sie gehen konnten.
"Beruhige dich", versuchte der Major vergebens die aufgebrachte Pilotin zu beruhigen. "Ritsuko will nur testen ob Toji einen der verbleibenden EVAs steuern könnte, nur für den Fall..."
"Nur für den Fall, dass jemand ersetzt werden muss..." beendete Asuka verbittert den Satz.
Sie nicht mit der gewohnt feurigen, sondern mit einer so frustrierten Wut zu sehen, bereitete Misato Bauchscherzen, die noch schlimmer wurden, nachdem sie zu Shinji gesehen hatte, der mit sich kämpfte nicht zu seiner Liebsten zu gehen um ihr beizustehen.
"Er wird nur einen der Hauptpiloten vertreten, falls ihr nicht kämpfen könnt. Wir denken nicht an einen dauerhaften Wechsel", log Ritsuko ohne zu zögern. Aber Asukas Reaktion nach zu urteilen, war sich Misato sicher, dass ihr vorher schon einmal etwas ähnliches widerfahren war, um die Wahrheit zu kennen.
Aber im Moment hatte keiner eine Wahl und musste den Anweisungen des Doktors folgen.
*********
"Fühlst du dich wohl, Toji?" Misatos Stimme erreicht ihn, als der Plug eingefahren wurde. "Schließlich ist es ja dein erstes 'richtiges' Mal... naja, seit..."
"Ja", murmelte er, mit dem Versuch entspannt zu klingen, auch wenn es nicht ganz die Wahrheit war. Gut, es war auch nicht wirklich eine Lüge, aber es war – seltsam.
Es machte ihn nicht nervös wieder in einem EVA zu sitzen, nach dem was mit Einheit 03 passiert war. Eigentlich konnte er sich kaum an den Vorfall erinnern. Und da er schon sooft in den Testplugs saß, war da kein großer Unterschied (und damit auch nichts, worum man sich sorgen müsste) zwischen denen und dem richtigen aus der Sicht dessen, der darin sitzt.
Aber da war trotzdem... etwas. Etwas, weil es Asukas EVA war. Er konnte es nicht genau einordnen, aber irgendwie fühlte es nicht so an, als würde es zu dem frechen, arroganten Mädchen passen, das er auf dem Flugzeugträger kennen gelernt hatte. Aus Irgendeinem Grund wurde er an das kleine, gemütliche Zimmer seiner jüngeren Schwester erinnert.
Vielleicht hatte Hikari doch nicht so ganz unrecht was sie betraf.
"Okay, wir haben alles was wir brauchen", sagte die Stimme des Doktors schließlich mit einem Anflug von Enttäuschung dabei. "Du kannst wieder raus kommen."
****************
Es war eine natürliche Reaktion der Leute, überrascht zu sein, wenn sie sofort in ihre Augen sahen, sobald sich die Aufzugtüren öffneten. Sie war sich dessen bewusst, dass es unüblich war direkt am Ausgang zu stehen, obwohl sie keine Abneigung gegen diese Art von Transportmitteln hatte und der daraus entstehende Wunsch so schnell wie möglich raus zu kommen. Aber es war praktisch genug für sie, um diese Angewohnheit nicht abzulegen.
Deswegen trat sie nur einen Schritt bei Seite, um das Second Children durchzulassen. Als der Aufzug seinen Weg durch die Etagen des Hauptquartiers fortsetzte, bemerkte sie, dass sie komischerweise nicht im Stande war sich auf ihre Gedanken zu konzentrieren. Normalerweise konnte sie die Leute die sie begleiteten einfach ignorieren, aber dieses Mal spürte sie die Anwesenheit des ungewöhnlich ruhigen Mädchens hinter ihr wachsen, als ob sie wirklich nach ihr greifen würde.
Es könnte sich für NERV als großer Nachteil herausstellen, wenn sie einen wertvollen und erfahrenen Piloten verlieren würden, aber da war auch etwas anderes, als Dr. Akagi gesprochen hatte, verdeckt von der offensichtlichen Lüge Asuka nicht ersetzen zu wollen.
Dieses Gefühl. War es Mitleid? Es war zumindest Mitgefühl.
Rei war sich nicht sicher darüber, welche Erwartungen in dieses Gefühl gesteckt wurden. Sollte sie nicht eigentlich die Sorgen der Bemitleideten lindern? Das Second Children war nie jemand, der bereitwillig Hilfe annahm und Rei wusste nicht, ob sie ihr diese wirklich anbieten wollte. Ein wohlgemeinter Ratschlag war alles was sie...
"Weißt du", unterbrach die unerwartete Stimme des Rotschopfes ihre Gedanken, "Jemand hat mir mal erzählt, dass ich mein Herz öffnen müsse, sonst würde sich der EVA nicht bewegen."
Rei antwortete nicht, ihre Erfahrung sagte ihr, dass einem Satz in diesem Ton weitere Informationen folgen würde. Aber sie wunderte sich, wie ähnlich das zu ihrem Rat war, den sie ihr hatte geben wollen.
"Ich dachte... nein, ich weiß, dass ich es gemacht habe" fuhr Asuka wie erwartet fort. "Und ich bin sicher, dass es nicht soweit kommen wird, dass er sich nicht mehr bewegt. Aber manchmal ist es schwer sein Herz zu öffnen."
"Warum erzählst du mir das?", erkundigte sich Rei.
"Öffnest du dein Herz?"
Asukas direkte Frage sorgte für eine unangenehme Stille von mehreren Sekunden zwischen ihnen während Reis Verstand raste, um ihre Worte zu verstehen – oder eher was sie bedeuteten. "Was... meinst du...?"
"Damit er sich bewegt."
Eine ungenannte Erleichterung durchfuhr Rei, aber sie hielt nicht lange an. "Ich darf nicht."
****************
Asuka starrte auf die Wanne, als das Wasser hineinströmte, aber so abwesend, wie ihr Verstand sooft war, gab es keine Garantie, dass sie ein Überlaufen rechtzeitig bemerken würde.
Sie hasste sich nicht mehr. Aber sie war alles andere als zufrieden mit sich. Warum tat sie das? Sie erinnerte sich an den Abwärtsstrudel noch immer gut genug. Also warum hatte sie wieder diesen Weg eingeschlagen?
Jeder schien es zu bemerken. Kein Wunder, ihre Synchro-Rate musste im Keller sein. Sogar Toji hatte sie mit einem Mitleidvollen Blick angesehen, als er aus ihrem EVA ausgestiegen war. Und Shinji natürlich...
Er hatte bereits einige dürftige Versuche unternommen mit ihr zu reden und es war nur eine Frage der Zeit, bis er etwas mehr nachhaken würde. Es war nicht so, dass sie nicht mit ihm reden wollte, aber jedesmal gab es da etwas, das sie im aller letzten Moment zurückhielt. Uns sie wusste nur zu gut, was das war.
Angst. Das gleiche hässliche Ding, das sie zum letzten Mal in den ersten Monaten ihrer Schwangerschaft gefühlt hatte. Das einzige, was es immer noch schaffte zwischen ihnen zu stehen.
"So auf die Badewanne zu starren bedeutet wahrscheinlich nichts Gutes."
Instinktiv schreckte Asuka vor der Stimme weg, als sie aus ihrer, sie vereinnahmenden Trance gerissen wurde. "Weißt du nicht, dass man anklopft?! Ich bin hier nackt, Baka!"
"Nichts, was ich nicht schon gesehen hätte", erwiderte Shinji mit einem listigen Grinsen.
Ihre Arme legten sich zögerlich wieder an ihre Seite nach dem Versuch sich zu bedecken, aber sie mied noch immer verschämt seinen Blick. Nicht wegen ihrem Zustand, sondern weil er im Recht war und sie in Wahrheit seit Jahren keinen annähernd ähnlichen Anfall in solchen Situationen hatte.
"Also was willst du?", fragte sie ihn immer noch ein bisschen verärgert, auch wenn ihr Selbstvertrauen langsam wieder zurückkam, als sie ihre Hände auf ihre Hüften legte. "Willst du nur wieder einen Blick auf diesen knackigen, aber skandalös minderjährigen Körper werfen?"
"Nunja, da hab ich auch nichts gegen."
"Alter Hentai..."
"Oh, solange ich auch in so einem skandalös minderjährigen Körper gefangen bin, denke ich nicht, dass ich mir Sorgen machen müsste, wegen Pädophilie eingesperrt zu werden", sagte er leise lachend.
"Vielleicht", stimmte Asuka ein, "Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass jemand, der um die zwanzig Jahre ist, von dem Körper einer Vierzehnjährigen angezogen wird. Und das ist – einfach – falsch!" sagte sie, während sie auf ihn zuging und ihm bei den letzten übertriebenen Worten auf die Brust stieß – bevor sie ihre Arme um ihn schlang. "Sei froh, dass ich genauso ein alter Hentai bin."
Sie lehnte sich vor ihn zu küssen, aber sie wurde überraschender Weise von seiner Hand gestoppt. "Asuka", fing er mit ernsterer Stimme entschuldigend lächelnd an, "Eigentlich bin ich hier. um mit dir zu reden."
"Und das konnte nicht warten bis wir im Bett sind?", jammerte sie, sich enger an ihn kuschelnd in der Hoffnung ihn in die Stimmung zu bringen
Aber schließlich packte er ihre Oberarme und schob sie behutsam auf sichere Distanz. Was nur bedeuten konnte, dass er es ernst meinte.
"Du weißt, dass es nicht mehr lange dauern wird. Ein, vielleicht zwei Tage wenn ich mich recht erinnere", sagte er, bei dem Versuch ihr in die Augen zu schauen, aber sie wandte schnell den Blick ab. Das war wirklich nicht das Thema, über das sie jetzt sprechen wollte. "Es bleibt nicht mehr viel Zeit und ich... ich kann mich nicht noch länger zurückhalten und darauf warten, dass du es alleine schaffst. Sie fangen schon an sich Sorgen zu machen. Der Test mit Toji war Beweis genug dafür. Von dem was ich gehört habe ist es nicht so schlimm wie beim letzten Mal, aber das bedeutet denen nicht viel. Es sieht nur 'schlimmer als vorher' aus, ohne den Vergleich, den wir ziehen können." Er seufzte, sanft ihre Wange haltend. "Ich bräuchte darüber nicht einmal etwas zu hören und wüsste, dass du nervös bist. Ich wette, das ist auch der Grund, warum du hier gerade Löcher in das
Wasser gestarrt hast. Also warum willst du nicht...?"
"NICHT JETZT!" Bemerkend, dass es schärfer aus ihr herauskam, als sie es wollte, besänftigte sie ihn. "Bitte, nicht jetzt..."
"Aber..." Ein Seufzer leitete seine Niederlage ein und als er sie in die Arme nahm, war es passiert. "Okay. Erst das Bad, vielleicht fühlst du dich dann bereit zu..."
"Du willst also mit mir baden?", unterbrach ihn Asuka wieder, sie drehte ihm die Worte im Mund herum, bevor er das sagen konnte, was sie nicht hören wollte. Sie wusste es auch so. Und sie wusste, dass er recht hatte. Aber sie konnte sich dem nicht stellen. Sie konnte sich selbst solange betrügen, wie er sie nicht daran erinnerte.
"Ähm... das habe ich nicht..."
"Im selben Wasser baden, das der Baka Shinji benutzt?", fragte sie mit einem Lächeln, von dem sie wusste, dass er ihm nicht widerstehen könnte. "Ja, ich denke das würde mir gefallen."
*********
Shinji lag auf ihrem Bett, passiv darauf wartend, dass Asuka sich ihren Pyjama anzog. Nicht, dass ihr gemeinsames Bad kein angenehmer Zeitvertreib war, aber für ihn hatte es sich nicht so entspannend angefühlt, wie es sollte und, soweit er es aufgrund ihrer Steifheit sagen konnte, für sie auch nicht. Er fühlte sich beschämt, wegen seiner Unfähigkeit ihr zu helfen, nur weil es gegen ihren Willen war. Offenbar hatten die letzten Jahre in dieser Hinsicht nichts geändert.
Sie war ihm schon wieder ausgewichen und er konnte sich nicht überwinden sie dazu zu zwingen. Warum? Er wusste, dass es alles nur schlimmer machte, wenn sie nicht mit ihm sprach, und er war sicher, dass sie es ebenso gut wusste. Und nun hing es schwerer über ihnen als jemals zuvor.
"Shinji", unterbrach sie plötzlich seine Gedanken mit einer eher ängstlichen Stimme, ohne sich zu ihm umzudrehen als sie den letzten Knopf ihres Oberteils zu machte. "Versprich mir bitte nur eins: Wenn es passiert, mach nichts Dummes. Versuch nicht auszubrechen und mir entgegen der Befehle zu helfen. Ich kenne dich gut genug um zu wissen, dass du es willst, aber bitte tu es nicht."
"Aber..." Er bemerkte kaum, dass er vom Bett aufgesprungen war.
"Du weißt, es wäre zu verdächtig." Fertig mit umziehen, drehte sie sich achselzuckend um, mit einem offensichtlich falschen Lächeln im Gesicht. "Und, hey, wer weiß? Vielleicht wird er die selben Erinnerungen wie beim letzten Mal benutzen. Die habe ich nun endlich akzeptiert."
"Asuka, du glaubst doch selbst nicht...", flehte er, aber wurde wieder von ihr unterbrochen, als sie ihre Hand nahe vor seinen Mund hielt.
Asuka tat ihr Bestes um ein zuversichtliches Lächeln zu zeigen, aber ihre Augen verrieten sie. Vielleicht waren die Gründe, warum sie ihre Ängste nicht zugeben konnte nicht die gleichen, wie die ganzen Jahre zuvor, aber es zu tun um ihn (und eigentlich auch sich selbst) davon abzuhalten sich Sorgen zu machen war kaum besser.
"Shinji, ich muss das alleine schaffen und das weißt du", sagte sie ruhig. "Du hast dich ihnen schon sooft widersetzt in deiner 'Karriere'; eine weitere Befehlsverweigerung von diesem Ausmaß und sie könnten dich in eine dieser Zellen einsperren und nur zum kämpfen rausholen. Und wir können nicht einfach Rei dem Engel überlassen. Oder glaubst du, dass er mich die Lanze holen lassen würde?" Es war eher eine rhetorische Frage und bevor er antworten konnte, tat sie es, indem sie ihren Kopf schüttelte. "Du hast dich deinen Engeln gestellt, nun muss ich mich meinem stellen – alleine."
Nach dem Lichtschalter greifend, beendete sie die Diskussion indem sie ihr Zimmer in Dunkelheit hüllte, bevor sie neben ihn unter die Decke des Bettes, das sie sich teilten, schlüpfte. Er kannte sie gut genug um zu wissen, dass sie keine weiteren Argumente annehmen und wenn nötig so tun würde, als wäre sie schon eingeschlafen. Besonders wenn beide wussten, dass sie recht hatte – größtenteils.
Er würde sie sich dem wohl selbst stellen lassen müssen. Aber er würde es auf keine Fall zulassen, dass er sie es alleine tun würde.
*********
Ein unerwartetes Klopfen an der Türe riss Misato aus ihrem gerade gefundenen Schlaf. Stöhnend, rollte sie sich über ihren Futon um einen Blick auf die Uhr zu werfen, nur um zu merken, dass es viel zu früh war, um ohne guten Grunde geweckt zu werden. Unter der Decke hervorkriechend, hievte sie sich hoch und latschte zu wem auch immer, der besser einen verdammt guten Grund hatte.
"Shinji...?", fragte sie murmelnd, den Schatten auf der anderen Seite der Tür erkennend, als sie diese öffnete.
"Tut mir Leid, falls ich dich geweckt habe, ich konnte nicht schlafen", entschuldigte er sich sofort.
"Schon gu-hut", gähnte sie ihre Bestätigung, obwohl es eher aus Höflichkeit als sonst etwas war. "W-Was ist los?"
"Misato, ich.. kann ich dich um etwas bitten?"
"Sicher."
Er drehte seinen Kopf schnell zu Asukas Zimmer, als wollte er schauen, dass sie nicht herauskam. "Bitte, Asuka darf davon nichts wissen. Sie... würde dem nicht zustimmen. Aber... wenn der nächste Engel kommt..."
"Falls du möchtest, dass ich die Starre von deinem EVA aufhebe, fürchte ich, dass ich dir nicht helfen kann", sagte sie schnell, der Schlaf lies – sehr zu ihrem Entsetzen – langsam nach. "Das liegt alles bei deinem Vater."
Seine Schultern hingen bei dem Seufzer herab. "Ja, sowas in der Art habe ich schon erwartet. Aber da das nicht geht, könntest du uns eine sichere Verbindung einrichten? Du weißt schon, so dass ich mit ihr reden kann ohne, dass es jemand hört oder aufgezeichnet wird?"
Überrascht von dieser unerwarteten Frage, brauchte Misato einige Sekunden bis sie wieder in der Lage war zu antworten. "I-ich kann's versuchen, aber ich bin kein Techniker. Ich kann wirklich nichts versprechen. Und ich weiß ernsthaft nicht, wie wir Asukas Antworten an dich aus der normalen Kommunikation herausfiltern könnten."
Als sie seinen niedergeschlagenen Gesichtsausdruck im schwachen Mondlicht sah, wünschte sie sich, sie hätte ihm etwas anderes sagen können. Aber Shinji nickte auch so widerwillig. "Bitte versuch es. Es würde schon eine Menge helfen, wenn ich zumindest frei mit ihr sprechen kann, wenn es zu schlimm wird."
Misato runzelte die Stirn. 'Was kommt da bloß auf uns zu?' Zwar langsam, aber sie nickte. "Ich werde mal sehen was ich tun kann."
****************
"'Ich werde mal sehen was ich tun kann'", wiederholte Misato murrend für sich selbst als sie wie wild auf der Konsole herum tippte. "Ich und meine große Klappe."
Unter Druck zu arbeiten, ließ sie oft doppelt so effizient sein, aber nur ein paar Minuten für etwas zu haben, für das sie nicht so geeignet war, war trotzdem ein bisschen viel. Als ob es nicht schon schlimm genug wäre heute das Mittagessen zu verpassen. Aber die Zeit, in der die Brückencrew in der Kantine war, schien die beste Möglichkeit zu sein, in der sie ihren Plan umsetzen konnte, weil sie nur die durcharbeitende Maya (die immer diejenige war, die freiwillig zurückblieb) überzeugen musste einmal etwas warmes zu essen. Es hatte immer noch lange genug gedauert den Leutnant zu überzeugen, dass sie die Brücke zwanzig Minuten alleine unter Kontrolle hatte.
'Ritsuko hätte das sicher in ein paar Sekunden erledigt und auch noch besser. Verdammt, sogar Ka...' Ihre Finger stoppten abrupt, als ihr Herz bei diesem Gedanken aussetzte. Aber sie verdrängte ihn ärgerlich. 'Du darfst nicht so denken. Sie haben gesagt, dass er in Ordnung ist. Zumindest hoffen sie es...'
"Major?"
Überrascht speicherte und schloss Misato das Fenster. Inhalierte dieses Mädchen ihr Essen, oder war sie wirklich so von ihrer Arbeit besessen?
"Was machen sie hier?", fragte Maya mit unschuldiger Neugier.
"Äh, ich wollte... nur ein bisschen Solitär spielen", gab Misato verlegen zu, als sie aus dem Sitz aufsprang was ihr sofort den erwarteten Blick voller Mitleid einbrachte bei dem vermuteten Mangel an Wissen der Vorgesetzten.
Aber sie hatte es geschafft, das zu machen was sie vorhatte. Zumindest hoffte sie das.
Aber sie hätte sowieso keine Zeit gehabt es zu kontrollieren, denn der plärrende Alarm kündigte die Ankunft des 15ten Engels an.
*********
Die Brücke war in wenigen Minuten wieder Besetzt, als jeder seine eigene Kampfstation besetzte.
"First, Second und Third Children sind in ihren EVAs", berichtete Makoto, während Misatos Augen den blinkenden Punkt fixierten, der im Moment alles war, was sie vom 15ten hatten. "Das Fourth Children ist auf dem Weg, wird aber frühestens in 15 Minuten hier sein."
'Nicht, dass das eine Rolle spielen würde', dachte der Major abwesend, aber ihre Gedanken waren eher auf den unbekannten Feind gerichtet. Viel mehr als sonst wunderte sie sich, was er in der Hinterhand haben könnte, dass Shinji so um Asuka besorgt war, dass er eine abhörsichere Leitung zu ihr haben wollte.
"Visuelle Bestätigung des Engels", kündigte Shigeru in dem Moment an, als auf dem Monitor das Bild eines Satelliten im Orbit auftauchte, das sich schnell erneuerte und ein genaueres Bild der leuchtenden Vogel-ähnlichen Gestalt zeigte. Mit diesen 'Flügeln' war es die bisher 'engelhafteste' Erscheinung, aber Misato war bereit darauf zu wetten, dass sich dieser Eindruck verwerfen würde, sobald sie eine besseres Bild bekämen. Egal, denn der der langhaarige Techniker bestätigte schon, dass es die maximale Zoom-Stufe war.
Und er bewegte sich überhaupt nicht.
"Bedeutet das, dass er auf eine gute Gelegenheit wartet runter zu kommen?", dachte sie laut. "Oder wird er uns von dort oben aus angreifen?"
"Es wird nicht leicht für uns werden ihn dort oben zu erreichen", fügte Makoto hinzu.
"Egal wie, wir können nichts tun, solange er außer Reichweite der Waffen ist. Die EVAs können keinen Feind im Orbit besiegen." Sie fluchte leise. Was hatte sie beim letzten Mal getan, um ihn zu besiegen? Die einzige logische Wahl gegen einen solchen Gegner war das Positronengewehr, aber war es auch die Beste? Könnte sie eine bessere Idee als das haben, die ihr jetzt nur nicht einfiel, weil sie ihr Gehirn mit solchen Gedanken blockierte? Scheinbar war etwas mit Asuka passiert, aber weil sie feuerte oder weil sie Deckung gab? Wenn sie das doch nur wüsste, könnte sie nun andere Entscheidungen treffen, damit Shinjis Plan nicht einmal nötig wäre. Aber was wenn dann die einzige Möglichkeit ist, Rei ihren Platz einnehmen zu lassen? Das wäre ihr gegenüber nicht fair.
Warum hatten sie es ihr nicht einfach erzählen können?
"Major?"
Makotos leiser Ruf ließ sie zusammenzucken. Sie musste sich zusammen reißen und Befehle erteilen, oder sie könnte auch einfach von ihrem Posten zurücktreten. Schließlich hatte sie diese Kinder schon sooft zuvor in den sicheren Tod geschickt. Da sie nun wusste, dass dieses Mal sicher etwas geschehen würde sollte ihr Urteilsvermögen nicht beeinträchtigen... richtig?
"Wie ist...", begann sie ruhig, aber wurde plötzlich von einem sich öffnenden Komm-Kanal unterbrochen.
"Komm schon, Misato! Lass mich endlich diesen Engel erledigen!", forderte Asuka ungeduldig.
"Asuka, ich bin nicht..."
"Misato", mischte sich nun auch Shinji in die Diskussion ein. "Ich... ich denke, dass es wirklich das Beste für sie wäre es zu tun."
Der Major seufzte, schmerzlich spürte sie die Blicke der Kommandanten im Rücken. Strategische Anweisungen von ihren Untergebenen zu bekommen untergrub heftig ihre Kompetenz, aber sie sollten am ehesten Wissen, was in dieser Situation angebracht war. Und sie scherte sich auch sowieso nicht um ihren militärischen Rang.
Sie streckte Shinji ihren Daumen entgegen, der lächelnd das Komm-Fenster schloss, Asuka folgte seinem Beispiel. "In Ordnung, Einheit 02, Start! Vorbereiten für Langstreckenbeschuss! Rei wird Deckung geben!"
"Du weißt, dass es ihr nicht besonders helfen wird, wenn sie hier versagt", bemerkte Ritsuko.
"Vielleicht", gab Misato zu, "aber lass uns lieber hoffen, dass die Probleme vorbei sind wenn sie es nicht tut."
*********
Das Warten war schon schlimm genug gewesen, als sie voller Adrenalin und Tatendrang war, und nur ein kleines bisschen Angst vor den unbekannten Fähigkeiten des Engels in ihrem Hinterkopf nagte. Aber das Wissen um das, was kommen würde war noch viel schlimmer.
Asukas Bemühungen sich zu beruhigen und die Nervosität zu ignorieren, waren vergebens, aber versuchte es trotzdem. Sie beachtete nicht einmal das kleine Licht, das der Engel war und die Fadenkreuze, die es nicht schafften das außer Reichweite befindliche Ziel zu fixieren. Ihre Augen waren unter dem Visier geschlossen, als sie auf ihren unregelmäßigen Atem hörte, der laut durch das immerwährende, tiefe Brummen im Inneren des Entry Plug klang. Es war verwunderlich, dass niemand sich über ihren Herzschlag und andere Vitalfunktionen beklagte. Ihr Herz fühlte sich an wie ein Presslufthammer in ihrer Brust. Sie wünschte sich beinahe, dass es anfing, damit sie es hinter sich hatte.
Ein Gedanke, den sie nur all zu schnell bereute.
***
Man hätte denken können, dass es nur ein einfacher Lichtstrahl war, der EVA-02 traf, da er keinen sichtbaren Schaden hinterließ, aber auch ohne den schrillenden Alarm brauchte Misato nicht viel Vorstellungskraft, dass das nicht der Fall war, da es von einem Engel kam.
"Ist das eine Partikelwaffe?", fragte sie trotzdem.
Makoto schaffte es jedoch schnell ihre Vermutung zu bestätigen. "Nein, keine Thermoenergetische Reaktion festzustellen!"
"Ungewöhnliche Muster im Psychographen!", warf Maya plötzlich ein. "Mentale Verseuchung wird bald beginnen!"
"Eine psychische Attacke eines Engels?", fragte Ritsuko, aber eher sich selbst. "Können sie den menschlichen Verstand begreifen?"
'Psychisch?' Misato biss die Zähne zusammen, als sie hilflos auf das Display zurückschaute wo der EVA unter dem Angriff krampfte. Ein Angriff, dem sie nichts entgegenzustellen hatten. 'Asuka...'
***
Sie schrie, schrie wegen dem brennenden Druck, der sie umgab, der sich in sie bohrte. Trotz ihres Schmerzes, schaffte sie es irgendwie den Reflex zu unterdrücken, den Abzug zu betätigen und zwang sich dazu das Gewehr fallen zu lassen, bevor sie mehr Schaden verursachen als verhindern würde. So egoistisch und grausam es auch war, aber ein Teil von ihr bereute, dass sie nicht jemand anderen ihren Platz hatte einnehmen lassen.
Wie konnte sie diesen Schmerz vergessen haben?
Der Schmerz, als ihre Verteidigung aufgebrochen wurde, als ob diese nicht einmal vorhanden war. Der Schmerz, als die verborgenen Dinge in ihrer Seele herausgerissen und aufgedeckt wurden. Der Schmerz, als ihr Verstand von dieser gottverdammten Kreatur, die sie Engel nannten, beschmutzt wurde.
"Mama!"
Bitte!
"Hilf mir..."
Mama?
"Bitte..."
Wo bist du?
***
Es war dunkel.
Da war nichts.
Nichts außer einem Geräusch.
Dem eines weinenden Kindes.
'Was? Ist das wirklich so wie beim letzten Mal?', fragte sie sich, als ein Mädchen auftauchte, mit dem Rücken zu ihr gewandt. 'Da bin ich. Ich weine. Aber warum? Ich habe das lange hinter mir gelassen...'
Aber dann ergriff eine kalte Angst ihr Herz, als ihr auffiel, dass die Haare des Mädchens nicht Rot waren wie ihre, sondern eher dunkel Braun, wie...
Bevor sie sich entscheiden konnte ob sie eher ihre Neugierde über ihre Angst siegen lassen oder vor dem unvermeidlichen davonlaufen wollte, hörte das Mädchen plötzlich auf zu weinen und drehte sich langsam um. "Warum hast du mich alleine gelassen?"
***
"NEIIIIIIN!"
Der Schrei klang schmerzhaft in Misatos Ohren, aber dass war nichts gegen das anwidernde Gefühl in ihrem Bauch. Da muss etwas schief gelaufen sein. Sie konnte doch wohl nicht geplant haben, dass sie so verletzt wurde.
"Asuka, Rückzug!", befahl sie, aber bekam keine Antwort.
"Keine Reaktion!", bestätigte Shigeru.
"Vielleicht ist sie schon zu sehr in ihrer Gedankenwelt verloren, dass sie uns nicht mehr hören kann."
Diese Vermutung brachte Ritsuko einen Blick vom Major ein, der sie verstummen ließ. Solche Gedanken waren das letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte.
"Was ist mit Rei?", rief sie, hörend auf das durchgehen der Protokolle, die die Piloten vor der Feuererlaubnis durchgehen mussten.
"... und Gravitation, .03!"
"Druck in der Kammer auf Maximum!"
"Letzte Sicherung entfernen!" Makoto war der Letzte, der eine Durchsage machte. "Gesamtes Personal, bereit machen zum feuern!"
Keine Sekunde später schoss der kraftvolle Strahl aus dem Positronengewehr von Einheit-00 in den Himmel, perfekt auf den Engel gezielt – nur um in mehrere gestreute Strahlen gespalten zu werden, als er auf das schützende AT-Feld prallte.
"Keine Auswirkungen!", bestätigte Shigeru. "Wir haben nicht genug Energie um das AT-Feld auf diese Entfernung zu durchbrechen!"
"Aber der Output ist auf Maximum! Wir können nicht mehr Energie geben!"
Misato fluchte leise in sich hinein. Wenn ihre einzige Langstreckenwaffe nicht genug war, gab es nichts was sie tun konnten, um Asuka möglichst schnell da herauszuhelfen. Sie konnte nur hoffen, dass Shinji ihr Zeichen verstanden hatte. Wenn er sie nicht erreichen konnte...
***
Sie war wieder zurück, zurück in der Nähe des Gartens, in der Nähe ihres Hauses. Aber sie konnte es nicht mehr wiedererkennen. Mehrere zerbrochene Planken lagen auf dem Boden oder waren von einer großen Kraft, die sie getroffen habe musste, nach innen gebogen, und ließen ein klaffendes Loch in dem Zaun zurück.
Als sie durchkroch, wurde der Anblick vor ihr nur noch schlimmer. Der Boden war durchwühlt und brach, es gab keine Anzeichen von den Pflanzen und dem Gemüse, die diese große Fläche gefüllt hatten. Das Gewächshaus war einfach leer, Tische und Kisten lagen auf dem Boden, mehrere Scheiben waren kaputt. Hinter ihr schlug die Tür des Hühnerkäfigs, die nur noch am unteren Scharnier gehalten wurde, im Wind hin und her und gab den Blick auf Federn und Blut frei. Es sah so aus, als ob wilde Tiere eingefallen wären und ungehindert alles zerstört hätten, was in ihrem Weg war.
Der Wind blies ihr ins Gesicht. Etwas wurde in ihre Richtung geweht, rollte über den Boden und kam schließlich vor ihren Füßen zum Stopp. Sie wich vor Schreck einen Schritt zurück, als sie realisierte, dass es der Kopf einer Puppe mit hell-roten Haaren war. Alles was sie wollte war die Augen zu schließen. Sie war nicht mehr in der Lage den schrecklichen Anblick um sich herum zu ertragen. Aber sie konnte es nicht, so sehr sie auch das fürchtete, was als nächstes kommen würde. Nicht einmal ein entsetzter Schrei entfuhr ihr, als sie mit den Augen den Weg des Kopfes zurückverfolgte.
Der Körper lag kaum drei Meter entfernt, zerfetzt und blutig. Tiefe Kratzer bedeckten ihn und es sah beinahe so aus, als ob ein Bein fehlen würde. Dort lag sie, die Überreste der Puppe noch in ihren Armen...
"Nein..."
...lächelnd...
"Nein!"
...tot...
"NEIN!"
"Du hast mich verlassen..."
"NEIIIIN!"
Die Szene verschwand als sie zusammenbrach, aber sie wurde nicht alleine gelassen. Der kleine Körper war noch da.
"Du weißt, das etwas wie das hier so oder so passiert wäre. Irgendwann wäre ich schwer verwundet worden. Oder ich wäre an etwas erkrankt, was Papa nicht hätte heilen könnte. Letztlich wäre es so gekommen."
Asuka konnte es nicht ertragen zu der Gestalt ihrer Tochter aufzusehen. Sie duckte sich wimmernd, als sie langsam näher kam. "Das ist nicht real. Das ist nicht real", flüsterte sie zu sich selbst in einem Mantra.
"Was? Denkst du, du hättest mich beschützen können? Du weißt, dass das nicht stimmt."
"Das ist nicht real. Aki starb nie. Das ist nicht real."
"Woher weißt du das? Vielleicht bist du nur in einer anderen Zeitdimension, während meine noch existiert."
Asuka schüttelte wild den Kopf, sie wollte das nicht mehr anhören. "Das ist nicht real."
"Du bist so eine Heuchlerin. Du sagst du bist traurig, weil du mich verloren hast?", sprach die Erscheinung, grausam verhöhnend. "Du wolltest mich von Anfang an nicht! Du selbst hast versucht mich zu töten!"
Asuka versuchte sich ihre Ohren zuzuhalten, aber es half nichts die schrecklichen Anschuldigungen abzublocken, die ihr Herz mehr quälten, weil sie die Wahrheit dahinter kannte. "Das... das ist nicht..." Ihre Stimme wurde von den Schluchzern verschluckt.
"Aber vielleicht wolltest du mich wirklich nicht verlassen. Vielleicht wolltest du es hautnah miterleben. Vielleicht wolltest du mich halten..." Das Kind stand nun genau vor ihr und lehnte sich mit jedem Wort ein bisschen näher zu ihr hinunter.
"Das ist nicht real."
"...bei meinem..."
"Das..."
"...allerletzten..."
"...ist nicht..."
"...Atemzug..."
"...REAL!"
***
"Öffne Barrieren 16 bis..."
"Wir haben alle Kommunikation mit Einheit-02 verloren!", unterbrach Hyuga den Bericht notgedrungen.
"Was?", fragte Ritsuko, ihre Verwunderung war so groß wie seine. "Schottet sie der Engel von uns ab?"
"Unbekannt!"
Misato ignorierte den Aufruhr um sich herum, ihre Augen starr auf den Schirm gerichtet. 'Hier ist deine Chance. Nutze sie gut.'
***
"Asuka?" Da war eine weitere Stimme, die sie erreichte, eine leise, aber sie hörte sie irgendwie. "Asuka?"
"Sh-Shinji?!
"Bleib ruhig Asuka! Vater hat Rei gerade die Lanze holen geschickt! Es ist fast vorbei!"
"Shinji? Es- es tut schrecklich weh, Aki, sie..."
"Asuka erinnere dich, was du mir erzählt hast! Es zeigt dir nichts als deine Ängste auf!"
"Aber... Aki... Ich... sie muss mich hassen..."
"Asuka, du warst immer eine großartige Mutter. Sie liebte dich zu sehr als dass sie dich jemals hassen könnte. Das einzige, das sie gehasst hat, war dich traurig zu sehen."
"Sie...?"
"Erinnere dich daran, wie glücklich sie immer war. Erinnere dich an ihr Lächeln!"
"Er... erinnern?"
***
Und sie erinnerte sich. Wie konnte sie das jemals vergessen haben? Akis breites Lächeln war das erste Bild, das ihr in den Sinn kam. Und somit brach ein Damm, es überflutete ihren Geist: Das erste Mal als sie sie streichelte; Akis erste Schritte; das Gewicht und die Wärme ihres kleinen Körpers als sie sie hielt; die Art, wie sie oft in ihrem Bett schlief, noch immer ihre Kleider an und mit den Füßen die Decke weggetreten; ihr unschuldiger Blick wenn sie dabei erwischt wurde, wenn sie etwas schlimmes getan hatte; ihre ersten Worte und die die folgten...
"Nah'"
"Was 'as?"
"Will nich'!"
"Äff'n!"
"Schau, hab' ich alles selbst gemacht!"
"Jetzt kann Mama immer bei mir sein!"
"Lieb' dich."
"Mama!"
"Mama?"
Die Stimmen verstummten auf einen Schlag. Asuka schlug ihre Augen plötzlich auf, aber sie konnte nicht nach oben schauen, sie war zu besorgt, dass die ihre Hoffnung sie betrügen würde.
"Sei nicht traurig, Mama..."
"Aki?", fragte sie sanft, ihren Kopf ganz langsam anhebend. Als sie in die strahlend blauen Augen vor sich sah, bestand kein Zweifel mehr. Das war die Aki, die sie kannte; das war ihre Tochter. Abrupt warf sie ihre Arme um das kleine Mädchen, und zog sie in eine enge Umarmung. Es schien so lange, viel zulange her, dass sie sie so halten konnte.
"Es tut mir Leid", schluchzte Asuka befreit, sich nicht um ihre Tränen kümmernd. Ihre Hände streichelten sorgsam den kleinen Rücken, versuchten jeden Zentimeter zu fühlen. "Es tut mir so Leid."
"Wegen was?"
"Dass- dass ich dich nicht mitnehmen konnte! Dass ich dich zurückgelassen habe!"
"Wolltest du gehen?"
Asuka schüttelte heftig ihren Kopf.
"Dann ist das nicht deine Schuld, oder?"
Bei den Worten ihrer Tochter, fühlte sich Asukas Herz plötzlich tausendmale leichter. Aber sie fühlte sich dadurch nicht besser, da sie wusste was kommen würde.
"Es ist... ich... ich vermisse dich so sehr...", gestand sie, und hielt sie noch ein wenig fester, unwillig sie wieder gehen zu lassen.
Aki wich ein klein wenig zurück und schaute sie fragend an. "Warum?"
"We-weil du nicht hier bei mir bist. Weil wir nicht mehr zusammen sind."
Das brünette Kind blinzelte, offensichtlich nicht verstehend. "Aber wir sind jetzt zusammen", sagte sie und ihr Lächeln tauchte wieder auf. "Heißt das dann nicht, dass ich bei dir bin?"
Asukas Augen weiteten sich bei dieser Erkenntnis. Sie brachte ein zittriges Lächeln zustande, als sie zu ihrer Tochter sah. "Ja. D-du hast recht. Du wirst immer bei mir sein, wo ich auch bin." Sie schniefte und streckte ihre Hand aus um Akis Wange zu streicheln. "Du warst schon immer so ein schlaues Mädchen. Das hast du von mir. Aber lass das deinen Vater bloß nicht wissen."
Das unschuldige Kichern des Kindes hallte wieder in der riesigen Leere, als ihre Form anfing zu verschwinden.
"Ich liebe dich, Mama."
Eine Träne lief Asukas Gesicht herunter, als sie traurig lächelnd, die Hand nach der verschwindenden Gestalt ihrer Tochter ausstreckend. "Ich liebe dich auch."
Dann war Aki verschwunden. Der Schmerz in ihrem Herzen war nicht so schlimm wie sie es erwartet hatte, wenn sie auf Wiedersehen sagen musste, aber es tat noch immer weh.
Plötzlich spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter, sie drehte überrascht ihren Kopf. Eine rot-haarige Frau lächelte, anerkennend nickend, auf sie herab. Bevor auch sie, wie alles andere um Asuka herum verschwand, als der 15te Engel von der Lanze des Longinus durchbohrt wurde.
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Asuka zog ihre Knie ein bisschen näher an ihre Brust, als sie zusah, wie ihr EVA durch ein Tor im Boden herunter gefahren wurde. Sie fühlte eine Art Melancholie in ihrem Inneren, aber sie musste nicht vergebens mit den Tränen kämpfen wie sie es einst tat. Es war nicht die wütende Traurigkeit, in mehr als einer Hinsicht, hilflos und besiegt zu sein, die sie damals verspürte. Es war ein wirbelnder Mix aus Verlust und Akzeptanz, der, auch wenn sie nach außen ruhig wirkte, nur einen kleinen Tropfen brauchte um den emotionalen Damm bersten zu lassen.
Und auch ohne sich umzudrehen, konnte sie den 'Tropfen' näher kommen hören mit Plugsuit tragenden Füßen und dem Rascheln des "Quarantäne"-Absperrbandes als er darüber kletterte. Als Shinji sich schließlich hinter sie setzte und seine Arme um sie legte, entspannte sie sich ein bisschen, beruhigt von seiner Wärme, aber in diesem Moment brachte sie nichts anderes hervor, als ein müdes Seufzen.
"Wer weiß, wie sich alles entwickelt hätte, wenn du das beim letzten Mal getan hättest...?", flüsterte sie grübelnd.
"Ich denke, das ist eine Frage die ich mir in letzter Zeit oft selbst gestellt habe..."
"Ja, das weiß ich", stimmte sie zu. "Aber für mich war das der alles entscheidende Wendepunkt. Ich war verwirrt, erschreckt, wütend, verletzt wie ich noch nie verletzt war – als du kamst um mich zu sehen, schrie ein Teil von mir danach es anzunehmen, zumindest dieses eine Mal, um meinen Schmerz zu lindern, wenn auch nur ein klein wenig. Aber ich habe es nicht getan. Ich weiß nicht mehr ob oder wie sehr ich mich gewehrt hätte, wenn du es trotzdem versucht hättest. Aber du hast es nicht. Und als du dich umgedreht hast und gegangen bist, fühlte ich mich nur... leer."
"Wie fühlst du dich jetzt?"
"Ich weiß es nicht. Es tat weh. Am Anfang tat es mehr weh als letztes Mal. Ich hätte nicht gedacht, dass das gehen würde. Aber dann..." Ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen, "Sie war da..."
"Asuka", seufzte Shinji. "Das war nur..." Er konnte den Satz nicht zu Ende sprechen, da sie sich gegen ihn lehnte, ihn mit all der Entschlossenheit in die Augen sah, die sie aufbringen konnte.
"Sie war da, Shinji!" Versicherte sie, nicht nur ihm, sondern auch sich selbst. Es war vielleicht nicht die Wahrheit, aber das letzte woran sie denken wollte war, dass es nur ein Produkt ihrer Einbildung war. "Ich hielt sie in meinen Armen! Ich konnte sie spüren..." Ein Schluchzer unterbrach sie, als sie sich erschöpft in seine Arme zurückfallen ließ. "Und dann musste ich sie wieder gehen lassen..."
Ob Shinji kein lahmer Versuch eingefallen war, sie zu beruhigen oder ob er absichtlich schwieg, vermochte sie nicht zu sagen, aber sie war dankbar dafür. Die Tatsache, dass er für sie da war, war alles was gerade zählte.
"Ich... ich weiß nur nicht, ob ich das noch länger aushalte. Es tut so schrecklich weh. Als ob ihr Verlust nicht schon furchtbar genug ist, darf ich nichtmal offen um sie trauern. Nein! Stattdessen muss ich so tun, als ob es mir gut ginge und nichts je passiert wäre! I – ich..." Sie hatte nicht mal bemerkt, dass sie angefangen hatte zu schreien, bis er sie etwas enger umarmte. "Ich bin es so leid. Ich bin es leid meinen Schmerz zu verbergen. Das war etwas, was ich nie wieder tun wollte. Aber jetzt habe ich keine Wahl."
"Ich denke ich muss mich daran gewöhnen, dass ich sie nur in meinen Gedanken und Erinnerungen sehen kann", fuhr sie schließlich leise fort. "Ich weiß, so ist sie immer bei mir. Aber das – das ist kaum ein Ersatz dafür, sie wirklich jeden Tag zu sehen, sie zu beobachten wie sie aufwächst, neue Erfahrungen sammelt, die ich mir nie hätte vorstellen können. Und Erinnerungen sind so zerbrechliche Dinge. Mit der Zeit verblassen sie und es bleiben dir nur Bruchstücke und Fragmente von etwas, das du nie vergessen wolltest."
"Weißt du... Erinnerungen mit anderen zu teilen kann helfen diese Bruchstücke und Fragmente am Leben zu halten."
"Aber... mache ich das nicht gera...?"
"Nicht mit mir", erklärte er. "Ich denke du kannst nicht alles von deinem Herzen loswerden was du willst, wenn du es jemandem erzählst, der schon genauso fühlt. Deswegen konntest du vielleicht auch vorher nicht mit mir sprechen."
"Vielleicht..."
Er küsste sie auf ihren Hinterkopf. "Komm", sagte er, sich langsam wieder auf seine Füße stellen. "Lass uns nach Hause gehen. Vielleicht sind wir dann bereit..."
****************
Ihre Kollegen von NERV hätten wahrscheinlich ihre Problem zu glauben, dass Ihr Major, die eine Augenzeugin des Second Impact war, sich so vielen Engeln gestellt hatte, ohne Zögern auf einen laufenden Atomreaktor kurz vor der Explosion gesprungen war und zugegebener Maßen nicht den sichersten Fahrstil hatte, einen tiefen Atemzug machen musste, bevor sie die Kraft aufbringen konnte einen Raum in ihrer eigenen Wohnung zu betreten. Und dieses Gefühl wurde nicht besser, als sie die Gestalt erblickte, die auf dem Bett kauerte.
"Shinji sagte, dass du reden willst", erklärte Misato, als sie näher kam und sich schließlich neben das stille Mädchen setzte. Nachdem einige Sekunden ohne eine Reaktion vergangen waren, fuhr sie fort. "Ich habe nicht viel Erfahrung in solchen Gesprächen. Ritsuko ist niemand, der persönliche Probleme mit anderen teilt und sonst... naja, ich hatte sonst außer ihr nie so viele Freunde. Aber wenn du mir etwas erzählen willst, werde ich dir zuhören."
Asuka schloss ihre Augen, aber antwortete noch immer nicht. Misato fühlte sich immer unwohler bei dieser Stille. Es stimmte, sie hatte nicht viel Erfahrung in so etwas; wenn überhaupt, war sie es gewöhnt den Trost zu bekommen und nicht zu spenden. Aber wenn sie es konnte, wollte sie dem Mädchen helfen.
'Nein. "Jungen Frau"', erinnerte sie sich selbst.
Dennoch wollte sie ihren Schützling nicht zu sehr unter Druck setzen. Shinji sagte, dass es ihr helfen würde wie es ihm an jenem Abend geholfen hatte, aber wenn Asuka es nicht wollte, dann...
"Du.. du weißt von Aki, richtig?", verwarf die leise Stimme alle Gedanken daran, früh zu gehen. Nickend ermutigte Misato sie weiter zu erzählen. "Sie... ich... ich weiß nicht wo ich anfangen soll..."
"Wie wär's am Anfang?"
Asuka lächelte, wenn auch kaum sichtbar, zurück, aber sie gab nicht nach von dem Beginn zu erzählen. "Weißt du, nach ihrer Geburt, als ich sie zum ersten Mal gehalten habe, dachte ich, ich könnte sie nie mehr loslassen. Dass ich immer für sie da wäre, auf das kleine Leben in meinen Armen aufpassen würde. Natürlich war das dumm. Und ich habe viele Fehler gemacht. Aber... ich hatte immer die Gelegenheit sie wieder gut zu machen. Aber... aber nicht dieses Mal..."
Schluchzer durchfuhren ihren Körper, als sie fortfuhr. "Manch... manchmal denke ich, es wäre einfacher gewesen, wenn sie... wenn sie... gestorben wäre. Dann hätte ich es zumindest gewusst. Da wäre etwas von ihr geblieben. Wenn auch ihr Körper aus irgendeinem Grund nicht mehr da wäre, würde es genug geben, was sie hinterlassen hätte. Aber jetzt... jetzt gibt es nichts außer Shinjis und meinen Erinnerungen. Sie hat einfach nie existiert." Als die Tränen frei flossen, vergrub Asuka ihr Gesicht wieder in ihren Armen. "Und... und sie wird es auch nie..."
Zögernd streckte sich Misato ihren linken Arm leicht um Asukas Schulter legend. Sie konnte in Gefechtssituationen Entscheidungen innerhalb von wenigen Millisekunden treffen, aber jetzt wusste sie einfach nicht, was sie tun oder sagen könnte um den Rotschopf zu trösten. "Naja... das weißt du nicht. Vielleicht... vielleicht wenn ihr den richtigen Zeitpunkt..."
Sie hätte sich für diesen dummen Versuch Ohrfeigen können, noch bevor Asuka ihren Kopf schüttelte. "Selbst, wenn wir den genauen Zeitpunkt bis auf die Millisekunde kennen würden, selbst wenn wir durch ein unglaubliches Wunder den Moment perfekt treffen würden, selbst wenn das selbe Spermium und die selbe Eizelle zusammen kämen, wäre sie nie der selbe Mensch. Es könnte andere geben, aber es wäre nie wieder sie..."
"Wie war sie so?", fragte Misato plötzlich, bevor die Stille wieder Einzug halten konnte.
"Hä?"
"Ich werde vielleicht nicht die Möglichkeit haben, sie zu treffen, aber das bedeutet nicht, das ich sie nicht kennen lernen kann", erklärte sie lächelnd. "Sie würde dann nicht länger nur in Shinjis und deinen Erinnerungen weiterleben, sondern auch in meinen. Und vielleicht können wir irgendwann auch anderen von ihr erzählen. Sie würde dann in den Köpfen und Herzen von vielen anderen Leuten existieren. Würde dir das nicht gefallen?"
Asuka brauchte einen Augenblick für diesen Gedanken, aber schließlich nickte sie. "Aber... ich dachte Shinji...?"
"Er hat mir ein paar Sachen erzählt, ja. Aber ich bin sicher du kannst mir helfen das Bild zu vervollständigen."
"Bild?", sie lachte leise dabei. "Sie hat es immer gemocht Bilder zu malen. Ich denke alle Kinder machen das gerne, aber wir hatten wirklich Tonnen von Papieren herumfliegen in genauso vielen Variationen von uns als Strichmännchen."
"Wohl eine kleine Künstlerin, hm?"
"Sie hatte eine Menge von mir, vielleicht mehr, als gut für sie war. Sie konnte manchmal ein ziemlicher Sturkopf sein. Sie wollte sich immer selbst anziehen seit sie noch nicht mal drei war und wie du dir denken kannst, nicht mit den besten Ergebnissen. Oft war ihr die Kleidung viel zu groß. Und wir hatten es schließlich aufgegeben, sie dazu zu bringen Socken und Schuhe zu tragen wenn wir nicht gerade in die Ruinen gegangen sind, wo zuviele Dinge waren, an denen sie sich ihre Füße hätte verletzen können, wenn sie rein getreten wäre.
"Hört sich an, als hätte sie euch ganz leicht um den kleinen Finger gewickelt."
"Oh, du kennst nicht mal die halbe Wahrheit", lachte Asuka. "Ich danke Gott, dass sie es nie gemerkt hat oder zumindest nie die Macht, die sie über uns hatte ausgenutzt hat. Es war kaum möglich ihr etwas abzuschlagen und alles was sie dafür tun musste, war zu lächeln. Ihre Stimme wurde etwas leiser als ihre Augen wieder etwas entfernteres anstarrten. "Sie hatte ein Lächeln, das auch das kälteste Herz zum Schmelzen bringen konnte."
"Und das war es...?"
"Alles wert",beendete Asuka, bevor es Misato tun konnte. "Daran zu denken sie nie wieder zu sehen...", sie schüttelte den Kopf. "Tut mir Leid. I-ich bin mir nicht sicher, ob du das überhaupt verstehen kannst."
Merkend wie sie sich anspannte, wusste Misato, dass sie sie überraschte als sie sie näher an sich zog. "Nein, vielleicht kann ich es wirklich nicht verstehen. Ich bin keine Mutter und wer weiß ob ich je eine sein werde, deshalb kann ich es mir nicht vorstellen, wie es ist ein Kind zu haben geschweige denn wie es ist, eines zu verlieren." Ein trauriges Lächeln spiegelte sich um ihre Lippen, als sie in Asukas verwunderte Augen schaute. "Aber ich kann mir vorstellen, wie es wäre einen von euch beiden zu verlieren. Und das wäre schon schlimm genug für mich."
Nun war es für Asuka an der Zeit Misato zu überraschen, als sie sich auf einmal der Frau an den Hals warf. Misato erwiderte die Umarmung ohne zu zögern. Es stimmte, diese Kinder waren ihr ans Herz gewachsen, wie sonst niemand. Nur, dass sie eigentlich keine Kinder mehr waren. Aber auch Erwachsene brauchten manchmal den Trost einer elterlichen Figur. Sie wusste das nur zu gut.
Sie achtete nicht sonderlich auf die Zeit, daher wusste sie auch nicht wie lange sie Asuka in der Stille hielt bis der Rotschopf plötzlich aufschreckte.
"Shh", brachte sie Misato bereits zum schweigen, bevor sie fragen konnte, was los ist, begeistert ihre Ohren spitzend. "Kannst du das hören?"
Es ihrem Schützling gleich tuend, hörte Misato auf die Geräusche, die sie zuerst nicht bemerkt hatte, aber sich schnell fragte wie. Die Klänge von Shinjis Cello erfüllten das Appartement auf eine Art, wie sie es noch nie gehört hatte. Die Geschwindigkeit und die Leichtigkeit schienen nicht zu dem Instrument zu passen, aber irgendwie schaffte er es die Töne in einer harmonischen Melodie zu halten.
"Was ist das?", wunderte sich Misato.
Doch Asuka lächelte nur heiter. "Ein fröhliches Lied."
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"Und du bist sicher, dass er das mögen wird?"
"Naja, ich kenne Ikaris Geschmack jetzt nicht, aber es ist sehr beliebt. Aber es ist nicht so einfach zu machen, zumindest für einen Anfänger. Soweit ich weiß hast du vorher noch nicht oft gekocht oder?"
"Ich denke nicht, dass das ein Problem ist", versicherte Asuka scheinbar vergnügt. "Immerhin bin ich die große Asuka Langley Soryu! Ich habe bereits jetzt soviel Talent wie es andere erst nach jahrelanger Erfahrung haben!"
"Hmm... wenn du das sagst..." Hikari war noch immer ein bisschen überrascht über den plötzlichen Sinneswandel des Rotschopfes in dieser Angelegenheit. Dennoch störte sie der neu entdeckte Enthusiasmus ihrer Freundin nicht. "Aber falls du trotzdem möchtest, dass ich dir helfe..."
"Dann werde ich...", schweifte Asuka ab und sie schaute weg. Ihrem Blick folgend bemerkte Hikari, dass ein gewisser Spielwarenladen in Sicht war. Die Schritte ihrer Freundin wurden langsamer als sie näher kamen, bis sie schließlich ganz stehen blieb.
"Asuka?"
"Könntest du einen Moment warten?", fragte sie ausdruckslos.
"Ähm, klar, aber..." Aber bevor Hikari zu ende gesprochen hatte, war Asuka bereits drin.
Es dauerte nur ein paar Minuten, bis sie wieder kam, nun eine rot-haarige Puppe in ihren Armen wiegend; die, die sie zuvor bereits angestarrt hatte.
"Oh, die ist aber süß!", brachte Hikari entzückt hervor. "Aber ich dachte, du magst diese 'kindischen Dinge' nicht?"
Asukas Lippen formten ich zu einem heiteren Lächeln. "Nun, die hier ist was besonderes", sagte sie über den Kopf der Puppe streichelnd.
Sehr zu ihrer beider Überraschung folgte der Kopf ihrer Hand, als sie die Seite erreichte. Scheinbar waren einige der Nähte locker, die ihn festhielten, so hing der Kopf nur etwa halb am Körper.
"Das ist aber billig verarbeitet!", beschwerte sich die Brünette. "Du solltest dein Geld zurückverlangen oder sie ersetzt bekommen!"
Aber seltsamerweise schien das nur Asukas Vergnügen zu vergrößern, da sich ihr Lächeln verbreiterte, als hätte sie den Jackpot gezogen.
"Nein, darum werde ich mich selbst kümmern", verkündete sie glücklich.
Hikari schloss schnell ihren Mund als sie bemerkte, dass sie ihre Freundin angaffte. Was war so besonderes an dieser Puppe, dass sie sie eher selbst reparieren wollte, als eine neue zu bekommen? Auch wenn sie sie irgendwie an ihre Mutter erinnerte, wie sie zuerst dachte. Es sei denn, es war die ihrer Mutter, aber wie hätte die Puppe ihrer Mutter hierher kommen sollen?
"Ist das ein seltenes Sammlerstück?" Asuka schien nie in Geldnot zu sein, aber das war das einzige, was sie sich hätte vorstellen können.
"In gewisser Hinsicht... ja...", antwortete der Rotschopf murmelnd, ohne die Augen von dem Spielzeug zu nehmen. "Die einzige Ihrer Art."
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["Aber... Aki... Ich... sie muss mich hassen..."
"Asuka, du warst immer eine großartige Mutter. Sie liebte dich zu sehr als dass sie dich jemals hassen könnte. Das einzige, das sie gehasst hat, war dich traurig zu sehen."]
"Eine unerwartete Unterhaltung, um es mal so zu sagen", kommentierte Fuyutsuki, während im Hintergrund die Aufzeichnung weiterlief.
Sein Gefährte zeigte dennoch nicht die Verwunderung, die er sicher verspürte. Gendo ließ sich Zeit etwas zu sagen, daher war sich Kozo nicht sicher, ob der Kommandant ihn überhaupt verstanden hatte oder ihn einfach ignorierte, sich eher auf den Dialog der Piloten konzentrierend.
"Denkst du das könnte unser Szenario gefährden?", fragte Ikari, seinen loyalen Untergebenen überraschender Weise mit einer, wenn auch nur kleinen, Spur von Unsicherheit in der Stimme. Gerade als er den Plan in seinem Interesse verändert hatte, indem er die Lanze des Longinus 'verloren' hatte, war es sicherlich nicht sehr wünschenswert noch jemanden zu habe, der ihnen doch wieder in die Quere kommen würde.
"Unter anderen Umständen hätte ich gesagt, dass sie unter dem Einfluss des Engels halluzinierte und er dabei mitspielte mit einer verrückten, aber scheinbar richtigen Vermutung. Aber dass jemand versucht diese Kommunikation vor uns zu verbergen, rückt die Sache in ein ganz anders Licht."
Wieder bekam er keine Antwort, aber dieses Mal bezweifelte er, dass seine Worte auf taube Ohren gestoßen waren. Die Augen des jüngeren Mannes konnte man nicht erkennen durch die Brillengläser, die das helle Licht des Displays im sonst dunklen Raum spiegelten, aber Kozo konnte sich die Wut dahinter auch so vorstellen. Ein Geheimnis, in das er nicht eingeweiht war und über das er nichts wusste, zudem auch noch ein sabotierendes, war etwas, das Gendo Ikari nicht gewohnt war und noch weniger mochte.
"Was werden wir in der Sache unternehmen?", nahm der Sub-Kommandant vorweg. "Es könnte trotzdem eine Art Zufall sein. Besonders, da es für ihre Worte keine vernünftige Erklärung gibt. Die Berichte der letzten Ganzkörperuntersuchungen sind weniger als einen Monat alt und belegen, dass das Second noch Jungfrau ist. Neuere Test haben keine Veränderungen in der Hormonbalance oder sonstige eindeutige Zeichen einer Schwangerschaft gezeigt. Auch wurde sie nie mit einem Kind oder Tier gesehen, das sie 'adoptiert' haben könnte. Es ist nicht möglich, dass sie eine 'Mutter' ist oder je war."
"Nein", überstimmte Ikari murmelnd, aber Fuyutsuki hörte es trotzdem. "Jedenfalls noch nicht."
"Verzeihung bitte?"
"Für den Moment werden wir nichts unternehmen", erklärte Gendo lauter, anstatt zu wiederholen, was er dachte. "Aber wir sollten ein Auge auf sie haben. Was das auch immer zu bedeuten hat, falls sie versuchen unsere Pläne zu vereiteln, werden wir ihre durcheinanderbringen."
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Er zuckte ein bisschen zusammen bei dem Schmerz, der seinen Körper durchfuhr und er griff instinktiv nach dem Verband auf der linken Seite seiner Brust.
"Vorsichtig, diese Rippe ist gebrochen", erinnerte ihn der Mann, den er nur als 'Doc' kannte. "Kugelsichere Westen schützen sie vielleicht davor zu sterben, aber nicht davor, verletzt zu werden. Besonders nicht so leichte wie ihre."
Er lachte grob, den Schmerz, der mit jedem Heben und Senken seines Brustkorbes stärker wurde, als er sich von seinem Bett aufrichtete, ignorierend. "Wenn ich gewusst hätte, dass ich nur so einen Anfänger Wert bin, hätte ich eine bessere benutzt. Ich habe schon gedacht, dass es um mich geschehen ist, als ich meine 'Notpistole' nicht greifen konnte, aber die Blutbeutel und meine kleines Schauspiel waren wohl genug um ihn zu täuschen."
"Versuchte er nicht sicher zu gehen seine Arbeit zu erledigen?", fragte Doc, mit einem missbilligendem Blick auf die Zigarette, die er sich aus dem Päckchen aus seiner Kleidung neben ihm nahm und zwischen die Lippen steckte.
"Hat nichtmal nach mir gesehen", sagte er schulterzuckend und zündete die Kippe an, des Docs wortlose Verurteilung des Rauchens in dieser verlassenen aber doch sterilen Umgebung ignorierend. "Muss wohl so stolz auf seine Schießkünste gewesen sein, dass er nicht glaubte, dass ich überlebt haben könnte. Wenn es die Dinge nicht so einfach für mich gemacht hätte, wäre ich fast beleidigt, dass sie so einen Typen geschickt haben."
"Sicher, dass sie dich nicht vorsätzlich haben gehen lassen? Es sieht ihnen nicht ähnlich solche Fehler zu machen."
"Diese Stümper sind nicht die JSSDF. Du weißt wie das läuft: Heuer jemand an, der einen anheuert, der einen anheuert. Verschlossenheit hat seine Vorteile, aber um sie zu bewahren ist ein gewisser Mangel an Qualität ein typischer Schwachpunkt solcher Kanäle. Und wenn das bedeutet, dass ich mich nicht darum sorgen muss wie ich eine Leiche los werde und eine fälschliche 'Mission abgeschlossen'-Mitteilung durchzubekommen, werde ich mich sicher nicht beklagen."
"Du weißt, du hättest dem ganzen Schlamassel aus dem Weg gehen können."
"Um ehrlich zu sein", begann er zuzugeben, als er anfing sein Shirt anzuziehen, "ich hatte fast schon das Unausweichliche akzeptiert. Ich hatte die Wahrheit gefunden, nach der ich für mich gesucht hatte, also hatte ich keinen Grund es nicht zu tun. Aber dann habe ich bemerkt, dass es noch viele andere gibt, die auch darum kämpfen, die mehr meine Hilfe wollen, als ich gedacht hätte. Es wäre nicht fair sie zu enttäuschen. Besonders, wenn sie dir ein weiteres Rätsel zu lösen gegeben haben."
"Ich habe eigentlich davon gesprochen etwas weiter in den Untergrund abzutauchen und zu versuchen ihre Wege nicht wieder zu kreuzen."
"Zu viel Aufwand, der sich am Ende als unnütz herausgestellt hätte. So ist es mir viel lieber", lachte er, die Krawatte locker um den Hals ziehend. "Das wichtigste für einen Spion ist es überall hin zu kommen, ohne gesehen zu werden. Als Geist sollte das kein allzu großes Problem sein."
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